Strategie & Management

Führungskultur

Wie Entscheidungen besser und schneller gefällt werden

Die rasanten technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen zwingen die Unternehmen zum raschen Handeln. Gute und zugleich zügige Entscheidungen sind somit fundamental. Deshalb brauchen neue Zeiten auch eine neue Entscheidungskultur.
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Führungskräfte müssen zwar vieles wissen und kennen, aber nicht alles können. Entscheidungen «kraft Amtes» von oben, die zudem ewig dauern, kann sich kein Unternehmen noch länger leisten. Ist das Geschehen rasant und komplex, werden Top-down-Dekrete zum Bremsklotz einer Organisation. Vormarsch, individualisierte Dienstleistungen und hohes Tempo sind nur dort machbar, wo zwischen Entscheidung und Umsetzung möglichst wenig Zeit vergeht. 

Zudem liegen fachliche Kompetenzen heute vor allem bei den Spezialisten im Team. Wer die Tore schiesst, sollte auch die dazu notwendigen Entscheidungen treffen. «Kompetenzen und Verantwortung zusammenführen» nennt man dieses Prinzip. Doch noch immer werden in klassischen Or­ganisationen die grösseren Entscheidungen in die nächst­höhere(n) Hier­archiestufe(n) verlagert. Das ist, als ob der Trainer die Elfmeter schiessen müsste. Und genau das steht einem Erfolg dann im Weg.

Entscheidungsqualität erhöhen

Wie kann das gelingen? Schauen wir uns zunächst einen Fall an, der so tatsächlich passiert ist. Anschaffungen ab 100 Franken brauchen in diesem Unternehmen die Unterschrift des nächsthöheren Vorgesetzten. Hierfür ist aufwendig ein Formular auszufüllen. Zu allem Übel ist der Chef zwei Wochen im Urlaub, danach türmt sich bei ihm die Arbeit. Als endlich grünes Licht kommt, ist der Kunde, für dessen Auftrag die Anschaffung notwendig war, weg. Er konnte nicht länger warten. Der entgangene Umsatz beläuft sich auf 10 000 Franken. Die Kosten für die interne Prozessabwicklung kommen noch obendrauf.

Ist das nicht völlig abstrus? Erst wollen die Firmen die besten Mitarbeiter und dann werden die geführt, als ob sie keine eigenen Entscheidungen treffen könnten. «Es macht keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben. Wir stellen kluge Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir tun können.» So brachte das schon vor Jahren Steve Jobs auf den Punkt. 

Wege zur Entscheidungsfindung

Im Führungsverständnis von heute geht es nicht länger darum, Entscheidungen von oben vorzugeben, sondern darum, 

  • gemeinsam getragene Entscheidungen herzustellen und 
  • operative Entscheidungen in die Teams zu verlagern.

Um Entscheidungen herbeizuführen, gibt es viele Mittel und Wege. Zwei konventio­nelle sind der Mehrheitsentscheid und der Konsensentscheid. Beim Mehrheitsentscheid wird eine Entscheidung nach einem vorgegebenen Mehrheitsschlüssel getroffen. Bis zu 49 Prozent aller Stimmen werden dabei verlieren. Viel Unzufriedenheit kann so entstehen und die Tragfähigkeit einer Entscheidung wird leicht unterminiert.

Demgegenüber benötigt ein Konsens­entscheid die ausdrückliche Zustimmung aller. Dem eilen oft lange Diskussionen voraus. Schliesslich einigt man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Dies ist wohl der schlechteste aller Wege in neuen Zeiten. So geht es besser:

Der konsultative Einzelentscheid

Dies ist eine exzellente Methode, vor allem in selbst organisierten Kontexten. Ziel ist es, die Expertise Dritter in seine Entscheidung miteinzubeziehen. So kann zum Beispiel bestimmt werden, dass, bevor eine Entscheidung getroffen wird, immer mindestens zwei sachkundige Personen befragt werden müssen – und nicht etwa bequeme Kollegen. Dabei kann es sich um Personen innerhalb oder aus­serhalb der Firma handeln.

