Strategie & Management

Nachfolgeregelung (Teil 2 von 4)

Wenn der Familienunternehmer seine Nachfolge plant

Die Übergabe der eigenen Firma gehört zu den schwierigsten Schritten im Leben eines Unternehmers. In Familienbetrieben wird das Lebenswerk bevorzugt in die Hände der Kinder gelegt oder einem langjährigen Weggefährten anvertraut. Ein Prozess, der aufgrund seiner hohen Komplexität und starken Emotionalität aber oft fehleranfällig ist.
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Marcel Dörig ist ein Bäckermeister der alten Schule. Vor über 30 Jahren hat er die Dorfbäckerei in Oberbüren SG von seinem Vater übernommen. Abend für Abend steht Dörig seither in der Backstube und knetet den Teig für die Brötchen vom Folgetag gleich selbst. Auf künstliche Backmittel und Hefe verzichtet das Familienunternehmen bewusst, was von einer grossen Stammkundschaft sehr geschätzt wird. Heute ist Marcel Dörig 57-jährig und sagt: «Schon vor Jahren wurde mir klar, dass ich nicht bis 65 durcharbeiten und mich erst dann mit meiner Nachfolge auseinandersetzen will.»


Familienfriede ist zentral

Früh suchten deshalb er und Ehefrau Patricia Dörig das Gespräch mit ihren vier erwachsenen Kindern. Auch extern holte sich der Bäckermeister Tipps, wie eine familieninterne Nachfolge optimal aufgegleist werden könne. «Irgendwie drehten sich aber sowohl die familieninternen wie auch die externen Gespräche im Kreis. Ich kam nicht weiter», erinnert sich Marcel Dörig. Dann riet ihm ein Bekannter zum Kontakt mit dem Raiffeisen Unternehmerzentrum (RUZ). Seit zwei Jahren ist Tochter Corina Dörig aktiv im Betrieb und wird diesen mittelfristig ganz übernehmen.Wie kam es dazu? In einem ersten kos­tenlosen Unternehmergespräch am RUZ schilderte Marcel Dörig seine klare Absicht, bis Ende 2016 schlüssig wissen zu wollen, ob eine familieninterne Nachfolge möglich respektive machbar sei. Sofort setzte das RUZ einen zweiten Gesprächstermin mit allen Dörig-Familienmitgliedern an. Dabei wurden sämtliche Befindlichkeiten, Erwartungen und Ansprüche auf den Tisch gelegt. Für die angehende Geschäftsinhaberin Corina Dörig war dieser moderierte Familien-Roundtable entscheidend: «Erst nach diesem Gespräch wurde mir ganz klar, dass ich das Geschäft übernehmen möchte.» Die Lösung wurde von allen Geschwistern, für die im Anschluss gerechte Kompensationsregelungen erarbeitet wurden, emotional mitgetragen.

Für Matthias Weibel, der das RUZ leitet, ist der Fall Dörig beispielhaft: «Die Nachfolgeregelung ist – gerade familienintern – ein sehr emotionales Thema. Es geht vorerst um ‹Soft Facts›, Zahlen interessieren erst später.» Die Rollen aller Beteiligten, insbesondere des Abtretenden, müssten in solchen Gesprächen schlüssig geklärt werden. «Arbeitet er noch mit? Kommt er ständig zum Kaffee? Kann er wirklich loslassen? Solche Dinge müssen diskutiert und verbindliche Regelungen gefunden werden. Alle müssen daran glauben, dass es gut herauskommt, dass es gut ist für die Mitarbeitenden, dass Werte Bestand haben und so weiter. Das ist uns ganz wichtig.» Diese Basis müsse stimmen, sagt Weibel. Danach sei der Rest der Nachfolgeregelung Handwerk und Fleissarbeit, meist finanztechnischer Natur. Das RUZ begleitet Unternehmer hierbei mit einem Expertenpool.


Drohende Konsequenzen

In den kommenden fünf Jahren steht in über 70 000 Schweizer KMU ein Generationenwechsel an. Die Mehrheit davon befindet sich in Familienbesitz. Im Vordergrund steht für viele eine Nachfolge innerhalb der Familie oder die Übergabe an eine verdiente Führungskraft (Management-Buy-out). Scheitert die Übergabe oder ist sie nicht zufriedenstellend umgesetzt, drohen negative Konsequenzen für das Unternehmen: Das Image der Firma und ihre Position am Markt können Schaden nehmen, im schlimmsten Fall droht sogar die Liquidation. Matthias Weibel bringt es auf den Punkt: «Nachfolgeregelungen kann man nicht lernen. Meistens macht man das einmal in seiner Karriere und dann muss es auf Anhieb sitzen.»

