Strategie & Management

Changemanagement

Veränderungsexzellenz bedeutet Erfolgskultur

Das klassische Changemanagement hat ausgedient. In der digitalen Transformation werden vor allem diejenigen Unternehmen auf der Gewinnerseite stehen, denen es gelingt, Wandlungsfähigkeit zur strategischen Dauereinrichtung zu machen und damit Veränderungen so zügig und unaufgeregt wie das sonstige Tagesgeschäft zu betreiben.
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Alle Jahre wieder geht das Change-Gespenst um in vielen Unternehmen, in den heutigen Zeiten der Disruption und Digitalisierung auch bedeutend häufiger. Es beginnt als vager Anfangsverdacht in der Kantine und wird in kurzer Zeit zum Gegenstand einer brodelnden Gerüchteküche. Noch bevor die Geschäftsführung es offiziell gemacht hat, ziehen die einen schon die Köpfe ein, während die anderen sich beim Chef in Stellung bringen, um ihre Komfortzone zu sichern. Geht es schliesslich los, überbieten sich die Bedenkenträger gegenseitig, warum das Neue erstens nicht geht, und wie es zweitens so gemacht werden soll, dass sie selbst verschont bleiben.

Strategie statt Aktionismus

So sehr diese Phänomene den Geschäftsführenden die Zornesröte ins Gesicht treiben mögen, so menschlich sind sie auch. Das klassische Changemanagement bedeutet Stress pur für das Unternehmen, seine Führungskräfte und Mitarbeiter. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, mögen der Mensch und sein Gehirn es sorgenfrei und bequem. Sie richten sich ein im Status quo und reagieren bereits hochallergisch auf die ersten Anzeichen des Wandels am Horizont. Am Ende ist es egal, ob Unternehmen die Mitarbeiter mit Druck und Zug durch die Veränderung jagen und schleifen oder durch Change Agents the­rapeutisch betreut durch Wandel führen: Eigentlich wäre beides unnötig, könnten Organisation sowie Menschen darin Veränderungen als ein beinahe alltägliches Abenteuer begreifen. Das fällt aber schwer, wenn die Geschäftsleitung so lange an alten Strukturen und Prozessen klebt, bis alle darin verkrustet sind und Fortschritt als schmerzhaft empfinden.

Das Vorgesagte beschreibt allerdings nur den emotionalen Aspekt des Problems, dessen organisationale Seite längst überlebenskritisch geworden ist. Denn auch, wenn viele die Augen davor verschlies­sen, hat das klassische Changemanagement inzwischen ausgedient. Etwas Neues zwei, drei Jahre abzunutzen, um dann erneut aktionistisch den grossen Change-Ruck auszurufen, funktioniert heute nicht mehr. Die Zeiten sind zu schnell geworden dafür. Wer in immer instabileren Märkten Entwicklungen auch nur kurze Zeit verschläft, wird sofort bestraft. Heute und künftig werden nur noch diejenigen Unternehmen auf der Gewinnerseite stehen, denen es gelingt, Wandlungsfähigkeit zur strategischen Dauereinrichtung zu machen und damit Veränderungen so zügig und unaufgeregt wie das sonstige Tagesgeschäft zu betreiben. Das klingt zu schön, um wahr zu werden? Ja und nein. Während eine Minderheit an Unternehmen bereits genau das vorlebt, müht sich die Mehrheit noch immer mit den eingefahrenen Mustern ab, die wie eine angezogene Handbremse wirken. Diese Bremsen müssen gelöst werden, damit die PS der Wandlungsfähigkeit ihre Kraft entfalten können.

Kardinalfehler und Effekte

Die nun folgenden Kardinalfehler des Managements sind bei jedem misslingenden Versuch des Veränderns von Organisation zu beobachten. Sie haben alle das Gleiche zur Folge: das Ersetzen aktiver und führender Gestaltung der Zukunft durch eine passive Hinnahme dessen, was immer kommen mag. Anders ausgedrückt: Zufall statt Führung.

  • Unzureichendes Engagement und Uneinigkeit in der Führung
    Effekt: Unterschiedliche Einschätzungen und Zweifel der Führungskräfte werden sichtbar. Die Mitarbeiter können es sich aussuchen, welche Aussagen sie ernst nehmen und ob sie sich dem Veränderungsvorhaben anschlies­sen oder nicht.
  • Unklare Zielbilder mit fehlendem unternehmerischem Mehrwert
    Effekt: Was genau in welche Richtung verändert werden soll, bleibt so nebulös wie der Nutzen, den man sich davon erhofft. Damit entfalten die Zielbilder weder Kraft noch Motivation und öffnen der Beliebigkeit bei der Umsetzung Tür und Tor.
  • Unzureichender Umgang mit Verunsicherung, Ängsten und Widerständen der Betroffenen
    Effekt: Vorsichtige, skeptische und ablehnende Haltungen unter Führungskräften und Mitarbeitern entwickeln sich unkontrolliert und färben ab. Damit wird es wesentlich aufwendiger, Widerstände einzudämmen, als wenn diese frühzeitig ernst genommen und ausgeräumt werden.

Als Grund für diese hinderlichen Verhaltensweisen geben Unternehmer und Top-Manager immer wieder strategische Hemmnisse an – oft pure Augenwischerei, wenn die Wahrheit in der inneren Haltung der Chefs und einer Kultur des Beharrens im Unternehmen liegt.

