Strategie & Management

Organisationsentwicklung (Teil 2 von 2)

Was die Rechtsabteilung in einem KMU leisten muss

Externe Beratung oder eine eigene Rechtsabteilung? Diese zweiteilige Serie zeigt die Vor- und Nachteile beider Optionen. Im ersten Beitrag ging es darum, ob ein KMU überhaupt eine Rechtsabteilung braucht. In diesem zweiten geht es um die Fragen, wie man eine Rechtsabteilung aufbaut, richtig implementiert und wie sie sich positionieren muss.
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Eine eigene Rechtsabteilung oder externe rechtliche Beratung in einem KMU kann dazu beitragen, dass Risiken und Schäden minimiert, aber auch Einsparpotenziale erkannt und genutzt werden. Wie aber kann und soll ein KMU, das sich entscheidet, über eine eigene Rechtsabteilung zu verfügen, eine solche aufbauen? Was darf man vom Inhouse Counsel an rechtlichem Support erwarten? Welche Fähigkeiten muss er haben? Wie muss die Rechtsabteilung vom Management im KMU implementiert werden und wie soll sich diese selbst im KMU positionieren? In der Folge sollen einige dieser Fragen etwas detaillierter beantwortet werden.

Anforderungen an Rechtsberater

Die Arbeit eines Inhouse Counsel unterscheidet sich wesentlich von der Arbeit eines Anwalts in einer Anwaltskanzlei. Nachfolgend findet sich eine rudimentäre Liste mit Ansprüchen an einen Inhouse Counsel und einem Vergleich zum Anwaltsberuf:

Inhouse Counsel

  • Teamplayer
  • Allrounder
  • Kenntnisse betreffend Produkte
  • und Dienstleistungen
  • Vertrautheit mit Schnittstellen
  • und Kunden
  • Kenntnisse über Risiken
  • Persönlicher Kontakt mit GL und MA
  • Kenntnisse über MA-Ausbildungsstand
  • Strategisches Wissen beziehungsweise Hintergrundwissen
  • Vertrauensperson für GL und MA
  • Wenig Prozesserfahrung (Der Inhouse Counsel geht mangels Prozess­erfahrung und Zeit in den seltensten Fällen selbst vor Gericht, schon gar nicht in anderen Ländern.)

Externer Rechtsanwalt

  • In aller Regel Einzelkämpfer
  • Rechtsanwalt kann je nach Fachrichtung eingesetzt werden
  • Kenntnisse betreffend Produkte und Dienstleistungen fehlen in der Regel
  • Oft nur ein punktuelles beziehungsweise ein fallbezogenes Wissen bezüglich Risiken
  • Meist nur Kontakt mit einer Person
  • Nur fallbezogen Vertrauensperson (da extern)
  • Viel Prozesserfahrung

Bei der Suche nach einer passenden Besetzung für die eigene Rechtsabteilung ist all diesen Umständen genügend Rechnung zu tragen, indem bei der Auswahl auch Managementerfahrung, unternehmerisches Denken und die Sozialkompetenz der möglichen Kandidaten gewichtet werden. Nachfolgend wird aufgezeigt, was man in einem durchschnittlichen KMU von einer Rechtsabteilung erwarten darf. Wird all dem nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, riskiert ein KMU eine Fehlbesetzung respektive die Rechtsabteilung kann nicht mit der zu erwartenden Effizienz eingesetzt werden.

Leistungsprofile

Vieles in der Rechtsabteilung eines KMU dreht sich um das Thema Verträge. Verträge müssen im Sinne des eigenen KMU abgeschlossen werden. Die Rechtsabteilung soll aber keine Gutachterabteilung werden. Am Ende des Tages muss mit den abgeschlossenen Verträgen gearbeitet werden können und je mehr juristische Fachausdrücke ein Vertrag enthält, desto schwieriger ist dies für die zuständige Fachabteilung. Verträge sind immer nur so gut, wie nicht juristische Mitarbeitende mit ihnen umgehen können.