Gelungen ist auch die Nachfolge der Käserei Schönebüel im toggenburgischen St. Peterzell. Ähnlich wie im Fall Dörig kamen mehrere Geschwister der Besitzerfamilie Näf infrage, um das Geschäft vom Vater zu übernehmen. Nach dessen erstem Unternehmergespräch am RUZ Gossau wurde auch hier die ganze Familie für eine emo­tionale «Chropfleerete» aufgeboten. Wichtige Fragen stellten sich etwa zur finan­ziellen Zukunft des Vaters sowie den Modalitäten der Übergabe. «Ebenso wurde intensiv diskutiert, welche Lösung auch die Ansprüche meiner Geschwister am besten erfüllt», berichtet Mathias Näf, Sohn und künftiger Geschäftsleiter des Familien­betriebs. Der bewährte Ablauf, zunächst Transparenz in alle emotionalen Befindlichkeiten zu bringen, daraus eine konsensorientierte Nachfolgelösung abzuleiten und diese dann mithilfe von fachlicher Expertise professionell und sauber umzusetzen, hat sich auch im Fall der Käserei Schönebüel bewährt. «Die RUZ-Experten haben gekonnt zwischen den einzelnen Familienparteien vermittelt und auch immer wieder Themen angesprochen, die sonst vergessen gegangen wären», sagt Mathias Näf.


Missverständnisse verhindern

Dass eine offene und transparente Kommunikation die Kernvoraussetzung für jede erfolgreiche Nachfolge ist, bestätigen auch wissenschaftliche Untersuchungen: «Zu den Erfolgsgeheimnissen langlebiger Unternehmerfamilien gehören neben einem starken Zusammenhalt auch eine offene Kommunikation und das Ansprechen von Konflikten», fasst die Hochschule Luzern (HSLU) in einer Studie zu Familienunternehmen zusammen.

Beim alteingesessenen Handelsunternehmen Pestalozzi und Co. aus Dietikon etwa nahm sich die Familie bei der Suche nach dem besten Nachfolger in der mittlerweile neunten Generation viel Zeit. Ein von der Familie gemeinsam ausgewählter Coach führte während rund zwei Jahren immer wieder Einzelgespräche mit den vier Kindern, bis sich schliesslich der zweitälteste Sohn als der beste Nachfolger herauskristallisierte. Umgekehrt kann eine schlechte Kommunikation einer Lösung im Weg stehen. Weibel erlebte dies bei einer Unternehmerfamilie, deren Sohn den Familien­betrieb eigentlich gerne übernommen hätte. Weil er vom Vater nie klare Signale dazu erhalten hatte, interpretierte er das als Misstrauen und wandte sich schlussendlich einer eigenen Berufslaufbahn zu. Dabei habe sich der Vater nie etwas anderes als eine Übergabe an den Sohn gewünscht: «Er hat das blind vorausgesetzt, aber nicht konkret darüber gesprochen.»


Zehn Jahre vorher beginnen

Für Matthias Weibel ist eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema Nachfolge zentral: Am besten beginnen Unternehmer bereits zehn Jahre vor der Übergabe, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen: «Dann ist man sicher nicht zu spät.» Das RUZ hat mit der sogenannten «Nachfolgebox» einen Prozess entwickelt, mit dem Nachfolgefälle systematisch angepackt werden können. Dazu gehört auch der Beizug eines Begleiters als Coach. Ein rechtzeitiges Herangehen lässt auch grundsätzliche Fragen zu, etwa ob das Unternehmen am Markt noch richtig aufgestellt ist. Auch können mögliche Varianten für eine nachhaltige Nachfolgelösung in Ruhe erwogen werden – sei dies eine Lösung innerhalb der Familie, der Verkauf an einen Mitarbeitenden oder an ein anderes Unternehmen. Aber auch persönliche Fragestellungen des Unternehmers über die Regelung seiner Vorsorge für den Ruhestand sollten möglichst früh angegangen werden.


Finanzielle Aspekte

Die Erwartungen aller Beteiligten sollten auch bezüglich der finanziellen Aspekte offengelegt werden. Immerhin geht es für den Unternehmer um seine finan­zielle Vorsorge, steckt doch oft ein gros­ser Teil seines Vermögens im Unternehmen. Die weiteren Familienmitglieder – etwa Geschwister – dürfen eine finanzielle Gleichstellung erwarten. Ob Steuern oder Vorsorge, alle diese Themen müssen keine grundsätzliche Belastung darstellen, solange man nur früh genug handle, betont Weibel: «Schlimm sind diese Dinge eigentlich immer nur, wenn es eilt.» Zur Begleichung des Übernahmepreises etwa muss die finanzielle Situation des Käufers im Einzelfall analysiert werden. Ob am Ende ein Darlehen bei einer Bank aufgenommen wird, der frühere Inhaber noch ein Darlehen stehen lässt oder ob man einen stillen Teilhaber dazuholt: Ein «allgemeingültiges Rezept» gibt es nicht.


Nach der Übergabe

Unterstützung bietet das RUZ nicht nur dem abtretenden Unternehmer, sondern auch dem Nachfolger. Häufig schwebe den Nachfolgern ein anderer Führungsstil vor als der möglicherweise noch «patronale Stil» des Vorgängers. RUZ-Begleiter helfen in diesem Fall mit, Führungsstrukturen und Organisation zu überarbeiten und die Prozesse zu modernisieren – sodass sie für den Nachfolger passen.

Porträt