Strategie & Management

Leadership I

Stolpersteine beim Einstieg in die neue Führungsrolle

Für angehende Führungskräfte ist der Wechsel in eine Chefposition mit vielen Unsicherheiten und Fragen behaftet: Wie ist die Kultur der Organisation? Wie tickt mein Vorgesetzter? Was erwarten meine Mitarbeitenden? Eines ist klar: Führungserfolg ist nicht planbar. Aber mit geeigneten Massnahmen kann die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht werden.
PDF Kaufen

Ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe besagt: «Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande.» Diese Aussage bestätigen die folgenden drei Beispiele aus der Führungspraxis.

Erfolglos oben

Vera war als Teammitglied bei allen beliebt und hatte sich in der Chefetage wiederholt zum Wohl ihrer Kolleginnen und Kollegen eingesetzt. Nach der Pensionierung ihres Vorgesetzten wurde Vera zur Teamchefin ernannt. Ihre erste Aufgabe bestand darin, drastische Sparvorgaben durchzusetzen, die die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden verschlechterten. So kam es, dass aus der allseits beliebten Kollegin bald eine höchst ungeliebte Chefin wurde, die für die veränderte Situation persönlich verantwortlich gemacht wurde.

Mark war ein angesehener Fachmann und erhielt die Chance, ein Team von fünf Mitarbeitenden zu führen. Auch in seiner neuen Aufgabe arbeitete er wie bis anhin rasch und scheinbar effizient – nun aber fünfmal so viel. Für jedes Problem hatte Mark bereits die Lösung im Kopf, und so begannen sich die Aufgaben auf seinem Tisch zu türmen. «Desktop Manhattan» wurde sein Büro scherzhaft genannt. Und da er scheinbar immer die bessere Lösung parat hatte, zogen sich die Mitarbeitenden zunehmend aus der Verantwortung für ihre Arbeitsergebnisse zurück.

Pia war als Bereichsleiterin eingestellt worden, um frischen Wind ins Unternehmen zu bringen. Mit viel Elan stürzte sie sich in die neue Aufgabe und trieb rasch verschiedene Veränderungen voran. Bald jedoch machte sich bei ihren Mitarbeitenden Unmut breit, und auch vom Vorgesetzten erhielt Pia kaum Unterstützung. In einem wenig dynamischen Unternehmen, das Veränderungen eher kritisch gegenüberstand, löste ihr forsches Vorgehen nur Kopfschütteln und Unverständnis aus.

Diese praktischen Beispiele zeigen, dass die Übernahme einer neuen Führungsposition in einem Unternehmen mit zahlreichen Stolpersteinen und Unsicherheiten behaftet sein kann. Es ist oft nicht einfach, sich in der neuen Rolle zurechtzufinden und die Chancen effektiv wahrzunehmen. Führungserfolg ist deshalb nicht planbar, aber mit geeigneten Massnahmen und dem nötigen Wissen kann die Erfolgsquote erhöht werden.

Erfolgsstrategien

Es ist hilfreich, sich der grundsätzlichen Mechanismen bewusst zu werden, die im Folgenden beschrieben werden. Sie spielen im Führungsalltag eine grosse Rolle und können über Erfolg und Misserfolg entscheiden:

Mit Menschen Ziele erreichen

Ob jemand von der Kollegin zur Teamchefin aufsteigt, von der Fachkraft zur Führungskraft befördert wird oder eine Leitungsfunktion in einem anderen Unternehmen einnimmt: Die Vorgesetztenfunktion ist eine neue Rolle, in der die alten Strategien allein nicht länger Erfolg bringen. Führungskräfte stehen vor der neuen Aufgabe, verschiedene Fähigkeiten und Erwartungen der Mitarbeitenden auf die Unternehmensziele abzustimmen und somit zielgerichteten Einfluss auf andere Menschen zu nehmen. Als Führungskraft ist man nicht mehr nur dafür verantwortlich, dass man selbst eine gute Leistung bringt, sondern vor allem dafür, dass die Mitarbeitenden die erforderliche Performance erreichen. Die Voraussetzung dazu ist, eine gemeinsame Zielvorstellung zu entwickeln und die Stärken der Mitarbeitenden optimal zum Einsatz zu bringen.

Die Organisationskultur erkunden

In jedem Unternehmen gibt es geschriebene und ungeschriebene Gesetze. Diejenigen Informationen, die im Internet und in gedruckten Dokumenten unmittelbar zugänglich sind und ein Unternehmen erfahrbar machen, machen jedoch nur gerade zehn Prozent eines Unternehmens aus. Die anderen 90 Prozent, und damit der grosse Teil der Unternehmenskultur, sind nicht unmittelbar beobachtbar. Dazu gehören Beziehungen zwischen Menschen, Gefühle, Konflikte, Machtverhältnisse, Einstellungen und Werthaltungen. Geschichten, die man sich über das Unternehmen und über einzelne Mitarbeitende erzählt, geben Aufschluss darüber, wie eine Organisation «tickt», welche Normen und Tabus handlungsleitend für die unternehmerischen Vorgänge sind. Gerade für neu eintretende Führungskräfte sind diese Geschichten unter der Oberfläche oft matchentscheidend, ob sie in der Firma Erfolg haben oder nicht.

