Strategie & Management

Kommunikation

Storytelling als strategisches Instrument

Storytelling ist eines der mächtigsten Kommunikationswerkzeuge, um Herz und Verstand anzusprechen. Strategisch eingesetzt, erzielt es die Wirkung, wenn Vertrauen, Sympathie und Begeisterung geweckt werden sollen. Zudem ist Storytelling so ziemlich der einzige Weg, wirklich dauerhaft Glaubenssätze und Selbstbilder bei Mitarbeitern zu ändern.
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Wirksame Führungskommunikation nutzt viele Formate, darunter auch Storytelling. Storytelling ist allerdings kein Werkzeug, das auf alle Führungssituationen des Unternehmers passt. Gute Kommunikation ist an die Situation angepasst und spricht Gefühl und Verstand an. Es kommt auf den passenden Einsatz jeder Kommunikationsmassnahme an. Der Beitrag behandelt den strategischen Einsatz des Storytelling.

Hochkunjunktur für Storytelling

Storytelling hat vor allem in schwierigen Zeiten Hochkonjunktur. Denn dann gibt es viele Geschichten zu erzählen, die bewegen. Die Gründe dafür:

  • Viele Unternehmer, Kunden und Mitarbeiter sind gezwungen, zu «Helden» zu werden. Das ist eine der Zutaten zu einer guten Geschichte.
  • Viele Unternehmer und Mitarbeiter kämpfen ums Überleben des Betriebs. Somit steht schon die zweite Zutat.
  • Viele Unternehmen haben gerade jetzt eine Botschaft an Mitarbeiter und Kunden zu verkünden. Botschaften wie: Wir sind kreativ. Wir finden Lösungen. Wir geben nicht auf. Wir brauchen Unterstützung. Damit ist eine weitere Zutat für eine gute Geschichte vorhanden.

Gerade weil es jetzt so viele mögliche Inhalte für Geschichten gibt, sind diese zu sammeln und in einer Storydatenbank abzulegen. Diese Storys werden dann strategisch bei Bedarf an der passenden Stelle erzählt. 

Der strategische Ansatz 

Erstens: Der Unternehmer erzählt sich selbst neue Storys, um in einen kraftvollen Zustand zu kommen. Zweitens: Er erzählt seinen Mitarbeitern Storys, um sie bei der Stange zu halten oder eine Kulturänderung herbeizuführen. Drittens: Er erzählt seinen Kunden Geschichten, um diese immer wieder zu begeistern und um neue Kunden zu finden.

Warum sollte der Unternehmer zuerst sich selbst aufbauende Storys erzählen? Die derzeitige Krise stellt den Unternehmer in der Regel vor echte und bisher ungeahnte Probleme. Besonders wichtig in solchen Zeiten ist, die Angestellten bei der Stange zu halten. Mitarbeiter, die vor Angst um ihren Job und die Zukunft gelähmt sind, sind nicht in der Lage, dem Unternehmen aus der Krise herauszuhelfen.

Geschichten, die sich Unternehmer selbst erzählen können: Zum Beispiel die Geschichte, als vor vier Jahren einer der Kunden unerträglich war und als vor zwei Jahren ein Kunde die Rechnung nicht bezahlte oder letztes Jahr, als ein Kunde immer noch mehr Leistung für noch weniger Geld wollte. Leider sind diese Geschichten emotional stark ne­gativ besetzt. Zudem hat der Unternehmer sich diese schon sehr oft erzählt. Das versetzt ihn nicht in die Lage, schwierige Probleme zu bewältigen.

Seit dem Shutdown der Wirtschaft geht es allerdings für viele Unternehmen nur noch ums Überleben und Durchstehen der Krise. Der Umsatz bricht ein, die Lieferkette ist unterbrochen. Manche Unternehmen müssen Insolvenz anmelden. Die Gedanken kreisen um diese Themen. Das macht es besonders schwierig, sich selbst aufbauende Storys zu erzählen. Unternehmer sollten daher bisher überwun­dene Hindernisse und Probleme einer vertrauten Person erzählen. Ist dies nicht möglich, könnte ein Coach hinzugezogen werden.

Storys für Mitarbeiter 

Alle guten Geschichten sind nach einem ähnlichen Muster aufgebaut, das der Forscher Joseph Cambell als Heldenreise bezeichnet hat. Das komplette Modell kann in diesem Beitrag nicht umfänglich beschrieben werden, daher folgt ein ver­einfachter Leitfaden nach Unternehmercoach Stefan Merath. Folgende sieben Fragen hat der Unternehmer demnach zu beantworten.