Wenn Bequemlichkeit siegt

Wegsehen, Aussitzen, sich in falscher Sicherheit wiegen und andere Ursachen, die zum Vermeiden von Veränderung führen, sind vielerorts an der Tagesordnung. Dabei sind die behindernden Muster meist sehr ähnlich und zementieren, dass Bequemlichkeit vor Wandel geht.

  • Gelerntes Scheitern: Durch jede zähe oder misslingende Veränderung werden ungeeignete Mechanismen in der Organisation verankert, und emotional stellen sich hemmende Zweifel, Pessimismus und Vertrauensverlust ein.
  • Bremsende Legacy: Ehemals erfolgreiche Produkte werden jenseits ihres Zenits noch immer mit aller Kraft geschützt und das Neue als Feind des Bewährten bekämpft.
  • Arrogante Fehleinschätzungen: Fehleinschätzungen durch das Top-Management lösen falsche Entscheide aus. Zugleich unterdrückt die Überzeugung, mit dem sie kommuniziert werden, jeden konstruktiven Widerspruch.
  • Vermiedene Entscheidungen: Innovationen und die nötigen Veränderungen brauchen klare Entscheidungen. Doch die umständlichen Prozesse, getrieben von Risiko-Aversion und Angst, führen zu Stillstand und Verwässern.
  • Zugelassenes Aussitzen: Zuschauen und Aussitzen sind gängige Prinzipien in Unternehmen. Werden sie toleriert, sterben nötige Veränderungen den Tod der Halbherzigkeit.
  • Gewollte Gleichgültigkeit: Werden zu viele Veränderungen gleichzeitig gestartet, kannibalisieren sie sich, bis es fast gleichgültig ist, welche gelingen und welche nicht.

Diese Muster konsequent abzustellen, bedeutet viel, aber lohnende Arbeit. Denn mit ihr wird die Basis geschaffen, auf der Organisationen Wandlungsfähigkeit als Teil der Unternehmensstrategie etablieren können. Haltung und Verhalten der Führungskräfte sowie das Fokussieren und Vorantreiben des gewünschten Wandels jenseits von Bedenkenträgerei und Ausreden sind essenziell dafür.

Emotionen sind entscheidend

Und wie werden die Mitarbeiter mitgenommen? Ganz einfach: entweder emotional oder gar nicht. Emotionale Blockaden sind nämlich die Ursache für inneren Widerstand und äussere Verweigerung. Niemals entscheiden rationale Überlegungen darüber, ob Menschen veränderungsbereit sind. Entscheidungs- und Handlungsimpulse kommen immer aus der Emotion. Jeder, der versucht hat, endlich abzunehmen oder mehr Sport zu machen, kennt diese Situation. Im Kopf ist alles klar, doch es passiert nichts, solange das Herz nicht dabei ist. Die Art und Weise, wie Mitarbeiter emotional beim Wandel mitgenommen werden, bestimmt also den Erfolg und damit auch die Wandlungsfähigkeit – ganz gleich, wie logisch die Gründe sind.

Die meisten Unternehmen jedoch sind stark in der Ratio, aber schwach auf der Emotionsseite. Wie Abbildung 1 zeigt, bewegen sich solche Unternehmen in den beiden linken Quadranten, bestenfalls bei «Disziplin», oft sogar bei «Starre». Diszi­plin heisst. Dinge halbherzig, ohne besonderen Ansporn und Begeisterung zu tun. Für echten Schub müssen jedoch sowohl emotionale als auch rationale Zustimmung hochgradig da sein. Der Schlüssel liegt also darin, emotionale Akzeptanz statt emotionaler, Abwehr zu erzeugen. Damit wird der Wandel von den Emotionen der Betroffenen angetrieben, statt daran zu scheitern. Statt also auf pure Logik und hierarchische Härte zu setzen, müssen Firmen positiv-antreibende Gefühle verstärken und Gegenpole schwächen (Abb. 2).

Fähigkeit zum täglichen Wandel

Wer heute und morgen in der Disruption und der Digitalisierung überleben will, muss beständige Veränderung zu einer ebenso virtuos beherrschten strategischen Fähigkeit machen wie etwa den Aufbau einer neuen Produktionslinie oder den Launch eines innovativen Produkts. Dann können Unternehmen mit einer Haltung der Neugier und Gelassenheit nach Chancen und Bedrohungen Ausschau halten, um sie entweder zu ergreifen oder abzuwehren – im Vertrauen darauf, dass der zugehörige Wandel gelingen wird. Genau dies ist der Kern von Veränderungsexzellenz und damit der Kern einer Erfolgskultur weit jenseits von traditionellem Changemanagement.Wenn es auf diesem Weg gelingt,

  • durch wiederholte Erfolge in Transformationsprogrammen bei Mitarbeitern und Führungskräften das Bewusstsein zu schaffen, dass Veränderungen zielstrebig umsetzbar sind,
  • rechtzeitig loszulegen für die Freiheit, selbstbestimmt, transparent und geordnet agieren zu können,
  • Transformationen auf ein beherrschbares Mass mit klarem unternehmerischem Nutzen zu begrenzen, um diese mit hoher Aufmerksamkeit sowie ausreichenden Ressourcen zum Erfolg zu führen,

steht der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit nichts mehr im Weg. Wer die Fähigkeit zum täglichen Wandel etabliert hat, ist attraktiv: für die besten Kunden, Partner und Mitarbeiter, die der Markt zu bieten hat.

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