Strategie & Management

Mitarbeiterführung II

Wie die Generation Y zielsicher zu führen ist

Mitarbeiter der Generation Y sind fordernd, skeptisch, anspruchsvoll und haben eine hohe Freiheitsorientierung. Gleichzeitig wollen die Millennials gefordert werden. Damit stellen sie für Führungskräfte eine besondere Herausforderung dar. Welcher Führungsstil der zielführendste ist, zeigt dieser Beitrag.
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Kaum ein Tag vergeht, ohne dass man Führungskräfte über die Generation Y jammern oder fluchen hört. Die Millennials, sie sind in den Jahren 1980 bis 2000 geboren, seien unmotiviert, faul und fordernd. Bei genauerem Hinschauen ergibt sich in neun von zehn Fällen ein anderes Bild: Die Führungskräfte haben ihre Generation-Y-Mitarbeitenden schlichtweg nicht im Griff. Und belegen dadurch die These, dass es keine schlechten Mitarbeitenden gibt, sondern nur schlechte Vorgesetzte.


Führungsfehler

Wo liegt die Ursache für das Führungs­versagen? Zu oft kaprizieren sich Vorgesetzte auf einen eindimensionalen Führungsstil. Entweder leben sie die «harte Schule». Oder aber sie führen wie Therapeuten, bringen für alles und jeden Verständnis auf und sind kaum in der Lage, ihren Mitarbeitenden Grenzen zu setzen. Die beschriebenen – und zugegebenermassen zugespitzten – «entweder-oder»-Führungsmodelle haben bei der Generation Y ausgedient. Zielführend sind einzig Führungsansätze, die den anforderungsreichen «sowohl-als-auch»-Paradigmen Rechnung tragen. Denn eine Millennial-Führungskraft muss

  • sich durchsetzen – und durchlässig sein.
  • Härte zeigen können – und empathisch führen.
  • Glasklare Ansagen machen – und aufmerksam zuhören.
  • Grenzen setzen – und Spielräume öffnen.

An dieser Stelle sei unbeschönigt auch gesagt, dass der Umgang mit der Generation Y anspruchsvoll ist. Die Millennials sind mit ihren Arbeitsplatzvorstellungen für Führende aus der Generation X oder älter eine echte Herausforderung: Flache Hierarchien, keine autoritären Chefs – dafür Sabbaticals, Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, Teilhabe und Mitentscheiden. Führungskräfte müssen die Arbeit neu denken und die Frage beantworten: Wie muss die wirksame und zielführende Führung von Millennials beschaffen sein?


Verkannte Zielgruppe

Vorweg noch zwei Gedanken zum Wesen der Generation Y. Zuerst zum düster-kritischen Fremdbild der Generation Y, dann zu den tatsächlichen Wesensmerkmalen. Die Millennials hätten Gratifikationsaufschub nie gelernt und seien nur auf instantane Bedürfnisbefriedigung aus, heisst es. Das Aufwachsen mit Klimawandel, Schulattentaten und dem fanatischen Terrorismus mache sie zu Pessimisten mit wenig Zukunftsglauben. Ferner seien sie durch antiautoritäre Erziehung, viel Elternaufmerksamkeit und übertriebene Anerkennung verhätschelt-verwöhnte Individuen.

Woher rührt dieses kritische Fremdbild? Die Erklärung ist simpel: Es ist vor allem ein Medienbild. Denn über die Generation Y und ihre vermeintliche Andersartigkeit wird gerne und oft geschrieben. Bekanntlich verkauft sich jedes Medienprodukt über seine Schlagzeilen. Und die Grundlage für die verkaufsträchtigsten Schlagzeilen sind Normabweichungen. Entsprechend werden die Millennials im Zweifelsfalle gerne als besonders «krass» dargestellt.


