Strategie & Management

Führungsstile

Was KMU stärker macht als Google und Co.

Die Verantwortungsträger in KMU sehen sich immer wieder mit neuen Führungstrends konfrontiert, die dann vor allem von Konzernen und grossen Unternehmen übernommen und vorgelebt werden. KMU sollten sich gut überlegen, dem zu folgen. Denn ihre Vorteile liegen an anderer Stelle.
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New Work, Empowerment, Digital Leadership und wie die ganzen wichtig klingenden Modewellen in Grosskonzernen so schön heissen – die Führungskräfte eines KMU sehen sich in direkter Konkurrenz mit diesen Riesen auf dem Markt. Google, Amazon und Co. erledigen mit Bravour solche Führungsmodewellen und treten ganz nebenher neue los. Doch wie soll ein KMU neben den besagten Grössen bestehen? Ganz einfach: Indem es seine Stärken nutzt.

Die Krux der Konzerne

Dass sich Verantwortungsträger fast schon täglich mit neuen, modischen Führungstrends konfrontiert sehen, erlebt die Autorin allzu oft, wenn sie mit ihrer Businessberatung Führungskräfte in KMU coacht. Ist gestern noch der eine Führungsstil gefragt, ist morgen schon ein ganz neues Modell topaktuell. Doch dann fast schon blind den Grosskonzernen zu folgen und zu versuchen, jedem Trend nachzueifern, ist sicher nicht zu empfehlen. Auch dann nicht, wenn es momentan schon zum Hype unter Führungskräften geworden ist, ihre Konzerne wie Google, Amazon oder Apple leiten zu wollen.

Die Wahrheit ist wenig überraschend: Die meisten kleinen und mittelgrossen Unternehmen sind nicht Google und Co. und werden deshalb im unbarmherzigen Wettbewerb mit diesem Nacheiferungswahn verlorengehen.

Gold ist nicht immer Gold

Doch auch bei den ganz grossen Namen ist nicht alles Gold, was glänzt. Das wurde der Autorin gerade erst in einem ihrer Coachings wieder bewusst, als der engagierte Mitarbeiter eines KMU erklärte, dass sich ihm eine lukrative Option bei einem Grosskonzern aufgetan habe. Die Autorin warnte ihn vor diesem Schritt, nicht weil sie ihm die Chance missgönnte, sondern weil es meist nochmal ein anderes Kaliber ist, für eine erfolgreiche, sexy klingende Brand zu arbeiten, als nur den schönen Schein von aussen zu begutachten. Und der Rat an seine Führungskraft war, nicht traurig über den Verlust des Mitarbeiters zu sein, ihn ziehen zu lassen, ihm jedoch die Tür offenzuhalten. Vier Monate später stand der «verlorene Sohn» wieder auf der Matte. Er war nicht begeistert von dem Führungsstil, welchen er im Grosskonzern aufgedrückt bekommen hatte, doch war er wenigstens um eine Erfahrung reicher: Er schätzte die Führungsmöglichkeiten im KMU und deren Vorteile wie nie zuvor.

Führungsvorteile im KMU

  • Im Gegensatz zu Grosskonzernen ist wohl die schnelle Wirkungskraft der Führungsspieler der grösste Vorteil von KMU. Gerade noch eine Idee im Kopf eines Mitarbeiters, kann diese in kürzester Zeit in die Realität umgesetzt werden. Die gesamte Institution ist eben viel kleiner und die Abstimmungswege für eine Führungskraft wesentlich kürzer. Das müssen sie schliesslich auch sein, denn Verantwortungsträger eines KMU können nicht monatelang nur um den heissen Brei herumreden. Sie müssen schnell handeln, um ihr Unternehmen attraktiv zu halten. Damit ist Führung in KMU unterm Strich viel agiler – genau das, was Grosskonzerne mit ihren wechselnden Führungsstilversuchen anstreben.
  • In einem KMU gibt es eine verstärkte Transparenz. Der Informationsfluss gelingt dadurch leichter und eine tiefgreifende Klarheit entsteht, für jeden einzelnen Mitarbeiter. Jeder weiss, an welcher Stelle er gebraucht wird, und übernimmt für seine Arbeit Selbstverantwortung – für Führungskräfte eine grosse Arbeitsentlastung. Es gibt nicht zehn Mitarbeiter, die dieselbe Arbeit machen. So entsteht nicht die Möglichkeit, dass sich ein Einzelner auf Kosten der anderen zurücklehnen kann. Kein seltenes Problem in Grosskonzernen.
  • Trotz der hohen Agilität in KMU sind keine dicken Regelwerke und Standardisierungen notwendig. Schliesslich sind Leitsätze und Werte in solchen Unternehmen allgegenwärtig spürbar. Dafür braucht eine Führungskraft auch keine gedruckten und laminierten Verhaltensbibeln am schwarzen Brett im Eingangsbereich anbringen. Den Spirit selbst ausleben, genügt bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen zur Inspiration der Mitarbeiter.
  • Eine Führungskraft eines KMU muss nicht viel Zeit und Geld in Motivationsrituale und Kick-off-Events investieren, denn die Mitarbeiter erleben noch selbst und vermittelt, wie ihre Arbeit sich auszahlt. Folglich hat ein KMU-Mitarbeiter ein ganz anderes Selbstbewusstsein in seinem Auftreten.

