Strategie & Management

Kooperationen

Was die Zusammenarbeit mit Start-ups bringen kann

Zur erfolgreichen Implementierung der Digitalisierung gehört mehr, als digitale Geschäftsprozesse und -modelle aufzusetzen. Nur, wenn KMU bereit sind, einen Kulturwandel zu vollziehen, werden sie gestärkt hervorgehen. Warum etablierte Unternehmen das und noch einiges mehr von Start-ups lernen können.
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Familienunternehmen, die ein Gros des Mittelstandes ausmachen, werden meist als grosse Schiffe bezeichnet, denen flexible Wendemanöver schwerfallen. Um im Bild zu bleiben, sind Start-ups schnelle kleine Motorboote, die ihren Kurs beliebig oft und schnell ändern. Die Wendigkeit können sich KMU von Gründern auf jeden Fall abschauen, ebenso wie das Infragestellen bisheriger Manöver. Ein guter Anfang, um den rasanten Marktumbrüchen zu begegnen. Weg von der Projekt- hin zur Prozess-Denke könnte ein weiterer wichtiger Aspekt sein. Denn Veränderung ist vor allem eine Frage der Haltung.


Kooperationsmöglichkeiten

Bislang streben Mittelständler, auch in der Kooperation mit Start-ups, den Gros­sen hinterher. Das muss nicht sein. Wichtig ist vor allem, dass es passt. Beide Seiten müssen etwas davon haben. Dabei gibt es kein Rezept für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Von der punktuellen Kooperation bis zum Kauf eines Start-ups ist alles vorstellbar. Das Ziel: eine Win-win-Konstellation zu schaffen. Sinnvoll ist es, sich im Vorfeld umfassend zu informieren. Beliebte Treffpunkte für eine erste Annäherung sind zum Beispiel Start-up-Wettbewerbe und Hackathons.

Nachfolgend einige Möglichkeiten, wie mittelständische Unternehmen und Start-ups kooperieren können:

Hackathons

Hackathons sind «digitale Treffen von Programmierern, Designern und Kreativen zur Entwicklung von Lösungsansätzen für unterschiedliche Fragestellungen», so das in Köln ansässige Hack Institute. Dabei setzt sich das Wort Hackathon aus «hacken» und «Marathon» zusammen. Am Ende stehen handfeste Prototypen für Applikationen zur Optimierung von Prozessen und neue Produktideen, die mit neuester Technologie umgesetzt werden. Für Unternehmen eine wahre Fundgrube an neuen Ideen, Mitarbeitern sowie Kooperationspartnern.

Beispielsweise lud Bofrost gemeinsam mit Hack Institute Kreative ein, um die fahrende Gefriertruhe der Zukunft zu gestalten. Acht Teams aus Codern, Desi­gnern und Strategen befassten sich mit flexibleren Lösungen zum Bestellen, cleverer Smart-Home-Integration und Community-basierten Bonusprogrammen. Ziel war es, den Kunden bequemere Einkäufe zu ermöglichen und dem Unternehmen bessere Prozesse zu verschaffen.

Wer selbst einen Hackathon veranstalten möchte, sollte ihn gut vorbereiten und eventuell auch externe Unterstützung hinzuziehen. Wichtig ist ein gut eingegrenztes Thema, damit die Teilnehmer wissen, ob es zum eigenen Interesse und Know-how passt. Auch der Veranstalter muss etwas beitragen. Bosch zum Beispiel lud bei einem Hackathon dazu ein, mit Robotern zu experimentieren und gemeinsam mit seinen Spezialisten die Sensoren, Sonare und Kameras zu untersuchen, hinzukamen Sachpreise und Jobchancen.

Beteiligung mit Übernahme

Manchmal spielt auch der Zufall eine Rolle, so wie bei der Renz Metallwarenfabrik, einem familiengeführten mittelständischen Unternehmen. Der Briefkastenhersteller hat unter Führung der eigenen IT gemeinsam mit einem schwedischen Start-up und anderen externen Partnern eine Paketkastenanlage mit elektronischer Steuereinheit für Ein- und Mehr­familienhäuser entwickelt. Die Anlagen erleichtern Paketzustellern und -empfängern das Leben und erschliessen dem Unternehmen neue Geschäftsfelder. Da die ursprüngliche Steuereinheit aus Schweden zu unflexibel war, um alle Paketdienstleister einbinden zu können, entschied man sich schliesslich, auf eine hochflexible Steuereinheit in Verbindung mit der Systemplattform «My Renz Box» umzusatteln. Das schwedische Unternehmen wurde kurzerhand übernommen.

Joint Venture

Man kann sich auch direkt zu Anfang für ein neues Unternehmen entscheiden: So gründete ZF Friedrichshafen über die Tochter «Zukunft Ventures» mit dem Start-up «Ego Mobile AG» ein Joint Venture namens «Ego Moove». Die Ziele des neuen Unternehmens liegen in der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb eines Elektrotransportfahrzeugs. ZF liefert die elektrische Antriebslösung, Fahrwerks- und Systemkomponenten. Das Start-up verfügt auf dem Campus der RWTH Aachen über eine weitgehend vernetzte Industrie-4.0-Infrastruktur.

Organisationsumbau mit Start-up-Logik

Der anspruchsvollste Weg ist der Umbau der eigenen Organisation. Zu Anfang der digitalen Transformation steht die Einführung von Start-up-Methoden. Dabei sollten kooperierende Start-ups selbst nicht als Methodenvermittler tätig sein, sondern externe Berater, die ein entsprechendes Mindset mitbringen und sich allein auf den Organisationsumbau konzentrieren können. Die Erfahrung zeigt: Der Aufbau kleiner Digital Units funktioniert recht gut. Er trägt sogar dazu bei, mit der Zeit im gesamten Unternehmen eine neue Kultur zu etablieren und auch andere Mitarbeiter für die digitale Transformation zu entflammen.


