Strategie & Management

Nachfolgeregelung

Stolpersteine im multidisziplinären und emotionalen Prozess

Die Komplexität von Nachfolgeregelungen wird oft unterschätzt. In Wirklichkeit handelt es sich um komplexe, multidisziplinäre Change-Projekte. Wie eine Umfrage unter Betroffenen zeigt, sind die grössten Herausforderungen emotionale, strategische, organisatorische und kulturelle Aspekte – nicht finanzielle und rechtliche, wie man glauben könnte.
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Jeder Unternehmer ist gewohnt, komplexe Fragestellungen zu bearbeiten. Daher glaubt manch ein Patron, auch seine Nachfolge ohne grosse Mühe, ohne externe Begleitung regeln zu können. 

Die emotionale Falle

Doch gerade im Nachfolgeprozess lauert die grosse Gefahr, in eine Falle zu tappen: Die emotionale Befangenheit behindert sowohl eine objektive Denkweise als auch eine Lösungsfindung. Meist ist diese Befangenheit dem vom Rücktritt Betroffenen nicht bewusst. In Nachfolgeprozessen treten emotionale Herausforderungen bei allen direkt und indirekt Beteiligten auf. Die Abbildung zeigt, mit Sternen markiert, wo überall Emotionen im Spiel sein können.

Die Stolpersteine

Eine emotionale Befangenheit birgt die Gefahr in sich, mögliche Stolpersteine zu übersehen oder zu unterschätzen. Eine spezialisierte, externe Prozessbegleitung, die auch unangenehme Themen rechtzeitig aufdeckt, bietet Planungs­sicherheit und erhöht unter Umständen den Wert der zu übergebenden Firma. Auf dem langen Weg des Übernahmeprozesses liegen zahlreiche Stolpersteine, die eine reibungslose Ablösung erschweren und den Verkaufserlös des Unternehmens negativ beeinflussen können.

Stolperstein 1: Zu später Prozessstart

Unternehmer tendieren bewusst oder unbewusst dazu, die Aufgabe der eigenen Nachfolgeregelung hinauszuschieben, weil dieses Thema unangenehme Aspekte ihrer Persönlichkeit berühren, unbewusste Ängste auslösen und an das eigene «Eingemachte» gehen kann. Als Beispiel sei erwähnt, dass sich niemand gerne überflüssig macht.

Ein Nachfolgeprozess startet idealerweise spätestens sieben Jahre vor dem geplanten Austritt des Übergebers. Gerade bei Einzelfirmen werden steuerrechtliche Überlegungen oft zu spät angestrengt. Um eine Firma aus dem Privatvermögen herauszulösen, ist die Gründung einer GmbH meistens optimal. Aus steuerrechtlicher Sicht muss dies mindestens fünf Jahre vor dem Verkauf geschehen. Auch wird der Vorteil, Liegenschaften aus dem übrigen Teil einer Firma rechtzeitig herauszulösen, zu spät in Angriff genommen.Ein zu später Prozessstart wirkt sich auch auf den Firmenwert aus, wenn sich versäumte Massnahmen nicht mehr rechtzeitig treffen lassen. Die folgenden Abschnitte sollen dies zeigen.

Stolperstein 2: Firmenwert wird überschätzt

Eine neutrale Schätzung eines Unternehmenswertes kann bereits eine Ernüchterung und grosse Emotionen auslösen. Wer sich nicht frühzeitig mit Bewertungsmethoden auseinandersetzt, muss sich auf böse Überraschungen gefasst machen. Noch ist die Meinung weit ver­breitet, der Wert einer Firma ersetze das Äufnen von Alterskapital. Wird zu einem späten Zeitpunkt erkannt, dass der Erlös aus dem Verkauf der Firma nicht reicht, um in Rente zu gehen, bleibt manchmal nichts anderes übrig als eine Verschiebung des Verkaufszeitpunktes.