  • Wer ist der Held? Zum Beispiel B. Ueli, einer der Mitarbeiter.
  • Wann beginnt die Geschichte? Zum Beispiel am 12. Oktober 2019, als er ein Projekt übernommen hat.
  • Wann endet die Geschichte? Zum Beispiel am 20. März 2020, als er das Projekt abgeschlossen hat.
  • Was will der Held? Ein starkes Projekt abliefern, das den Kunden vom Hocker haut.
  • Was ist das Problem? Anfangs gibt der Kunde dem Projekt einen viel zu niedrigen Stellenwert. Ab Januar 2020 wird die Arbeit immer schwieriger, weil sich durch den Grippe-Virus immer mehr Mitarbeiter Gedanken machen. Einige fragen sich, wie lange sie ihren Job noch behalten werden. Der Marketingleiter sperrt sich gegen das Projekt, weil er das Projekt gerne von einer anderen Softwarefirma bearbeitet hätte. Zufälligerweise gehört diese Firma einem guten Kollegen von ihm. Mit weiteren Problemen wird das Projektteam von Ueli verwirrter und demotiviert.
  • Was ist die Lösung? Ueli überwindet seinen wachsenden Ärger gegenüber den Mitarbeitern des Kunden und dem Marketingleiter. Ein Coach hilft ihm, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Mitarbeiter, die um ihren Job fürchteten, verstehen nun, was sie vom Projekt haben. Der Marketingleiter gibt seine Attacken auf. Alle Beteiligten verein­baren eine enge und intensive Zusammenarbeit. Das Team von Ueli soll in der meisten Zeit in den Räumen des Kunden arbeiten. Sie werden gerade noch rechtzeitig fertig, bevor sie nur noch über Videokonferenz arbeiten dürfen. Zugleich führt Ueli das agile Projekt­ma­nagementsystem Scrum ein. Das ver­bessert die Kommunikation untereinander und mit dem Kunden nochmals.
  • Was ist die Bedeutung? In unserer Firma bewältigen wir Ärger und lösen unsere Probleme schnell, kreativ und kooperativ mit unseren Kunden.

Was bringt diese Geschichte, wenn der Unternehmer sie erzählt? Erstens lobt er indirekt Ueli und verankert zweitens sein Verhalten als Teil der Unternehmenskultur, also zum nachahmenswerten Standard. Natürlich braucht der Unternehmer viele solcher Geschichten. Deshalb auch der Hinweis auf die Storydatenbank. Zum Erzählen der Geschichte geht der Unternehmer – je nach Situation, wo und wem der Unternehmer die Geschichte erzählt – ins Detail. Da wird es dann durchaus emotional und spannend.

Storys für neue Mitarbeiter

Obwohl durch die Krise eher weniger Firmen Mitarbeiter einstellen, gibt es diese trotzdem. Sie sind beispielsweise in einer Branche tätig, deren Produkte gerade gefragt sind, wie Nahrungsergänzung, hygienische Produkte und so weiter Ein Unternehmer erzählt seinen neuen Mitarbeitern die Gründungsgeschichte. Hier spiegeln sich auch die Werte des Unternehmens wider. Das macht es leichter für die neuen Mitarbeiter, sich damit zu identifizieren. Zudem erzählt der Unternehmer Geschichten, in denen seine Mitarbeiter kämpften und dadurch zu Helden wurden. Gerade in Krisen­zeiten entsteht für solche Geschichten viel Material. 

Die Unternehmenskultur entsteht durch die Art der Geschichten, die im Unternehmen kursieren. Der Unternehmer hat es zum grossen Teil in der Hand, welche Geschichten kursieren, und damit, welche Kultur entsteht. Wichtig ist: Aktives Storytelling ist so ziemlich der einzige Weg, dauerhaft Glaubenssätze und Selbst­bilder bei Mitarbeitern zu ändern. Zum strategischen Ansatz gehört, wann wem welche Geschichte erzählt wird.

Storys für Kunden

Die Kunden hören drei Arten von Geschichten: Erstens Geschichten, die den Kunden zum Helden haben und wie der Kunde (mit der Hilfe des Unternehmens) seine Probleme löst. Ein Einstieg dazu ist, sich Referenzen einzuholen und die beispielsweise auf der Internetseite zu veröffentlichen. Wichtig: Nicht das Unternehmen ist der Held, sondern der Kunde. Zweitens Geschichten, in denen die Grundmotive und die Werte, nach denen das Unternehmen lebt, zum Ausdruck kommen. Meist ist es die Gründungsgeschichte. Dies erlaubt dem Kunden, sich mit dem Unternehmen zu iden­tifizieren, und gibt ihm Sicherheit, wen er da vor sich hat.

Drittens Wissensgeschichten, in denen der Kunde erfährt, was das Unternehmen tut, um das Problem zu lösen. Eine Kundin des Autors hat dazu über 120 Videoclips im Internet aufgeschaltet. Zunächst beschreibt sie die problematische Si­tuation, danach erklärt sie, was alles mit diesem Problem involviert ist, und drittens schlägt sie ihren Lösungsansatz vor. Dies ist einer der Wege, wie sie Kunden gewinnt.

Fazit

Unser Gehirn ist süchtig nach Geschichten. Auch das Gehirn der Mitarbeiter und Kunden ist süchtig nach Geschichten. Story­telling ist eines der mächtigsten Kom­munikationswerkzeuge um Herz und Verstand anzusprechen. Strategisch ein­gesetzt, erzielt es die Wirkung, wenn Vertrauen, Sympathie und Begeisterung geweckt werden sollen. Zudem ist Storytelling so ziemlich der einzige Weg, wirklich dauerhaft Glaubenssätze und Selbstbilder bei Mitar­beitern zu ändern.

Porträt