Vertragswesen

Verträge müssen aber auch so ausgestaltet werden, dass sie für den potenziellen Vertragspartner nicht als unzumutbar erscheinen. Trotzdem müssen sie im Sinne des eigenen Unternehmens ausgestaltet sein, was Contract-Management-Erfahrung und spezifische Geschäftskenntnisse voraussetzt. Die Rechtsabteilung muss somit nach einer Risikoanalyse breitflächig Rechtsrisiken minimieren, aber auch Einsparpotentiale erkennen und dafür sorgen, dass die Verträge auch «verkauft» werden können. Dafür muss das Vertragswesen als Ganzes verbessert werden.

Das lässt sich sehr schön anhand des folgenden Praxisbeispiels aufzeigen: Ein produzierendes KMU löst im Monat 400 Bestellungen aus, alles Vertragsschlüsse, verbunden mit Rechten und Pflichten. Viele dieser Geschäfte sind, so das Resultat einer Risikoanalyse, mit besonderen technischen und rechtlichen Risiken belastet, da eine Vielzahl der beschafften Güter im Produktionsprozess in das eigene finale Produkt eingebaut werden, das wiederum an Kunden weiterverkauft wird. Auch erkennt man, dass in den wenigsten Fällen das eigene Recht gilt und der Gerichtsstand oft nicht am Sitz des eigenen KMU ist.

Das Management des Unternehmens stellt nach diversen Mängelfällen fest, dass die durchschnittliche Gewährleistungsfrist der beschafften Güter in den Beschaffungsverträgen nur gerade zwölf Monate beträgt, wogegen die marktmächtigen Kunden einem kleinen oder mittelgrossen Unternehmen bis zu 36 Monate Gewährleistungsfrist abverlangen. Oftmals liegen beschaffte Güter vor deren Einbau erst noch im Lager, im Extremfall zwölf Monate lang. Das KMU konnte in vielen Fällen von gerügten Mängeln und damit verbundenen Schäden nicht mehr auf seine Lieferanten zurückgreifen. Mit andern Worten: Es blieb auf den Schäden sitzen.

Die Rechtsabteilung kann und soll nicht 400 Bestellungen pro Monat rechtlich prüfen. Die Lösung des Problems muss also darin bestehen, die Herausforderung grundsätzlich anzugehen. Die Rechtsabteilung muss für die diversen Beschaffungsgeschäfte geeignete Templates anfertigen, welche die Gewährleistungsmodalitäten im Interesse des eigenen KMU beschreiben, und die Beschaffenden dazu bringen, diese auch zu benutzen. Sie muss nebst vielem mehr (zum Beispiel vorteilhafter Gerichtsstand, Wahl des richtigen Rechts, Zahlungsmodalitäten und Sicherheiten im Sinne des eigenen KMU) dafür sorgen, dass die Beschaffenden möglichst lange Gewährleistungsfristen mit ihren Lieferanten aushandeln, was sich auf das eigene Unternehmen finanziell positiv auswirken wird.

In Anbetracht der Menge an Bestellungen müssen zudem sogenannte «Allgemeine Einkaufsbedingungen» erarbeitet werden, die nicht nur inhaltlich auf das eigene Unternehmen angepasst sind, sondern in Bezug auf alle 400 Bestellungen im Unternehmen auch richtig eingesetzt werden müssen. Mit jenen Lieferanten, welche regelmäs­sig Ware liefern, sollten zudem Rahmenlieferverträge verhandelt werden, welche ebenfalls den Interessen des eigenen Unternehmens Rechnung tragen. Unabdingbar ist schliesslich die Durchführung von Inhouse-Seminaren zum Thema Contract Management, um den Mitarbeitenden, das heisst den Anwendern der Vertragsdokumente, die mit den Vertragsschlüssen einhergehenden rechtlichen Chancen und Risiken aufzuzeigen. All das bedarf Zeit, Überzeugungskraft und Durchhaltewille, aber auch Management-Erfahrung.