Die Verantwortung, wie dann am Ende entschieden wird, verbleibt allerdings bei der entscheidenden Person oder Gruppe. Auf diese Weise umgeht man langwierige Abstimmungsrunden, verbessert die Entscheidungsgrundlage, erhöht die Handlungssicherheit und beschleunigt die Umsetzungsgeschwindigkeit.

Der Konsent-Entscheid

Mit dieser Methode können zähe Dis­kussionen oder wachsweiche Gruppenbeschlüsse vermieden werden. Nicht «Ja, ich stimme zu!», sondern «Ich habe keinen schwerwiegenden, begründeten Einwand dagegen», das ist ein Konsent-Entscheid. Es geht also nicht um ein Maxi­mum an Zustimmung, sondern um eine Minimierung der Bedenken. Das heisst, man stützt sich auf Entscheidungen, die «gut genug» sind, damit es zügig vorangeht. Dazu fragt man in etwa so: «Sieht jemand einen wichtigen Grund, weshalb dieser Vorschlag einen Schaden anrichten könnte?» Zieht nun jemand die Veto-Karte ernster Bedenken, dann setzt man den Vorschlag nicht um. Am besten regen Sie an, damit gleich mal zu experimentieren – und zwar im Konsent-Format: «Lasst uns das doch mal einen Monat lang ausprobieren. Wenn es nicht funktioniert, schaffen wir es wieder ab. Hat jemand einen gravierenden Einwand dagegen?» 

Die Elfer-Skala

Dies ist eine Methode, die statt ausufernder Diskussionen einen zügigen Entscheidungsprozess in einer Gruppe oder in Meetings sichert und für gemeinsam getragene Entscheidungen sorgt. Die einzelnen Schritte: Zunächst wird das Thema vorgestellt, zu dem eine Entscheidung ansteht. Danach ist Zeit für Verständnisfragen. Hiernach wird den Teilnehmern eine erste Bewertungsfrage gestellt: «Auf dieser Skala von 0 bis 10: Wie wichtig und dringlich ist dieses Thema für das Projekt/unser Unternehmen?» Jeder entscheidet verdeckt. Danach werden stellvertretend je zwei oder drei Meinungen aus dem niedrigen (0 bis 4) und dem hohen Bewertungsbereich (6 bis 10) gehört. Darauf folgt eine Minute der stillen Besinnung. Hiernach gibt es eine zweite verdeckte Bewertung: die gleiche Frage auf einer neuen Skala. Liegen alle Bewertungen zwischen sieben und zehn, ist das Thema angenommen. Liegt eine darunter, kann die Konsent-Frage helfen. Wer glaubt, Mitarbeiter wollten nicht entscheiden, liegt falsch. Denn wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wollen sie dies schon.


Entscheidungsbefugnisse klären

Einer Studie der Haufe-Gruppe zufolge möchten 84 Prozent der 11 880 Befragten mehr Einfluss auf Entscheidungen im Unternehmen haben. Demnach sagen 77 Prozent: «Das steigert meine Motivation.» 42 Prozent denken, dass Entscheidungen so verbessert werden könnten, und 29 Prozent meinen, dass das Unternehmen dann erfolgreicher wäre.

Das Potenzial ist also enorm. Doch man muss üben, um zu brillieren. Es empfiehlt sich also, in kleinen Schritten zu beginnen. Es ist gemeinsam zu klären, wer welche Entscheidungsbefugnisse erhält, nach welcher Methode jeweils entschieden wird und wo die jeweilige Umsetzungsverantwortlichkeit liegt. Am besten ist, alles an einer sichtbaren Mitteilungswand transparent zu machen, damit nichts im Niemandsland landet.

Das kleinteilige Mikro-Management, das die eigentliche Arbeit der Führungscrew so sehr blockiert und ausserdem Zeitdruck erzeugt, wäre damit vom Tisch. Die zunehmende Selbststeuerung schärft das Engagement der Mitarbeiter und macht die Ergebnisse besser. So können sich diese beweisen und soziale Anerkennung erlangen. Wer sich seine Okays immer von oben abholen muss, bekommt so etwas nicht. Zu was das dann führt? Zunächst sinkt die Stimmung talentierter Mitarbeiter, dann deren Anzahl. Und neue Talente kommen erst gar nicht an Bord.

Porträt