Stolperstein 3: Der Unternehmer als «Aktivposten» wird unterschätzt

Der Anteil, welchen der Patron als Person am Firmenwert ausmacht, wird oft unterschätzt. Einerseits kaufen viele Kunden bei einer bestimmten Firma wegen der guten Beziehung zum Chef; dies ist insbesondere der Fall, wenn die Firmenbezeichnung dessen Namen trägt. Andererseits verkörpert dieser einen grossen Teil des Know-hows. Tritt der Patron ab, fällt ein beachtlicher Teil des Firmenwertes weg, der vom Nachfolger nicht immer ohne Weiteres ersetzt werden kann. Durch eine frühzeitige Förderung der Mitarbeitenden lassen sich Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen, die allgemeine Kompetenz der Firma erhöhen und damit den Wert steigern.

Stolperstein 4: Fehlende Innovationen, veraltete Strategie

Ein Unternehmer läuft Gefahr, dass er am Ende seines Wirkens zu wenig Gewicht auf Innovationen legt. Gerade in Firmen, in denen der Patron die treibende Kraft für die Strategie und für jegliche Veränderungen ist, wird nur noch das geändert, was sich gerade aufdrängt. «Es läuft ja alles so gut.» Es entsteht ein Innovationsstau (zum Beispiel Stichwort Digitalisierung). Eine solche Situation kann mit dem Nachlassen der schöpferischen Kraft zu tun haben und ist, so gesehen, natürlich. Sich regelmäs­sig Gedanken zur Unternehmensentwicklung zu machen, dies zusammen mit Schlüsselpersonen aus dem Betrieb, macht die Firma für die Zukunft fit und steigert deren Wert. Für die Nachfolger wird es einfacher, wenn sie ihre Kraft in verschiedene Themen stecken können, nicht nur in eine neue Strategie und in Innovationsüberlegungen.

Stolperstein 5:Ineffiziente Organisation

Historisch gewachsene Organisationen sind in der Regel zwar gut eingespielt, aber nicht unbedingt effizient. Unternehmer, welche ihren Betrieb in nächster Zeit übergeben wollen, vertreten gerne die Haltung: «Ich will nicht mehr viel ändern, der Neue soll es dann nach der Übernahme gemäss seinen Vorstellungen tun.» Dabei wird übersehen, dass ein gut organisierter Betrieb mehr Wert hat und das Einsteigen für den Nachfolger leichter und attraktiver wird. Für eine neue Leitung stehen in der Regel andere Aufgaben im Vordergrund als eine Reorganisation.

Eine optimale Organisation sollte ohnehin weitgehend ohne oberste Leitung funktionieren. Eine Überprüfung als auch eine Anpassung der Organisation, lange vor einer geplanten Übernahme, ermöglichen nicht nur eine einfachere Ab­lösung, sie helfen auch, die oben beschriebenen Aspekte zu verbessern, zum Beispiel eine bessere Verteilung der Führungsaufgaben zu erreichen.

Erfahrungsbericht 1: Wir unterstützten den Kunden A bei der Entscheidungsfindung, ob er neben seinem Betrieb zusätzlich die Firma B übernehmen sollte. Die gemeinsame Grobanalyse mit dem Besitzer B zeigte, dass dessen Betrieb sehr schlecht organisiert war und B es vorzog, alles selber zu machen. Obschon die Firma B recht profitabel war und eine sinnvolle Ergänzung zum Betrieb A gewesen wäre, verzichtete A auf eine Übernahme. Er stellte fest, dass für ihn eine dringend notwendige Reorganisation zusätzlich zu seinen Aufgaben im aktuellen Betrieb zu aufwendig gewesen wäre. Ohne eine solche organisatorische Herausforderung hätte er den Betrieb B zu einem guten Preis gekauft. Zwei Jahre sind seither vergangen, und B sucht noch heute erfolglos einen Käufer.