Schadensregulierung

Die Rechtsabteilung ist des Weiteren Anlaufstelle, sobald etwas schiefläuft. Um Störfälle lösen und Schäden für das eigene Unternehmen abwenden zu können, braucht es rechtliches Wissen. Das alleine reicht aber nicht aus. Der Inhouse Counsel ist auf Informationen angewiesen. Diese Informationen erhält dieser aber nur durch Teamarbeit, mit viel Geduld und Kommunikationsfähigkeiten. Es ist nicht einfach, an die richtigen Informationen heranzukommen, da den nicht-juristischen Mitarbeitenden nicht immer bewusst ist, was in Bezug auf einen Störfall rechtlich wichtig ist.

Der Inhouse Counsel tut gut daran, die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Abteilungen im Unternehmen zu pflegen und sich über die internen Abläufe auf dem Laufenden zu halten. Bei sehr komplexen oder grenzüberschreitenden Störfällen muss der Inhouse Counsel zudem externe Fachexperten instruieren und dafür sorgen, dass richtig kommuniziert wird sowie die Kosten im Rahmen bleiben.

Sparring Partner

Der Inhouse Counsel kann ferner als Sparring Partner für das Management dienen, indem er bei geschäftlichen Fragen auf kritische rechtliche Aspekte aufmerksam macht. Das können zum Beispiel Compliance-Punkte sein. Darunter ist auch die technische Compliance zu verstehen, die sich in den Verträgen widerspiegeln muss (beispielsweise das Einhalten von technischen Richtlinien). Zwingende Gesetzesvorschriften und interne Regelungen müssen strikte ein-
gehalten werden. Gerade in Sachen Compliance muss der Inhouse Counsel be­sonders viel Überzeugungsarbeit leisten und sich durchsetzen können. Dafür braucht er zwingend den vollen Rückhalt der Geschäftsleitung.

Corporate-Governance-Arbeiten

In vielen KMU wird der Inhouse Counsel auch mit Corporate-Governance-Arbeiten, beispielsweise dem Organisieren von Verwaltungsratssitzungen und der Generalversammlung, betraut. All das setzt voraus, dass der Inhouse Counsel eine Vertrauensperson darstellt, auf die sich das Unternehmen verlassen kann.

Repräsentationsaufgaben

Nebst vielen weiteren rechtlichen Arbeiten kann ein guter Inhouse Counsel auch mit repräsentativen Aufgaben betraut werden. Er kann Verhandlungen leiten und aufgrund seiner sprachlichen Fähigkeiten auch für wichtige Korrespondenz oder gar Marketing- und PR-Arbeiten beigezogen werden.

Die Implementierung

Die Arbeit des Inhouse Counsel bringt es mit sich, dass er auf rechtliche, aber auch auf andersartige betriebliche Risiken sowie Schwachstellen aufmerksam machen muss. Das kann im kleinen oder mittelgrossen Unternehmen zu Spannungen führen, insbesondere dann, wenn die Arbeit des Inhouse Counsel von einzelnen Mitarbeitenden als «behindernd» oder «überwachend» wahrgenommen wird. Die versierten Inhouse Counsels sind sich dieser Herausforderung von Anfang an bewusst und sie schaffen es, ihre Arbeit als unterstützend und nicht als überwachend erscheinen zu lassen (siehe dazu unten «Die Positionierung»).

Klar ist jedoch, dass es Risiken gibt, die ein kleines oder mittleres Unternehmen nicht eingehen darf. Damit sich der Inhouse Counsel in solchen Fällen durchsetzen kann, muss er den Rückhalt des Managements haben. Es macht in KMU deshalb Sinn, den Inhouse Counsel direkt dem CEO oder dem CFO zu unterstellen. In gewissen Fällen ist es von Vorteil, wenn der Inhouse Counsel auch gleichzeitig der Geschäftsleitung angehört (beispielsweise bei Unternehmen, die einer grossen regulatorischen Dichte ausgesetzt sind). Kurze Kommunikationswege erleichtern dann strategische Entscheide.

