Strategie & Management

Kolumne

Vom Produkt zur Dienstleistung

Viele produzierende Unternehmen und auch Handelsunternehmen denken darüber nach, ein Dienstleistungsangebot auf- oder das existierende Dienstleistungsangebot auszubauen. Was logisch klingt, ist nicht einfach.
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Regelhaft hören und lesen wir über die Austauschbarkeit von Produkten, über immer kürzere Produkt-Lebenszyklen, es wird über einen immer intensiver erscheinenden Preiskampf geklagt, Margen stehen unter Druck, Roherträge auf einem hohen Niveau zu halten, wird immer anspruchsvoller. Nicht nur produzierende Unternehmen kennen diese Themen, auch Gross- und Einzelhandelsunternehmen stehen vor analogen Herausforderungen, denn sie handeln mit oft austauschbaren Produkten und der Kunde, sei es ein Profi im Grosshandel oder der Endverbraucher im Einzelhandel, kauft vermeintlich da, wo es am günstigsten ist. Im Folgenden sollen sich also sowohl produzierende Unternehmen als auch Handelsunternehmen angesprochen fühlen, wenn wir der Einfachheit halber vom «Produkt» sprechen.

Der Blick auf additive Leistungen

Nun kann man trefflich darüber diskutieren – und ebenso trefflich darüber streiten –, ob es nicht doch noch Potenziale gibt, das bestehende Produkt wirtschaftlich sinnvoller – sprich: mit höherer Rentabilität – zu verkaufen und diese Potenziale gibt es in der Tat in fast allen Unternehmen, die uns in unserer Praxis begegnen, in mitunter signifikanter Höhe. Wachstum kommt von innen und hier werden Potenziale regelhaft liegen gelassen, sowohl im Hinblick auf preisliche As­-pekte als auch im Hinblick auf Prozesspotenziale, Produktkombinationsmöglichkeiten oder die Erschliessung potenzieller Zielgruppen, um nur einige Facetten zu benennen. Wir könnten noch viele weitere Punkte ansprechen und es würde nicht langweilig, aber das soll ja heute nicht das Thema dieser Kolumne sein. Heute geht es um das Bestreben vieler Industrie- und Handelsunternehmen, das bestehende Angebot um Dienstleistungen (oder auch «Services») anzureichern.

Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine sehr gute Idee, besteht durch additive Dienstleistungen doch eine erheblich grössere Chance der Differenzierung und der höheren Attraktivität sowie eine ebenso grössere Chance der preislichen Gestaltung im Sinne der eigenen Rendite. Ein Fest für den Rohertrag – und das zur Freude des Kunden, der für die additive Dienstleistung gerne zu zahlen bereit ist; ein klassisches Win-win-Verhältnis. So weit die Theorie. In der Praxis stellen wir erst einmal fest, dass viele Unternehmen bereits einen grossen Strauss an Dienstleistungen anbieten, ohne dass sie sich dessen bewusst sind, und – viel schlimmer – ohne dass irgendjemand dafür bezahlt.

Das mangelnde Bewusstsein entsteht oft dadurch, dass sich additive Leistungen an das bestehende Angebot meist opportunistisch andocken und dadurch die Sicht auf das Ganze verlorengeht. Schaut man sich dann nach einiger Zeit das Gesamtangebot an, findet man ein Bündel an Additiven, die meist eben nur addiert, aber nicht vom Kunden bezahlt werden. Die passende Erklärung dazu: Man musste die Leistungen ausweiten, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Wirklich? Sonderauslieferungen, 24-Stunden-Hotlines, Bring­­dienste, internationale Produkt-Informationssysteme, kundenspezifische Gebinde, Sonderauflagen, Konsignationslager, freie Rückgaben, weit über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus, kostenfreie, intensive Beratung, beliebig viele Leistungskonzeptionen bis zum Vertragsabschluss, das muss alles sein? Unbezahlt? Wirklich?