Erfahrungsbericht 2: Der Sohn eines Unternehmers arbeitete seit fünf Jahren im 30-köpfigen Betrieb seines Vaters. In dieser Zeit konnte er sich in verschiedene Aufgaben einarbeiten. Die Zeit für eine Übernahme der Firmenleitung war reif. Wir wurden angefragt, ob wir dem Sohn helfen würden, eine neue Organisation zu definieren und umzusetzen. Wir empfahlen ihm, sich in einem ersten Schritt von der Ist-Situation zu lösen und grundsätzliche Überlegungen anzustellen, so wie bei einer Neugründung auf der grünen Wiese. Wir unterstützten ihn dabei, den Markt, das aktuelle Angebot, die Ressourcen und die Kompetenzen der Firma zu analysieren. Daraus erstellten wir gemeinsam einen neuen Businessplan und eine Strategie. Erst danach begannen wir, die Neuorganisation zu definieren. Diese wurde mit drei Organisationseinheiten unterhalb der Geschäftsleitung recht schlank im Vergleich zu vorher, als der Vater acht direkt unterstellte Organisationseinheiten führte und zum Teil selber Doppelfunktionen innehatte. Erst jetzt fühlte sich der Sohn bereit, die Geschäftsleitung zu übernehmen, was dann fast reibungslos vonstattenging. Heute ist er erfolgreich, und die Firma erhält von den Kunden und Mitarbeitenden positive Rückmeldungen aufgrund vermehrter Effizienz und Klarheit.

Stolperstein 6: Zu wenig breit abgestützte Führungskompetenz

Als Folge einer veralteten Führungskultur besteht die Gefahr, mehrheitlich von oben zu bestimmen. Insbesondere die Firmengründer und die Patrons alter Schule möchten alles selber kontrollieren und sind nicht gewohnt, zu delegieren. Fällt der Chef weg, besteht ein Führungsvakuum. Für den Nachfolger ist es viel attraktiver, wenn er auf ein bestehendes Führungsteam zählen kann. Eine breit abgestützte Führungsstruktur hat zudem Einfluss auf die Attraktivität und den Wert der Firma. Eine solche bedingt meistens einen längerfristigen Entwicklungsprozess.

Erfahrungsbericht 3: Der 69-jährige Inhaber C entschloss sich, etwas kürzerzutreten. Er stellte einen Geschäftsführer ein und konzentrierte sich auf die Aufgabe als Verwaltungsratspräsident. Die eigentliche Nachfolge wollte er erst später regeln. Der neue Geschäftsführer D erhielt vor seiner Anstellung von den beiden langjährigen Geschäftsleitungsmitgliedern E und F die Zustimmung, dass sie gemeinsam zu dritt die Führungsverantwortung tragen würden.

Nach ein paar Monaten stellte sich heraus, dass E und F trotz gemeinsamer Teamentwicklungsmassnahmen überfordert waren, strategisch zu denken, zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Sie waren komplett im Widerstand und nicht bereit, sich wirklich weiterzubilden und ihre alltäglichen Gewohnheiten zu ändern. Allzu lange waren sie gewohnt, bequeme Befehlsempfänger und Ja-Sager zu sein. Plötzlich selber denken zu müssen, war für sie zu anstrengend; dies war jedoch eine allzu bequeme Haltung für Geschäfts­leitungsmitglieder. C stellte sich anfänglich hinter D, fand dann allerdings, es sei nicht gut, zu viel zu ändern, und
der zu partizipative Führungsstil von D passe nicht in seine Firma. Dieser verliess schliesslich den Betrieb.

Stolperstein 7: Führungsverständnis und Wertesysteme

Es gibt Unternehmer, die zum Teil unbewusst meinen, die Nachfolger sollten möglichst eins zu eins so denken und agieren wie sie selbst. Sie sind überzeugt, der Erfolg bestätige ihre Ansicht. In einer solchen Haltung liegt enorm viel Konfliktpotenzial. Im Laufe der Zeit hat sich die Führungslehre stark verändert. Folglich haben jüngere Generationen ein anderes Führungsverständnis als die Generation 55plus. Streng hierarchische Führungsstrukturen sind veraltet. Tendenziell werden heute Führungsaufgaben auf alle Hierarchiestufen verteilt. Modernes, auf Vertrauen setzendes Führen erfordert Moderation statt Kontrolle, das Einräumen von Freiräumen statt Restriktionen.