Das Wesen der Millennials

Weg vom beschriebenen und stark vereinfachenden Medienbild hin zur Frage: Wie tickt die Generation Y denn wirklich? Nils Schulenburg, Professor für Personal- und Organisationsentwicklung, ermittelte für sein Buch «Führung einer neuen Generation» mit wissenschaftlichem Ansatz jene Wesensmerkmale, die die Millennials von jeder anderen Generation unterscheiden. Dies sind die drei spannendsten:

Starkes Selbstbewusstsein («Generation umworben»):

  • Umworben von Eltern: Weniger Kinder, dadurch mehr Elternaufmerksamkeit.
  • Umworben vom Markt: Entwicklung vom Verkäufer- hin zum Käufermarkt.
  • Umworben von Arbeitgebern: Suche nach den am besten qualifizierten Mitarbeitenden.

Hohe Flexibilität (Millennial-Bewusstsein – «nichts ist für die Ewigkeit»):

  • Hervorgerufen durch Globalisierung.
  • Durch Mauerfall, «Systemsieg» des Kapitalismus.
  • Durch massiv kürzere Innovations-, Produktions- und Lebenszyklen von Produkten – vor allem in der Konsumgüterindustrie.

Geringe Machtdistanz (Ablehnung Machtunterschiede):

  • Hervorgerufen durch Aufwachsen: Eltern und Lehrer verhandeln mit Kindern über fast alles.
  • Ablehnung von Hierarchien per se.
  • Ablehnung von Machterhalt über Hierarchien.

Eines der drei genannten Wesensmerkmale der Generation Y ist ihr starkes Selbstbewusstsein. Bezüglich der Arbeitsmarktfähigkeit wird dieses Selbstbewusstsein durch die demografische Entwicklung verstärkt. Die geburtenstarken Babyboomer der Jahrgänge 1945 bis 1964 verabschieden sich in immer grösserer Zahl in die Pension. Unten nach folgen die geburtenschwachen Jahrgänge der Generation Y. Daraus resultiert – Zuwanderung ausgeblendet – ein Nettoverlust an Arbeitskräften. Die Millennials werden so zu nachgefragten Arbeitskräften. Und der Kampf um die besten Talente beginnt. Nicht umsonst überschrieb der Thinktank Avenir Suisse erst vor ein paar Monaten eine Publikation wie folgt: «Es wird ernst mit dem demografischen Wandel!»


Führungsrezepte

Zurück zur Eingangsfrage, wie Führungskräfte die Millennials – diese fordernd-skeptischen Individuen mit hoher Freiheitsorientierung – führen müssen. Folgende vier Punkte können, bei der richtigen Anwendung, ein wirksames Rezept darstellen:

Sich und sein Selbstbild reflektieren

Sind Sie in Ihrer Organisation als Chef «oben» und Ihre Mitarbeitenden «unten»? Schöpfen Sie Ihr Selbstverständnis als Führungskraft aus der Tatsache, dass Sie alles am besten können (müssen)? Haben Sie oft den Eindruck, dass Sie der Einzige sind, der den Weg kennt? Wenn Sie diese aufgeworfenen Fragen nicht schnell und klar mit Nein beantworten, laufen Sie Gefahr, bald als Dinosaurier durch die Gänge zu gehen; als Vertreter einer aussterbenden Chef-Spezies.

Als Vorgesetzter sollten Sie sich im Zusammenhang mit der Generation Y als Dienstleister verstehen. Ihre Verantwortung als Führungskraft geht immer mehr dahin, eine Plattform aufzubauen, auf welcher Ihre Y-er möglichst zielgerichtet gute Leistungen erbringen. Übrigens reicht es nicht mehr, nur nach unten zu geben, was von oben kommt – und vice versa. Als Chef müssen Sie Transaktionskosten senken und durch Einordnungs-, Verortungs- und Übersetzungsleistung einen Mehrwert in jede Richtung erbringen.

