Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung III

Wege der Digitalisierung in der Weiterbildung

Auch wenn die Corona-Krise der Digitalisierung einen neuen Schub versetzt hat, sind mit den neuen Formen der Kommunikation Herausforderungen verbunden. Das betrifft auch die Anbieter von Aus- und Weiterbildungen. Ein Praxisbeispiel beschreibt diese besonderen Herausforderungen, aber auch die damit verbundenen Chancen.
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In den letzten Monaten wurde viel über die rasche Digitalisierung unserer Gesellschaft aufgrund der Corona-Krise geschrieben. Sanu AG, das Weiterbildungsinstitut im Natur- und Umweltbereich aus Biel, hat nach dem Bundesratsbeschluss Mitte März viele Präsenzanlässe via Fernunterricht durchgeführt. Im folgenden Erfahrungsbericht werden die Chancen und Herausforderungen von Distance-Learning anhand eines Praxisbeispiels aufgezeigt. 

Eine der Aus- und Weiterbildungen des Unternehmens, die kurzfristig für eine digitale Durchführung umkonzipiert wurden, ist der berufsbegleitende Lehrgang «Umweltberatung und -kommunikation». Dieser umfasst sieben Grundlagenmodule zum gezielten Erwerb von Fachwissen zu Natur und Umwelt, ein Umsetzungsmodul «Projektmanagement» und damit verbunden ein Praxisprojekt, welches in der Gruppe umgesetzt wird. Darüber hinaus werden soziale und persönliche Kompetenzen gefördert, insbesondere die Entwicklung der Fähigkeit zur Arbeit in interdisziplinären Teams. 

Der Studienmodus sieht in den Modul­phasen Präsenzunterricht vor, mit anschliessenden individuellen Gruppen­arbeiten in der Umsetzungsphase. Das Verbot von Präsenzveranstaltungen fiel gegen Ende der Modulphase und erforderte eine rasche Umstellung von Präsenz- auf Fernunterricht. 

Herausforderungen 

Nach Analyse der Modulinhalte und der technischen Anforderungen erwies sich die Umstellung auf Distance-Learning als praktikabel. Sowohl bei der Konzipierung als auch bei der Durchführung wurden jedoch einige Herausforderungen deutlich, die eine hohe Flexibilität für stete Anpassungen erforderten. Seitens der Kursorganisation kamen vor allem im technischen Bereich zusätzliche Bedürfnisse auf.

Eine sichere Anwendung der technischen Hilfsmittel ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Wissensvermittlung. Für die Umstellung von Präsenzunterricht zu Distance-Learning wurden IT-Support und Zoom-Tutorials inklusive Testlauf sowohl für Studierende als auch Referierende angeboten. Auch den Studierenden gegenüber wurden Fragen zum Setting erörtert: Welche sind die Voraussetzungen, um auf Zoom zugreifen zu können? Ist die Internetverbindung stabil genug? Ist ein ruhiger Arbeitsplatz gegeben und Equipment wie Kamera und Mikrofon eingerichtet? Dank dem Support wurden speziell den weniger Technik-affinen Personen die Berührungsängste vor der Online-Durchführung genommen. 

Eine erste interne Auswertung der Kurs­evaluationen zu den zwischen April und Mai 2020 durchgeführten Online-Kursen (N=15) zeigt ein differenziertes Bild.

Einige Studierende gaben an, dass sie sich online besser auf die Inputs der Referierenden konzentrieren und intensiver arbeiten konnten als im Klassenzimmer; andere wiederum werden im Homeoffice stark absorbiert und bekunden Mühe mit der Konzentration auf die Onlinephase. 

Die Teilnehmenden des Lehrgangs ar­beiten bis zu 80 Prozent in den unterschiedlichsten Berufen. Sie sind Lehrer, Kaufmänner/-frauen, Absolventen von technischen und handwerklichen Be­rufen, MSC-Abgänger, Personen aus der Hotellerie und dem Tourismus. Personen mit technischem Berufshintergrund äus­serten sich generell nicht positiver zur Durchführung von Online-Kursen als Personen mit einem nicht-technischen Berufsprofil. Mit Blick auf die Wohnorte der Teilnehmenden, die in der ganzen Schweiz verstreut sind, überrascht es wenig, dass rund ein Drittel der befragten Online-Teilnehmenden die Flexibilität bezüglich des Ortes und die damit ein­gesparte Reisezeit schätzt. 

Optimierungspotenzial

Als grosse Herausforderung für die Studierenden wurde die Dauer der Online-Kurse angegeben. Ein Präsenzkurstag von sieben Stunden erscheint weniger intensiv als ein Online-Tag. Aus diesem Grund wurden andere eintägige Angebote auf zwei Halbtage verteilt. Ebenfalls als herausfordernd wurde die eingeschränkte Interaktion während der Online-Phase genannt. Unklarheiten und Rückfragen sollten die Teilnehmenden über den Chat erfassen und die Referierenden diese jeweils nach den Inputs wieder aufgreifen. Die Schwierigkeit zeigte sich darin, dass neben dem Präsentieren auch noch das Chatfenster im Blick behalten werden musste. Spezifisch bei Feedbacksituationen wird der Präsenzunterricht von den Teilnehmenden bevorzugt. Was im Homeschooling immer wieder festgehalten wurde, gilt auch bei der Erwachsenen­bildung: Die Selbstdisziplin und Selbststeuerung sind im Online-Kurs stärker gefordert als im Präsenzunterricht. Eine Fähigkeit, die nicht bei allen Personen gleich stark ausgeprägt ist.

