Alle Jahre wieder geht das Change-Gespenst um in vielen Unternehmen, in den heutigen Zeiten der Disruption und Digitalisierung auch bedeutend häufiger. Es beginnt als vager Anfangsverdacht in der Kantine und wird in kurzer Zeit zum Gegenstand einer brodelnden Gerüchteküche. Noch bevor die Geschäftsführung es offiziell gemacht hat, ziehen die einen schon die Köpfe ein, während die anderen sich beim Chef in Stellung bringen, um ihre Komfortzone zu sichern. Geht es schliesslich los, überbieten sich die Bedenkenträger gegenseitig, warum das Neue erstens nicht geht, und wie es zweitens so gemacht werden soll, dass sie selbst verschont bleiben.
Strategie statt Aktionismus
So sehr diese Phänomene den Geschäftsführenden die Zornesröte ins Gesicht treiben mögen, so menschlich sind sie auch. Das klassische Changemanagement bedeutet Stress pur für das Unternehmen, seine Führungskräfte und Mitarbeiter. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, mögen der Mensch und sein Gehirn es sorgenfrei und bequem. Sie richten sich ein im Status quo und reagieren bereits hochallergisch auf die ersten Anzeichen des Wandels am Horizont. Am Ende ist es egal, ob Unternehmen die Mitarbeiter mit Druck und Zug durch die Veränderung jagen und schleifen oder durch Change Agents therapeutisch betreut durch Wandel führen: Eigentlich wäre beides unnötig, könnten Organisation sowie Menschen darin Veränderungen als ein beinahe alltägliches Abenteuer begreifen. Das fällt aber schwer, wenn die Geschäftsleitung so lange an alten Strukturen und Prozessen klebt, bis alle darin verkrustet sind und Fortschritt als schmerzhaft empfinden.
Das Vorgesagte beschreibt allerdings nur den emotionalen Aspekt des Problems, dessen organisationale Seite längst überlebenskritisch geworden ist. Denn auch, wenn viele die Augen davor verschliessen, hat das klassische Changemanagement inzwischen ausgedient. Etwas Neues zwei, drei Jahre abzunutzen, um dann erneut aktionistisch den grossen Change-Ruck auszurufen, funktioniert heute nicht mehr. Die Zeiten sind zu schnell geworden dafür. Wer in immer instabileren Märkten Entwicklungen auch nur kurze Zeit verschläft, wird sofort bestraft. Heute und künftig werden nur noch diejenigen Unternehmen auf der Gewinnerseite stehen, denen es gelingt, Wandlungsfähigkeit zur strategischen Dauereinrichtung zu machen und damit Veränderungen so zügig und unaufgeregt wie das sonstige Tagesgeschäft zu betreiben. Das klingt zu schön, um wahr zu werden? Ja und nein. Während eine Minderheit an Unternehmen bereits genau das vorlebt, müht sich die Mehrheit noch immer mit den eingefahrenen Mustern ab, die wie eine angezogene Handbremse wirken. Diese Bremsen müssen gelöst werden, damit die PS der Wandlungsfähigkeit ihre Kraft entfalten können.
Kardinalfehler und Effekte
Die nun folgenden Kardinalfehler des Managements sind bei jedem misslingenden Versuch des Veränderns von Organisation zu beobachten. Sie haben alle das Gleiche zur Folge: das Ersetzen aktiver und führender Gestaltung der Zukunft durch eine passive Hinnahme dessen, was immer kommen mag. Anders ausgedrückt: Zufall statt Führung.
- Unzureichendes Engagement und Uneinigkeit in der Führung
Effekt: Unterschiedliche Einschätzungen und Zweifel der Führungskräfte werden sichtbar. Die Mitarbeiter können es sich aussuchen, welche Aussagen sie ernst nehmen und ob sie sich dem Veränderungsvorhaben anschliessen oder nicht. - Unklare Zielbilder mit fehlendem unternehmerischem Mehrwert
Effekt: Was genau in welche Richtung verändert werden soll, bleibt so nebulös wie der Nutzen, den man sich davon erhofft. Damit entfalten die Zielbilder weder Kraft noch Motivation und öffnen der Beliebigkeit bei der Umsetzung Tür und Tor. - Unzureichender Umgang mit Verunsicherung, Ängsten und Widerständen der Betroffenen
Effekt: Vorsichtige, skeptische und ablehnende Haltungen unter Führungskräften und Mitarbeitern entwickeln sich unkontrolliert und färben ab. Damit wird es wesentlich aufwendiger, Widerstände einzudämmen, als wenn diese frühzeitig ernst genommen und ausgeräumt werden.