Das Führungsverständnis hat einen enormen Einfluss auf die Firmenkultur. Eine Nachfolge, die einen allzu abrupten kulturellen Wechsel mit sich bringt, stellt sowohl den Nachfolger als auch die Mitarbeitenden vor grosse Herausforderungen. Hier kann viel emotionaler Sprengstoff drin liegen.

Ferner spielt auch der stetige Werte­wandel in der Gesellschaft eine Rolle. Das typische patronale Denken ist bei jüngeren Generationen kaum noch auffindbar. Es besteht aus einer stark do­minanten, hierarchischen Führung, in welcher der Patron alles von oben im Detail bestimmt, bei gleichzeitiger starker Übernahme sozialer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden. Als Folge davon trägt die Firmenkultur in einem so geprägten Betrieb familienähnliche Züge. Ein Wechsel in der Leitung bringt hier naturgemäss grosse Veränderungen mit sich, insbesondere bei einer Übernahme des Unternehmens durch einen externen Nachfolger. 

Eine frühzeitige Aufnahme des Themas und das Aufsetzen eines Change-Prozesses, welcher auch die kulturelle Veränderung adressiert, sind als Begleitmassnahme von eminenter Wichtigkeit.

Der Vorgänger muss dem Nachfolger zudem genügend Raum lassen, damit dieser Leadership zeigen kann. Seine Mannschaft muss erkennen können, in welche Richtung er vorangehen will. Er muss 
zeigen können, wer der zukünftige Herr im Hause ist.

 

Erfahrungsbericht 4: Der ehemalige Unternehmer G erzählt, wie er die Zeit nach dem Verkauf seiner Firma erlebte. Im gegenseitigen Einvernehmen mit dem neuen Inhaber H arbeitete G nach der Übernahme im Betrieb weiter als Betreuer und Projektleiter für die grossen Stammkunden. Anfänglich war er von H begeistert. Dann bekam er die gelebten unterschiedlichen Werte immer mehr mit. H handelte sehr profitorientiert und pflegte – aus der Sicht von G – einen zu harten, rücksichtslosen Umgang mit den Mitarbeitenden und den Kunden. 

G mischte sich nicht ein und unterdrückte seinen Unmut so lange, bis er den psy­chischen Belastungen nicht mehr standhalten konnte und schliesslich aus dem Betrieb ausschied. Noch fünf Jahre später, so erzählt er, würden sich ab und zu Mitarbeitende bei ihm melden und sich beklagen, wie doch H im Umgang ein unmöglicher Mensch sei.

Erfahrungsbericht 5: Zwei Brüder waren seit fünf Jahren Inhaber und gleichberechtigte Geschäftsführer des vom Vater übernommenen Betriebes. Die Aufgabengebiete waren klar getrennt. Jeder kannte seine Verantwortlichkeiten. Zu Beginn lief der Betrieb einwandfrei. Je länger, desto mehr entdeckten sie ihre unterschiedlichen Einstellungen und Werte. Zum Beispiel waren ihre Vorstellungen zur Personalführung ungleich. Um Konflikte zu vermeiden, wichen sie sich immer mehr aus. Geschäftsleitungssitzungen fanden nur noch statt, wenn es un­bedingt notwendig war. Die Situation eskalierte, als der eine beschloss, aus familiären Gründen nur noch 80 Prozent zu arbeiten. Der andere konnte dies nicht akzeptieren und hielt es für unangebracht, dass ein Unternehmer nicht mit einem vollen Pensum arbeiten wollte.

Zu Beginn unserer Beratung führten die beiden ein Online-Assessment durch, um die Differenzen ihrer Persönlichkeiten zu verstehen. Klar ersichtlich wurden ihre unterschiedlichen Motivationsfaktoren. Der eine war am meisten durch wirtschaftliche und der andere durch soziale Themen getrieben. Dazu wurde die klare Dominanz des einen klar und die Tendenz des andern, sich zu unterwerfen. Mit Teambildungsmassnahmen konnten wir die Situation vorerst verbessern. Die beiden hatten sich jedoch schon zu stark voneinander entfremdet, sodass der eine schliesslich den Betrieb verliess. Wären diese Unterschiede vor fünf Jahren sichtbar gemacht worden, hätte viel Ärger vermieden werden können.