Ein Punkt, der oft vernachlässigt wird, ist die Einführung des Inhouse Counsel in das Unternehmen. Er muss von seinem Vorgesetzten persönlich in die Geschäfte eingeführt und wichtigen Mitarbeitenden persönlich vorgestellt werden. Eine aussagekräftige Job-Description für die Rechtsposition muss im Unternehmen vorliegen und anderen Mitarbeitenden kommuniziert werden. Es muss jedem einzelnen Mitarbeitenden klar sein, was der Inhouse Counsel machen muss und machen darf. Wichtig sind dabei gut beschriebene Prozesse. Dazu gehört auch der Entscheid, wo der Inhouse Counsel arbeiten soll. In der Regel macht es in einem kleinen oder mittelgrossen Unternehmen Sinn, dass er dort arbeitet, wo die meisten Risiken lauern. Das kann je nach Geschäft durchaus die Verkaufs- oder Beschaffungsabteilung sein.

Die Positionierung

Wie sich die Rechtsabteilung im Unternehmen selber positioniert, hängt ganz wesentlich von der Persönlichkeit und der Erfahrung des Inhouse Counsel ab. Er tut gut daran, sich als Enabler zu verhalten. Obwohl er überwachen muss, sollte er von den anderen KMU-Mitarbeitenden als Unterstützer wahrgenommen werden. Das bedeutet unter anderem, dass er ein sehr gutes Gespür für andere Menschen haben muss und nicht nur «technisch» Risiken und Probleme erkennen, sondern diese auch einfach und klar kommunizieren kann. Schliesslich sollte er auch Lösungen vorlegen, die nicht nur rechtlich korrekt, sondern auch praktikabel und umsetzbar sind.

Ein weiteres augenfälliges Beispiel dazu: Der Chefverkäufer eines mittleren Unternehmens nimmt während einer kritischen Vertragsverhandlung mit einem wichtigen Kunden Kontakt mit dem Inhouse Counsel auf. Es geht um eine dringende Frage der Haftung. Dem Chefverkäufer ist es in Bezug auf eine Haftungsklausel nicht wohl und er möchte die fachliche Einschätzung sowie die Unterstützung des Inhouse Counsel haben. Dieser stellt aber lediglich fest, dass eine solche Haftungsklausel im eigenen Unternehmen zu grossen Schäden führen könnte und bestätigt die Befürchtungen des Chefverkäufers.

Will nun aber der Inhouse Counsel als Enabler wahrgenommen werden, muss er unternehmerisch denken und Verantwortung übernehmen. Er muss im obigen Beispiel zwischen Risiken und Opportunitäten im eigenen Unternehmen abwägen können und dem Chefverkäufer umgehend einen Vorschlag unterbreiten, beispielsweise eine sinnvolle Umformulierung der Haftungsklausel, die bis zu einem gewissen Grad auch den Interessen des Kunden gerecht wird. Dabei muss er möglicherweise von einer rein rechtlichen Sicht abweichen können. Auschliesslich rechtliches Denken ist in solchen Fällen oft ein No-Go.

Fazit

Es dürfen Risiken eingegangen werden, aber das KMU muss um diese Risiken wissen. Am schlimmsten sind diejenigen Risiken, über die niemand Bescheid weiss oder falsche Ansichten in Bezug auf rechtliche Zusammenhänge (ebenfalls eine besonders grosse Gefahrenquelle in KMU), die schliesslich zu Schäden führen können. Es ist Aufgabe der Rechtsabteilung beziehungsweise des Inhouse Counsel, auf solche Risiken und falsche Wahrnehmungen aufmerksam zu machen und wo möglich Lösungen beizusteuern, die im Sinne des eigenen Unternehmens sind.

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