Mit der Generation Y legitimieren Sie sich als Chef nicht darüber, dass Sie alles besser wissen. Denn immer mehr sind es Ihre Mitarbeitenden, die in ihrem Spezialgebiet stärker sind als Sie. Dies eröffnet Ihnen Chancen, indem Sie von Ihren Millennials tagtäglich lernen – im angelsächsischen Sprachgebrauch existiert hierfür der Begriff des «reverse mentoring».

Wenn Ihre Mitarbeitenden oft bessere Detailkenntnisse haben als Sie: Was ist denn Ihre Aufgabe – neben der erwähnten Reduktion von Transaktionskosten und Einordnungsleistung? Nur Sie schaffen es, die Einzelleistung Ihrer Mitarbeitenden zu einer Gesamtleistung zu integrieren. Denn Sie kennen das grosse Ganze am besten, die wirksamsten Hebel und Sie steuern den Ressourcen-Einsatz und verkaufen ein Gesamtprodukt.

Schonungslos führen

Achtung: Schonungslos heisst nicht brutal. Schonungslos heisst, dass Sie Ihren Millennials so begegnen, wie sie es als erwachsene Menschen einfordern. Denn die Generation Y will am Arbeitsplatz vor allem eines: ernst genommen werden. Und jemanden ernst nehmen, ist das genaue Gegenteil von schonen. Wenn Sie als Führungskraft jemanden permanent schonen, trauen sie ihm oder ihr nicht die volle Leistung zu. Klar: Als Führungskraft ist das «Nichtschonen» meist der strengere und anspruchsvollere Weg. Denn die Mitarbeitenden  nicht zu schonen, heisst, die Millennials in die Pflicht und in die Verantwortung nehmen. Und den Mitarbeitenden Tag für Tag zu erklären, dass es Würde ohne Bürde nicht gibt. Und dass aus der Verantwortung auch eine Verpflichtung entsteht.

Sinn stiften

Die Generation Y will einen Unterschied machen. Deshalb gilt für jede Führungskraft und Organisation: Wer Leistung will, muss Sinn stiften. Denn wenn Mil­lennials Sinn erkennen, sind sie die motiviertesten und leistungsstärksten Mitarbeitenden. Beispiel: Früher konnte man einer Assistentin ohne Erklärung sagen, dass sie das Telefon nach dreimaligem Läuten abnehmen solle. Sie tat es ohne Murren und Rückfrage – aber ohne Sinn.

Die Generation Y-Telefonistin jedoch stellt die Rückfrage: Weshalb soll ich den Hörer nach dreimaligem Läuten abnehmen? Nun haben Sie zwei Möglichkeiten. Entweder Sie «ordnen an», dieses so zu tun. Oder aber Sie «ordnen ein»: Sie erklären der Kollegin, dass ihre Arbeit wichtige Kundenpflege sei. Die Telefonistin wird Ihnen Ihr kleines Investment doppelt zurückzahlen. Fortan wird sie das Telefon schon nach einem Mal läuten abnehmen und darüber hinaus jeden Kunden noch freundlicher begrüssen als ohnehin.

Lernen, besser zu argumentieren

Die Millennials sind starke Verhandler, Argumentierer, Debattierer, Diskutierer. Die Generation Y ist aufgewachsen im Bewusstsein, dass alles jederzeit verhandelbar ist: zuhause mit den Eltern, in der Schule mit den Lehrern, im Sportclub mit den Trainern. Der Anspruch auf Nachvollziehbarkeit ist bei den Millennials stark ausgeprägt. Sie als Führungskraft sollten Anweisungen nicht nur aussprechen, sondern knapp und klar begründen. Jedoch: Damit die Gespräche und Diskussionen nicht endlos werden, müssen Sie in der Lage sein, einen Punkt zu setzen. Und das Wichtigste: Wenn es um Beurteilung von Leistung geht, müssen Sie messerscharfe Kriterien und Währungen definieren, dies umso mehr, wenn damit finanzielle Aspekte (Lohn, Prämien) verbunden sind.