Stolperstein 8: Anforderungen an eine Nachfolgeperson

Bei der Definition der Anforderungen an einen Nachfolger, sofern überhaupt eine solche formuliert wird, besteht die Gefahr, zu stark vom Ist-Zustand auszugehen. Auch ist eine Tendenz erkennbar, die Fachkompetenz zu stark zu gewichten. Aus unserer Erfahrung entscheiden die persönlichen Kompetenzen und die Führungskompetenz über Erfolg oder Misserfolg. Die Hauptfrage ist, ob jemand als Unternehmer geeignet ist. Bei familieninternen Nachfolgen wird gerne auf eine objektive Eignungsüberprüfung verzichtet. Gerade dort empfiehlt es sich, genau hinzuschauen.

Erfahrungsbericht 6: Bei unseren Mandaten für Nachfolgebegleitungen legen wir grosses Gewicht auf eine schriftliche Definition der Anforderungen an eine Nachfolgeperson. Anschliessend prüfen wir mittels eines Online-Assessments, ob ein Kandidat die notwendigen persönlichen und unternehmerischen Kompetenzen für eine erfolgreiche Tätigkeit als Unternehmer besitzt. Dabei zeigen wir auf, wo und wie allenfalls Entwicklungsmassnahmen angebracht sind. Im Zweifelsfall raten wir ungeeigneten Kandidaten ab, Unternehmer werden zu wollen. Auch der beste Fachmann ist nicht unbedingt ein Unternehmer. Mit dieser Praxis haben wir durchwegs gute Erfahrungen gemacht.

Stolperstein 9: Kommunikation

Gerade beim Kommunizieren gibt es vieles, was man falsch machen kann. Die Gefahr besteht, dass zu viel oder zu wenig oder gar nichts zum Thema Nachfolge gesagt wird. Man kann nicht «nicht kommunizieren»! Auch wer nichts sagt, sagt etwas. Oft werden die Mitarbeitenden und die Kunden vergessen. Dabei weiss man doch, dass Veränderungen Unsicherheit, Ängste und Widerstände auslösen. Der Zugang zu den Mitarbeitenden und den Kunden ist der Schlüssel zum Erfolg. In der Regel ist es besser, regelmässig, gezielt und stufengerecht das mitzuteilen, was die Öffentlichkeit wissen darf. In einem Kommunikationskonzept sollten die grundsätzliche Strategie und die Art und Form der notwendigen Mitteilungen festgelegt werden. Von besonderer Wichtigkeit ist auch eine offene Kommunikation zwischen Vorgänger und Nachfolger. Regelmässige, offene Gespräche, wo auch Wahrnehmungen und Gefühle Platz haben müssen, sind ein Muss.

Stolperstein 10: Loslassen

Die vermutlich grösste Hürde eines ab­tretenden Unternehmers liegt bei ihm selber. «Loslassen können» heisst das Schlagwort. Je schneller es gelingt, das Unternehmen vertrauensvoll in neue Hände zu übergeben, desto rascher wird die neue Führung erfolgreich! Eine weitere Mitarbeit des Übergebers sollte sich auf klar definierte, abgegrenzte Tätigkeiten beschränken. Zu viel Dreinreden führt zu Konflikten und kann den erfolgreichen Fortbestand behindern.

Ratschläge in diese Richtung reichen nicht aus. Beim «Nicht-loslassen-Können» handelt es sich um ein tief liegen­des, unbewusstes psychologisches Phänomen. Es wird von vielen unterschätzt und verdrängt. Etwas plötzlich aus den Händen geben, was man jahrelang mit grossem Einsatz aufgebaut und gepflegt hat, fällt niemandem leicht.

Situationen, in welchen ein Übergeber dem Übernehmer seine Dienste anbietet und dieser aus Freundlichkeit annimmt, empfehlen wir nicht. So können Situationen entstehen, wie sie im Erfahrungs­bericht 4 dargestellt sind. Ähnliche Geschichten treffen wir häufig an. Besser ist, wenn der abtretende Unternehmer seine Zukunftspläne schriftlich formuliert und ein detaillierter Austrittsplan festgelegt wird. Er braucht neue Herausforderungen, welche ihn emotional ansprechen; etwas, was er mit Leidenschaft verfolgen kann.