Das Verkaufen von Dienstleistungen unterscheidet sich drastisch vom Produktverkauf

Meist ist die ehrliche Antwort auf die Frage, ob wirklich alle (unbezahlten) Dienstleistungen erforderlich sind, ein klares «Nein». Oft werden Leistungen schlicht aus mangelnder Fantasie oder mangelndem Selbstbewusstsein addiert, in der Hoffnung, der Kunde springt nicht ab, geht nicht zum Wettbewerb, kommt nicht mit einer Forderung nach Preissenkung daher. Sind die Leistungen aber erst einmal selbstverständlich geworden, wird es viel schwieriger, sie zu bepreisen oder sie gar wieder abzuschaffen. Man möge also vor der Einführung der nächsten Dienstleistung über drei Dinge nachdenken:

  • Was ist der Beweggrund, diese bestimmte Dienstleistung einzuführen? «Der Wettbewerb tut das auch» ist dabei ein schlechter Beweggrund.
  • Welches Ziel wollen wir mit dieser Dienstleistung erreichen? «Den Kunden nicht verlieren» ist kein gutes Ziel.
  • Welchen Preis hat diese Dienstleistung? Man schütze sich vor der Antwort: «Keinen».

Ganz abgesehen davon, dass die Addition von Dienstleistungen nicht trivial ist und bei handwerklich schwacher Ausführung einen erheblichen zusätzlichen Druck auf die Rentabilität ausübt statt genau das Gegenteil zu tun, müssen wir noch einen Aspekt hervorheben, der bei kostenpflichtigen Dienstleistungen und hier insbesondere bei kostenpflichtigen Beratungsleistungen sehr relevant ist: Das Verkaufen von Dienstleistungen unterscheidet sich drastisch vom Produktverkauf. Was wiederum trivial und unmittelbar eingängig klingen mag, bedarf doch der Erwähnung, denn wir erleben regelhaft, dass Dienstleistungen nur deshalb nicht mit einem Preis versehen werden, weil die Unternehmen schlicht nicht wissen, wie man Dienstleistungen verkauft.

Einem erfolgreichen produzierenden Unternehmen, gleich, ob es sich um einen Markenartikler, einen OEM, einen Zulieferer handelt, fällt es in der Regel leicht, seine Produkte anzubieten. Man spricht über Menge, Ausführungsarten, gegebenenfalls kundenspezifische Anpassungen am Produkt, an der Verpackung, an der Darbietung. Man denkt in der Produktion in Faktoren wie Auslastung, Produktivität und so fort. Im Handel ist es ähnlich: Produkte werden verkauft, die Kommissionierung und Logistik müssen effizient sein, die Ware verfügbar.

Auf zusätzliche Dienstleistungen gehört ein Preisschild

Bei Dienstleistungen sieht dies grundsätzlich anders aus, denn der erste Schritt besteht darin, dem Kunden zu erklären, dass überhaupt für eine nicht materielle Leistung ein Preis zu zahlen, ein Honorar, eine Gebühr zu entrichten ist. «Ist das denn nicht enthalten?» Nein, ist es nicht. Wie viele Konzepte werden gemacht und nicht bezahlt? Konzepte zur Optimierung der Prozesse beim Kunden durch ein C-Teile-Management eines Grosshandels, um die Kosten beim Kunden zu senken, Konzepte zur saisonalen kundenspezifischen Verkaufsförderung für ein bestimmtes Produkt, um den Umsatz des Kunden zu steigern, Konzepte zur Verbesserung der Lieferfähigkeit und damit der Reaktionsfähigkeit des Kunden, um ihm einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, alles nur, um das Produkt hinterher zu verkaufen?

Schön, wenn es klappt, aber was ist, wenn der Kunde den Auftrag für das Produkt nicht erteilt. Hat man dann Pech gehabt? Will man sein Angebot um Dienstleistungen anreichern, gehört ein Preisschild an diese Dienstleistungen. Was nichts kostet, ist nichts. Um den Wert einer Dienstleistung darzustellen, sind ganz andere Verkaufskompetenzen gefragt als beim Verkauf von Produkten, auch die Entscheidungswege sind mitunter andere, weil die Auswirkung der Dienstleistung üblicherweise in der Unternehmenshierarchie weiter «oben» gespürt wird, nicht beim Einkauf. All das sollte man zwingend im Kopf haben, bevor man das nächste Mal über eine plumpe Anreicherung des eigenen Angebots nachdenkt, die nicht bezahlt wird und die Rendite schmälert.

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