Stärken herausstellen

Führungskräfte von KMU haben ihre ganz eigenen Stärken und Vorteile. Deshalb sollten sie ihre unternehmerischen Stärken herausstellen und sie gewinnbringend einsetzen. Denn eine exzellente Führungskraft sollte sich nicht nur bewusst fragen, wie sie die Stärken ihres Unternehmens am Markt platzieren kann. Noch viel wichtiger ist: Wie kann sie die Stärken intern und extern erlebbar machen, um weiterhin am Markt relevant zu sein? Das beginnt bereits im Recruiting-Prozess. Dynamik, eigenverantwortliches Arbeiten, Anerkennung – das sind die Wünsche der guten Mitarbeiter heutzutage. Die gute Nachricht: Besonders KMU können den Wunsch nach diesen Aspekten erfüllen, ganz ohne kontinuierlichen Führungsstilwechsel. Der Verantwortungsträger eines KMU könnte den Titel seiner Stellenanzeige zum Beispiel so formulieren: «Wir sind zwar nicht Google, Porsche oder Apple – doch wir sind echt!»

Ausserdem sollten Führungskräfte von KMU ihre Vorteile bewusst als positives Ritual leben. In Grosskonzernen beispielsweise werden am laufenden Band grosse Meetings und Strategietreffen geplant, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Ein kleines oder mittelgrosses Unternemen macht das in der Teeküche, bei einer heissen Tasse Cappuccino. Für die Mitarbeiter eines Grosskonzerns ist das nur ein schöner Traum. Deshalb sollten Führungskräfte diesen Vorteil auch immer wieder ihren Mitarbeitern bewusst machen. Denn was in KMU geleistet wird, ohne grossen Aufwand, ist etwas Einmaliges. Und das Bewusstsein über diese Leichtigkeit schafft ein ganz neues, positives Gefühl gegenüber den internen Arbeitsprozessen. Auch für die Führungskräfte selbst.

Mit dem Bewusstsein über die Masse an Stärken eines KMU darf jede Führungskraft morgens voller Selbstbewusstsein in den Betrieb kommen. Ihre Führung ist häufig klarer als in Grosskonzernen, denn sie kennt ihre «Pappenheimer» wie aus dem «Effeff». Sie kann schnellere Entscheidungen treffen und besitzt darum viel mehr Glaubwürdigkeit und Schlagkraft beim Umsetzen von Innovationen. Führungskräfte von KMU brauchen sich auch keine Gedanken über die sagenumwobene und viel beschworene Agilität machen, weil ihr Unternehmen ja agil ist. Sie müssen sich auch in ihren überschaubaren Strukturen nicht um die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter sorgen, sondern nur schauen, wie sie den Rahmen gestalten, damit diese eigenverantwortlich handeln können.

Auf das Wesentliche fokussiert

Mit dem richtigen Blick fehlt es KMU nicht an modernen Führungsmethoden, im Gegenteil, sie müssen sich ganz einfach mit reichlich «Mist» nicht auseinandersetzen. Die Führungskräfte verlieren keine Zeit an interne Politik, sie werden nicht gestoppt aufgrund von fehlenden Entscheidungen und unnötigem Hierarchie-Gehacke. Deshalb geniessen Führungsspieler den Luxus, dass sie nicht auf das schauen müssen, was Grosskonzerne machen. Diese versuchen eben nur, durch die verschiedenen Trends und Modewellen das zu erreichen, was KMU «von Natur aus» sowieso haben.

Verantwortungsträger in KMU können viel mehr auf die Qualität ihrer Führungsarbeit achten. Dann ist Führung eine tolle Aufgabe. Und wenn es doch einmal ein negatives Feedback von der Unternehmensleitung zu einer Fehlentscheidung gibt, dann weiss eine KMU-Führungskraft wenigstens, was im Unternehmen vor sich geht, ohne Monate später mit scharfen Konsequenzen rechnen zu müssen. Deshalb sollte kein Führungsspieler eines KMU auf das schauen, was Grosskonzerne so machen. Schliesslich versuchen diese durch das Mitgehen der verschiedenen Trends und Modewellen nur das herzustellen, was KMU von «Natur aus» sowieso haben.

Führung im KMU ist genau deshalb stilvoller als in vielen Grosskonzernen. Führungskräfte haben die Möglichkeit, jeden Tag aufs Neue mit Unsicherheit umzugehen, in ihr konsequent zu handeln und zu kommunizieren.

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