Seit dem Ausbruch der Corona-Krise sind nun einige Monate vergangen. Und die Schockwellen, die deren Folgen anfangs bei vielen Unternehmensführern auslösten? Sie sind weitgehend abgeebbt, auch weil sie inzwischen die erforderlichen, kurzfristigen Akutmassnahmen ergriffen haben, um zum Beispiel die Liquidität ihrer Unternehmen zu sichern. Deshalb wendet sich das Augenmerk der Top-Entscheider zunehmend der Frage zu: Was können wir tun, um die Existenz unseres Unternehmens mittel- und langfristig zu sichern und aus der Krise eventuell sogar gestärkt hervorzugehen?
Unterschiedliche Folgen
Recht einfach lässt sich diese Frage bezogen auf die vielen Kleinunternehmen wie Gastronomiebetriebe und Detailhändler beantworten, deren Markt primär ein lokaler ist: Wenig! Bei ihnen lautet die Kernfrage: Haben sie die finanziellen Ressourcen, um die Krise zu überstehen? Wenn nein, sind sie pleite, wenn ja, werden sie, sobald erlaubt, ihre Tore wieder öffnen und ein «business as usual» betreiben – fast so, als wäre nichts geschehen. Anders sieht die Situation bei den meisten grösseren Unternehmen aus, deren Markt ein multinationaler oder gar globaler ist. In ihnen stehen sogar erfahrene Entscheider beim Versuch, die Frage «Wie geht’s weiter?» zu beantworten, vor ihnen bisher unbekannten Schwierigkeiten, denn
- einerseits ist der weitere Verlauf der Corona-Krise noch nicht abschätzbar, doch
- andererseits ist heute schon klar: Bedingt durch die Krise verändern sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns dieser Unternehmen so stark, dass sie ihre bisherigen Strategien grundsätzlich überdenken müssen.
Annahmen und Hypothesen
Wie vielschichtig und komplex der Change- oder Transformationsprozess im Gefolge der Krise ist, wird den Entscheidern meist erst klar, wenn sie die Ist-Situation reflektieren. So ist zum Beispiel zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar:
- Wie wirkt sich die Krise auf die Staatengemeinschaft aus? Wird sie zum Beispiel die EU (oder zumindest Teile von ihr) zusammenschweissen oder bleibt diese nur noch auf dem Papier bestehen?
- Wie wirkt sich die Krise auf die Nationalökonomien aus? Enthalten sie nach der Krise mehr planwirtschaftliche Elemente und wird die Krise die protektionistischen Tendenzen in den Staaten verstärken und somit zu höheren Handelsbarrieren führen?
- Entwickeln sich insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern noch mehr «failed states» und brechen unsere Lieferketten für gewisse Rohstoffe nachhaltig zusammen?
- Löst die Krise in vielen Branchen einen starken Konzentrations- und Übernahmeprozess aus?
- Wie stark und in welcher Form wird die Krise die digitale Transformation der Wirtschaft und der Gesellschaft und den Online-Handel puschen?
Ähnliche Fragen stellen sich auf der mikroökonomischen Ebene – zum Beispiel:
- Werden die Mitarbeiter, die zurzeit praktische Erfahrung mit der Arbeit im Homeoffice sammeln, nach der Krise noch akzeptieren, dass sie fortan wieder täglich von 8 bis 17 Uhr im Büro sein müssen?
- Wird die Tatsache, dass in der Krise und der darauffolgenden Wiederaufbauphase sehr viele Entscheidungen top-down getroffen werden müssen, die Unternehmenskulturen nachhaltig verändern?
Nur vorläufige Strategien
Fragen über Fragen, auf die man eigentlich eine Antwort bräuchte, wenn man eine Strategie für die Zeit nach der Krise entwerfen möchte; doch diesbezüglich lassen sich zurzeit nur Hypothesen formulieren und hierauf aufbauende Szenarien entwerfen. Dies sollten die Entscheider in den Unternehmen auch tun, denn es ist und bleibt ihre Aufgabe, in ihren Organisationen die Weichen jetzt für die Zeit nach der Krise in Richtung Erfolg zu stellen.
Hierbei können sie, um zwei Termini aus dem agilen Projektmanagement zu gebrauchen, letztlich nur iterativ und inkrementell vorgehen. Das heisst, sie können aufgrund ihres jeweils aktuellen Wissensstands stets nur vorläufige Strategien und hierauf aufbauende Massnahmenpläne entwickeln, um dann regelmässig zu überprüfen: Waren die Annahmen, die ihnen zugrunde lagen, richtig oder müssen wir unsere Strategie modifizieren?