E-Didaktik für Kursleiter

Die Sanu-Kursleitenden absolvierten Kurse zu E-Didaktik, um sich die notwendigen Fähigkeiten im E-Learning anzueignen. Unter anderem wurde das «TPACK» Framework am Beispiel von Online-Training vorgestellt (siehe Abb. 1). Das Modell baut auf Shulmans Beschreibung (1987, 1986) und wurde im Laufe der Zeit durch eine Reihe von Publikationen weiterentwickelt (siehe Koehler und Mishra 2008): Gemäss «TPACK» -Modell erfordert der Online-Unterricht vom Dozierenden nicht nur das Know-how, wie Fachwissen (Content Knowledge CK) optimal pädagogisch transportiert wird (Pedagogical Knowledge PK), sondern auch, welche technologischen Aspekte dazu benötigt werden oder förderlich sind (Technological Knowledge TK). Der Online-­Unterricht ist eine Schnittstelle aus den drei Kompetenzfeldern (Dual Academy 2020, Koehler und Mishra 2008).

Auch die Dozierenden wurden im Rahmen der Vorbereitung für den Online-Kurs geschult. Ihnen wurde vor allem das Wissen zu Technological Content CT vermittelt, also welche technologischen Aspekte nötig oder förderlich sind. Vielen Referierenden fehlte die Erfahrung und das nötige Know-how. Hier ist grosses Optimierungspotenzial (zum Beispiel in Form von Weiterbildungen) vorhanden. 

Improvisationen sind bei Online-Kur­sen nur bedingt möglich. Die Planung ist das A und O, das detaillierte Drehbuch ist der Erfolgsgarant (siehe Abb. 2). Um die Aufmerksamkeit der Studierenden während eines Online-Tageskurses auf­recht­­zuerhalten, ist auf einen hohen Ak­ti­vi­tätsgrad der Teilnehmenden zu achten. Zudem fördert eine Ablaufroutine das Mitmachen und die Konzentration auf  Inhalte statt auf technologische Spielereien. 

Unterrichtsmethoden und Tools

Um den Unterricht online abwechslungsreich zu gestalten, kann auf verschiedene Unterrichtsformen und Tools zurückgegriffen werden. Präsentationen können beispielsweise medial aufbereitet und als Kurzvideo oder auf einer digi­talen Pinnwand (zum Beispiel Miro oder Mural) präsentiert werden. Diese eig­-nen sich ausserdem zum gemeinsamen Brainstorming. 

Über Tools wie Zoom können Klein­gruppen erstellt und zum Diskutieren in se­parate Chatrooms geschickt werden. Damit die Diskussion dort klappt, sind Leitfragen zur Steuerung hilfreich. Da bei Online-Gesprächen aus akustischen Gründen seltener einander ins Wort gefallen wird, gerät der Kreativitätsfluss oft ins Stocken. Der Einsatz eines Whiteboards, wie es beispielsweise auch bei Teams genutzt werden kann, bietet die Möglichkeit, dass auch spontane Gedanken Platz finden. 

Müssen Entscheide getroffen oder Meinungen eingeholt werden, ist der Einsatz von Umfrage-Tools, welche die Ergebnisse ohne Zusatzaufwand übersichtlich visualisieren, hilfreich – so beispielsweise Mentimeter.

Was kompliziert klingen mag, funktioniert gut. Das bestätigt auch die Lehrgangs-Referentin, Helene Sironi: «Ich hätte nie gedacht, dass ein Kreativ-Workshop, wie es das Erarbeiten der Projekte im Lehrgang ‹Umweltberatung und -Kommunikation› erfordert, auch online per Distance-Teaching so ideenreich und produktiv werden kann.» 

Die Online-Kursdurchführung bringt weitere Möglichkeiten und Vorteile. Die wegfallenden Anreisezeiten bieten nicht nur den Teilnehmenden einen Vorteil. Auch für externe Referierende fällt der Reiseweg weg – und somit auch allfällige Reisespesen. Wenn es sich für eine Expertin aus dem Engadin kaum lohnte, für eine einstündige Präsentation nach Zürich zu reisen, kann dieser Beitrag im Online-Kurs durchaus auch finanziell attraktiv sein. 

Ausblick

Eine Konsequenz aus den Praxiserfah­rungen sind inhaltliche Anpassungen. Die Digitalisierung hat nicht nur in den Bildungsbetrieben Einzug gehalten. Das Know-how zur Durchführung von Online-Sitzungen und Workshops wird künf­tig auch in vielen anderen Branchen einen hohen Stellenwert einnehmen. Entsprechend wurde im Lehrgang «Umwelt­be­ratung und -kommunikation» auch ein Modul kurzfristig angepasst. Anstelle des geplanten Präsenzkurses «Auftrittskompetenzen» wurde die Online-Präsentation ins Modul aufgenommen. 

Nach einer Online-Einführung inklusive Übungen zu den Grundlagen einer Präsentation mussten die Studierenden eine Kurz-Präsentation zu einem frei gewählten Umweltthema vorbereiten und diese wurde im Anschluss nach einem vorab bekannten Raster beurteilt. Die Zoom-Präsentation wurde nicht nur inhaltlich bewertet, sondern auch in Bezug auf Klarheit der Botschaft, Präsenztechniken und Methode kritisch evaluiert. 

Das Fazit der Studierenden und der Referierenden zum Fernunterricht ist positiv. Insgesamt erwies sich die Umstellung als zielführend. Die Bereitschaft und der Wille, sich in die teils unbekannte Welt der Webinare zu stürzen, ist bei den meisten Personen gross. Die Krisensituation verdeutlichte einmal mehr, welch wichtige Rolle die Online-Kompetenz in der Berufswelt auch in Zukunft spielen wird. Sich damit auseinanderzusetzen und selbst «hinter die Kulissen» eines solchen Angebotes zu blicken, wird oft als Karrierechance wahrgenommen.

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