Erfahrungsbericht 7: Ein 69-jähriger Unternehmer bat uns, ihn bei der Suche einer geeigneten Nachfolge zu begleiten. Er wollte anlässlich seines 70. Geburtstags genau wissen, wie es weitergehen würde, und dann möglichst bald austreten. «Hilf mir, hier rauszukommen!», waren seine Worte. Gespräche mit ihm und seiner Frau zeigten, wie stark er mit seinem Unternehmen verbunden und dieses zu seinem Lebensinhalt geworden war. Seine Frau mochte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn er plötzlich keine Aufgabe mehr haben und den ganzen Tag zu Hause sitzen würde. Wir besprachen mit ihm verschiedene Varianten für eine Nachfolge und versuchten, mit ihm eine schriftliche, persönliche Zukunftsplanung zu machen. Da er nicht bereit war, Realitäten zu sehen und zu akzeptieren, brachen wir das Mandat ab. Heute ist er 73 und noch nicht viel weiter.

Erfahrungsbericht 8: Unsere Begleitung eines abtretenden Unternehmers verlief recht erfolgreich und mühelos. Zwei Mitarbeiter konnten gefunden werden, welche bereit waren, die Firma zu übernehmen. Ihre Eignung als Unternehmer wurde abgeklärt. Gezielte Weiterbildungen wurden mit ihnen gestartet, notwendige Details besprochen und ein Vorvertag abgeschlossen. Als das Übergabedatum herannahte, entschloss der Übergeber den Nachfolgeprozess abzubrechen und aus dem Vorvertrag auszusteigen. Er habe realisiert, dass es noch zu früh sei für ihn, um aufzuhören. Sein Schaden: mehrere zehntausend Franken Aufwand und der Verlust seiner zwei besten Mitarbeiter.

Stolperstein 11: Familiensystem

Die wohl schwersten emotionalen Belastungen lauern in Familiensystemen. Die Themen können recht komplex sein und Ansprüche aus zwei oder drei Generationen umfassen. Familienbande wirken oft stärker als Vernunft und nackte Tatsachen. Bei einer Nachfolgebegleitung muss der Fokus speziell auf die Rollen und auf die Meinungen der Familienmitglieder ausgerichtet werden. Insbesondere dürfen die Lebenspartner der Übergeber und Übernehmer nicht vergessen werden.

Erfahrungsbericht 9:Anlässlich einer Bewertung der verschiedenen Nachfolgeoptionen nannte ein Unternehmer bei der Variante «Nachfolge durch den Sohn» als Risiko «fährt Firma an die Wand». Durch unsere Rückfrage zur Eintretenswahrscheinlichkeit dieses Risikos gestand er, dass dem Sohn unternehmerische Kompetenzen fehlen würden und er ihm eigentlich nicht zutraue, die Aufgabe einer erfolgreichen Nachfolge meistern zu können. Sein Herzenswunsch, das Unternehmen im Familienbesitz zu behalten und seinen Sohn zum Unternehmer zu machen, sei jedoch so stark, dass er riskieren wolle, sein Lebenswerk den Bach hinunterschwimmen zu sehen.

Erfahrungsbericht 10: Die Gebrüder I und J leiteten und besassen zusammen ein Unternehmen. Die Söhne von I ar­beiteten seit einiger Zeit mit. Sie entwickelten sich zu guten Fachleuten. L, der Sohn von J, arbeitete als Betriebswirtschafter in einer anderen Firma in einer anderen Branche. Bei Nachfolgediskussionen wurde rasch erkannt, dass L eine sinnvolle Ergänzung zu den Söhnen von I sein könnte. I und J waren im Prinzip einverstanden, das Unternehmern an die jüngere Generation zu übergeben. J stellte jedoch die Bedingung, dass die Hälfte der Aktien in seiner Familie bleiben müsste. Das hätte bedeutet, dass L die Hälfte und die Söhne von I je einen Viertel der Aktien erhalten hätten. L war damit nicht einverstanden. Er mache nur mit, wenn er und die zwei Cousins nach der Übernahme gleichwertige Partner sein würden. Zahlreiche Gespräche mit externer Unterstützung waren notwendig, bis J nach Langem über seinen eigenen Schatten sprang und die Lösung mit den drei gleichberechtigten Partnern umgesetzt werden konnte.

