Derzeit beherrschen viele Schlagwörter die Managementdiskussion. In schwierigen «Vuka»-Zeiten – also angesichts volatiler, unsicherer, komplexer und ambivalenter Entwicklungen – und in Zeiten der Digitalisierung sollen sich die Firmen zu agilen Unternehmen entwickeln. Die «Führungskraft 4.0» soll mit «Vopa»-Prinzipien führen – Vopa steht für Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität. So manche Führungskraft weiss vor lauter mehr oder weniger sinnvollen Abkürzungen und Akronymen nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. In solchen Zeiten ist es notwendig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Bausteine der Leadership
«Aber was ist das Wesentliche?», mag nun so manche Führungskraft verzweifelt klagen. Ein Vorschlag: Die Fokussierung auf die Basics der Führung könnte dazugehören. Denn viele der modernen Führungsprinzipien für die digitale Arbeitswelt bilden lediglich den gegenwärtigen Zeitgeist ab, sie sind Kinder ebenjenes Zeitgeistes. Und das ist auch gut so – jede Zeit braucht aktuelle Antworten auf aktuelle Herausforderungen. Doch darüber sollte der Blick für und auf die Grundlagen nicht verloren gehen.
Sicherlich stellt uns die digitale Transformation vor gewaltige Herausforderungen. Aber war die Unternehmenswelt nicht schon immer von Unsicherheiten, komplexen Entwicklungen und Problemen, die nach innovativen Lösungen geradezu schreien, und paradoxen Entscheidungs-Dilemmata geprägt? War Führung denn jemals einfach? Zur Erinnerung: Die Führungskräfte standen schon immer unter dem Druck, zwischen zwei positiven Möglichkeiten eine Wahl treffen zu müssen – oder zwischen zwei Optionen, die beide auch unheilvoll-negative Begleiterscheinungen im Gewande führen. Und das tun sie übrigens auch heute.
Noch ein anderes Beispiel: Führungskräfte müssen seit jeher mit dem Unerwarteten – ja, mit dem Unerwartbaren – rechnen. Schliesslich sind am Führungsprozess Menschen beteiligt, einzigartige Individuen, die nicht immer nur logisch handeln. Brauchen wir also tatsächlich «Antifragilität», um mit dem Unerwarteten zurechtzukommen? Genügt nicht die praktische Lebenserfahrung, dass es meistens nicht so kommt, wie wir gedacht und es geplant haben?
Im Mittelpunkt der Führungsarbeit stehen Menschen: zum einen die Person, die andere Menschen führt, und zum anderen die Mitarbeiter, die geführt werden sollen. Das kann auch eine Gruppe von Menschen sein, ein Team. Ziel ist es, unternehmerische Prozesse und Abläufe zu einem gewünschten Ergebnis und zur Zielerreichung zu führen. Dies geschieht in einem Markt- und Kundenumfeld, in dem sich das Unternehmen behaupten muss.
Dabei wollen wir zwischen der Führungskraft auf der einen und dem Leader auf der anderen Seite differenzieren. Während eine Führungskraft darauf konzentriert ist, Führungsprozesse zu managen, weiss ein Leader, dass er zunächst einmal immer erst sich selbst und seine eigene Persönlichkeit permanent und kontinuierlich weiterentwickeln muss, um im nächsten Schritt auch andere Menschen bei ihrer Weiterentwicklung unterstützen zu können.
Zudem hat ein Leader die anderen Bausteine im Fokus: die Weiterentwicklung des Unternehmens und des unternehmerischen Umfeldes (Kunden, Lieferanten, Stakeholder etc.). Seine Hauptaufgabe ist es – so Christoph Lindinger und Nora Zeisel in ihrem Buch «Spitzenleistung durch Leadership» –, «Ergebnisse mit Menschen in einem inspirierenden und Sinn stiftenden Umfeld zu erzielen und dabei sich selbst, andere Menschen, Prozesse, den Markt und das Business weiterzuentwickeln». Und um dies leisten zu können, sind einige Kernkompetenzen unerlässlich. Aber welche?
Die menschliche Kompetenz
Die aus meiner Sicht wichtigste Kompetenz eines Leaders ist und bleibt die menschliche Kompetenz. Trotz aller disruptiven Entwicklungen, trotz Vuka und Vopa, trotz der digitalen Transformation, durch die, wie allerorten behauptet wird, alles in oft irritierende Bewegung gerät, trotz der unbestreitbaren Notwendigkeit, Platz und Raum zu schaffen für neues Denken: Führung spielt sich zwischen Menschen ab. Man kann es nicht oft genug betonen. Und darum braucht es den Leader, der mit Menschenliebe, mit Einfühlungsvermögen, Wertschätzung und menschlicher Zuwendung die ihm anvertrauten Mitarbeiter und Teams zu den Ergebnissen führt, die dem Unternehmen und der Abteilung nutzen. Kurzum: Der menschliche Faktor ist und bleibt entscheidend.