Start-up-Methoden

Klar ist hier: Der Weg muss passen. Einige Mittelständler bauen schon Digitaleinheiten beziehungsweise Digitaltöchter auf, entweder aus dem Unternehmen heraus oder mit Externen, durch ein Joint Venture oder den Kauf eines Start-ups.  Start-ups sind für Mittelständler nicht nur interessant, weil sie neue Technologien einsetzen. Start-ups ticken anders und nutzen andere Management-Methoden. Methoden, die die Time to Market beschleunigen, Unternehmen schneller und agiler machen. Von Lean Start-up über Design Thinking, Scrum, MVP bis hin zu Business Model Canvas – was ist dran an ihnen? Viel, das belegt jedenfalls eine Studie der Boston Consulting Group (BCG). Laut ihr hat agiles Arbeiten gros­sen Einfluss auf Marge und Wachstum: Die agilen Unternehmen erreichen bis zu fünfmal höhere Margen und ein stärkeres Wachstum als die Konkurrenz aus derselben Branche.  Woran das liegt? Die alten Managementmethoden stammen aus dem letzten Jahrhundert. Ihnen ist das Momentum der Unsicherheit nicht inhärent, das heute jedem Geschäft innewohnt. Die klassischen Managementinstrumente eigneten sich, um Strategien umzusetzen oder Prozesse zu optimieren. Sie sind kein Mittel der Wahl, um innovative Geschäftsmodelle zu erschaffen.

Das Lean-Start-up-Modell

Als Ursprung aller Lean-Start-up-Methoden gilt das Buch «The Lean Startup» von Eric Ries. Dort hat er die Erkenntnisse aus seinem ersten Scheitern und dem erfolgreichen Aufbau seines späteren Unternehmens verarbeitet. Sein formuliertes Ziel: Das erfolgreiche Gründen zu systematisieren. Während seiner Suche nach funktionierenden Methoden stiess er auf Lean Manufacturing, das ursprünglich von Toyota entwickelt wurde. Er übertrug die Methodik der «schlanken» Produktion auf den Innovationsprozess.

 

1. Unternehmer gibt es überall

Nach der Ries’schen Definition des Start-ups lässt sich die Methode in Unternehmen jeder Grösse und jeder Branche anwenden.

2. Unternehmertum ist Management

Ein Start-up ist eine Institution, nicht nur ein Produkt, und deshalb bedarf es einer neuen Art von Management, abgestimmt auf den Kontext extremer Unsicherheit.

3. Validierte Lernprozesse

Start-ups haben keine Ahnung davon, wie ein Unternehmen zu führen ist. Es ist deshalb ihre Aufgabe, zu lernen, wie sie ein nachhaltiges Geschäft aufbauen. Im Lean-Start-up-Modell muss jedes Produkt, jede Funktion, jede Marketingkampagne – alles, was ein Start-up tut – als Experiment betrachtet werden, um validierte Lernprozesse zu erreichen.

4. Build – Measure – Learn

Die grundlegende Aktivität eines Start-ups ist es, Ideen in Produkte zu verwandeln, zu überprüfen, wie die Kunden darauf reagieren, und daraus abzuleiten, wie es weitergeht: Neuorientierung oder fortfahren.

5. Innovation messen

Unternehmerischen Erfolg zu messen, ist keine kreative, sondern eher eine langweilige, wenn auch notwendige Aufgabe. Trotzdem kommt kein Start-up um diese Aufgabe herum: Wie messen wir Fortschritt, wie setzen wir Meilensteine, und wie priorisieren wir unsere Arbeit? Die Methode, die Ries zusammen mit anderen aus dem Silicon Valley entwickelt hat, trägt den geänderten Rahmenbedingungen Rechnung. Sie basiert auf der Build-Measure-Learn-Schleife, die durch verschiedene Techniken beschleunigt wird. Wer bei den Start-up-Methoden tiefer einsteigen möchte, liest diese Bücher:

  • «The Lean Startup» von Eric Ries
  • «Das Handbuch für Startups» von  Steve Blank und Bob Dorf
  • «Business Model Generation» von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur

Um herauszufinden, ob das eigene Unternehmen zu einem Start-up passt, helfen folgende Fragen:

  • Welche Ziele werden mit der Investition in das Start-up verfolgt?
  • Welche Finanzmittel können dafür aufgebracht werden?
  • Was kann das Unternehmen dem Start-up bieten?
  • Ist es bereit, dem Start-up Zugang zu Ressourcen zu gewähren?
  • Passt das Geschäftsfeld des Start-ups zum Markt des Unternehmens?
  • Sind die betroffenen Geschäftsbereiche eingeweiht und unterstützen sie die Kooperation?
  • Welche Alternativen zu einer direkten Beteiligung gibt es?

Fazit

Die meisten Unternehmen versprechen sich von einer Kooperation oder Investition in Start-ups Inspiration, die Stärkung der eigenen unternehmerischen Kultur, den Zugang zu neuen relevanten Technologien, eine Stärkung ihrer Marktposition und die Diversifizierung in neue Wachstumsmärkte.

Um diese Wünsche zu erfüllen, ist es notwendig, sich die Form der Investition genau zu überlegen und das Start-up, in das man investieren möchte, genau anzuschauen. Wichtig ist neben dem monetären Aspekt die gute Chemie mit dem Team und passende Erwartungen – auf beiden Seiten.

 

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