Stolperstein 12: Fehlendes Prozess-Management

Die Komplexität von Nachfolgeprozessen wird oft unterschätzt. In Wirklichkeit handelt es sich um komplexe, multidisziplinäre Change-Projekte. Nach einer Situationsanalyse lassen sich die zu bearbeitenden Themen neben dem eigentlichen Nachfolgeprozess in der Regel in drei zusätzliche Prozesse gliedern. Dazu braucht es keinen Riesenaufwand. Wichtig ist lediglich, die Themen zu kennen, zu dokumentieren, zu adressieren und
zu terminieren. Ein abtretender Unternehmer muss während der ganzen Dauer des Ablöseprozesses zukunftsorientiert mitwirken und darf nicht als rückwärtsgewandter Bremsklotz agieren.

  • Der betriebswirtschaftliche Prozess: Dieser besteht normalerweise automatisch in irgendeiner Form. Vergessen wird jedoch oft, dass dieser Prozess durch den Austritt des Übergebers nicht abrupt unkoordiniert geändert wird. Zu wenig Diskussion und Planung kann grossen Schaden verursachen. Hier geht es darum, das kurzfristige Geschäft zu steuern und zu optimieren. Einerseits muss das Bewährte weiter­geführt und genügend Umsatz und Gewinn erwirtschaftet werden. Andrerseits geht es darum, die Kunden und die Mitarbeitenden zu behalten. Sowohl Kunden wie Mitarbeitende sind häufig direkt an den abtretenden Patron gebunden. Der Nachfolger muss das notwendige Vertrauen zuerst verdienen. In der Übergabephase sollten die Zuständigkeiten des Übergebers und des Übernehmers schriftlich festgehalten, zeitlich definiert und kommuniziert werden. Gerade bei familieninternen Nachfolgen ist dies eminent wichtig.
  • Der Change-Prozess: Wie jede grös­sere Veränderung lösen Nachfolgeprozesse Ängste aus, die sich meistens in auftretenden Widerständen äussern. Besonders ausgeprägt sind Widerstände bei Kaderleuten zu beobachten. Der Umgang mit Widerstand gehört zu den Kernthemen eines Change-Managements. Durch eine rechtzeitige Identifikation von Konfliktherden und eine entsprechende Kommunikation lässt sich ein grösserer Schaden vermeiden. Eine externe Moderation ist hilfreich. Hier geht es also darum, die Mitarbeitenden mittels einer guten Kommunikation zu begleiten und situativ gemeinsam eine neue Firmen- und Führungskultur zu entwickeln. Idealerweise startet dieser Prozess schon, bevor der Nachfolger beginnt.
  • Der Firmen-Transformationsprozess: Das Unternehmen wird nach einer Übernahme in fünf Jahren dem heutigen kaum mehr ähnlich sein. Besonders zwei Themen nehmen beim Nachfolger einen grossen Teil seiner Arbeit ein. Er muss sich intensiv mit der Zukunftsstrategie und den für deren Umsetzung notwendigen Innovationen beschäftigen. Zentrale Fragen sind: «Was braucht und will der Kunde? Welchen Mehrwert können wir dem Kunden bieten?» Daraus wird die zukünftige Ausrichtung abgeleitet.

Fazit

Der Glaube, dass Unternehmer trotz ihrer breiten Erfahrung ihre Nachfolge selber regeln können, ist trügerisch. Die emotionale Befangenheit behindert eine objektive Denkweise und Lösungsfindung. Eine ganzheitliche Situationsanalyse, welche mögliche Stolpersteine aufdeckt, sowie eine anschliessende Planung der notwendigen Aktivitäten erleichtern eine optimale Stabsübergabe.

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