Die Rolle einnehmen und durchsetzen

Eine Führungsrolle beinhaltet unterschiedliche und zum Teil auch widersprüchliche Herausforderungen. Nur in den seltensten Fällen entsprechen die eigenen Vorstellungen den Erwartungen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Diese Ansprüche auszuhandeln, auszuhalten, sich gegen Widerstände durchzusetzen, die eigenen Grenzen zu erkennen und trotzdem einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist anspruchsvoll. Dazu braucht es zunächst ein analytisches Verständnis. Ziele müssen klar kommuniziert, Prozesse optimiert, die Aufgaben mit den Mitarbeitenden abgestimmt und die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Noch wichtiger als die Logik ist aber für die Führungskraft die sogenannte «Psycho-Logik» (vgl. Abbildung). Dabei geht es nicht um Daten und Fakten, sondern um sogenannte «weiche Faktoren»: Den achtsamen und wertschätzenden Umgang mit Menschen und ihren Enttäuschungen, Wünschen, Hoffnungen und Befürchtungen, mit der (Unternehmens-)Kultur sowie die direkte Kommunikation mit den unterschiedlichen Anspruchsgruppen.

In der Rolle von der Umwelt akzeptiert sein

Der Führungserfolg einer Person ist abhängig von deren Fähigkeiten und Kompetenzen sowie dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld, aber auch von der Akzeptanz der Mitarbeitenden. Die Bewertung des individuellen Verhaltens einer Person ist abhängig von den Normen und Erwartungen, die der jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe zugeschrieben werden. Zum Beispiel wird eine autoritär auftretende Führungsperson unterschiedliche Bilder hervorrufen, je nachdem, ob es sich dabei um einen älteren Mann oder um eine junge Frau handelt. So werden dasselbe Verhalten und die gleichen Eigenschaften zweier Menschen von der Umwelt verschieden wahrgenommen und interpretiert. Diesen Wirkmechanismen muss man sich bewusst sein.

Life-Balance

Durch die steigende Verantwortung ist eine Führungsrolle zu Beginn mit sehr viel Arbeit und Belastung verbunden. Durch diesen Mehraufwand muss auch die Haus- und Familienarbeit neu organisiert werden. Dabei ist oftmals entscheidend, wie weit die Partnerin oder der Partner die Entscheidung mitträgt und einen unterstützt. Zudem ergeben sich laufend neue Fragestellungen: Was bedeutet die neue Aufgabe für die Kinder? Wie kann die Beziehung zu den Angehörigen und Freunden aufrechterhalten und gepflegt werden? Welche zusätzliche Unterstützung ist nötig? Mit der gleichen Sorgfalt wie im Beruf gilt es auch im Privatleben die Bedürfnisse nahestehender Menschen zu respektieren und auszutarieren.

Einstiegshilfen

Die Erkenntnis dieser Mechanismen verhilft zu einem grösseren Verständnis für die Herausforderungen einer neuen Führungsaufgabe. Führungserfolg hängt von vielen Faktoren ab und ist letztlich nicht planbar. Doch es gibt systematische Methoden, die die Gefahr eines Misserfolgs verringern. Die folgenden sieben Punkte helfen beim Einstieg in die neue Rolle:

1. Befördern Sie sich selbst: Ihre bisherigen Erfolgsstrategien sind in der neuen Führungsrolle kein Garant mehr für den Erfolg. Bereiten Sie sich auf Ihre neue verantwortungsvolle Aufgabe vor. Sie müssen nicht beliebt sein, sondern respektiert werden.

2. Entwickeln Sie die optimale Strategie für Ihre Situation: Schätzen Sie mittels einer klaren Analyse die Chancen und Gefahren für Ihre Situation ein. Definieren Sie die wichtigsten Aufgaben und Meilensteine.

3. Sichern Sie sich frühe Erfolge: Frühe Erfolge stärken Ihre Glaubwürdigkeit. In den ersten 100 Tagen müssen Sie Ihrer Umgebung das Gefühl geben, dass von Ihnen Gutes ausgeht.

4. Handeln Sie Ihren Erfolg aus: Führen Sie entscheidende Gespräche mit dem Chef oder der Chefin über die Situation des Unternehmens, Erwartungen, Arbeitsweisen und Ressourcen.

5. Haben Sie Vertrauen in Ihre Mitarbeitenden: Suchen Sie die richtigen Mitarbeitenden für die Aufgabe. Bauen Sie zu ihnen ein Vertrauensverhältnis auf und schieben Sie unangenehme Personalentscheidungen nicht auf die lange Bank.

6. Finden Sie Verbündete: Ihr Erfolg hängt von Ihrer Fähigkeit ab, Menschen zu beeinflussen. Finden Sie die Menschen, deren Unterstützung Sie für Ihren Erfolg benötigen. Und finden Sie heraus, wie Sie sie auf Ihre Seite bringen.

7. Halten Sie Ihr persönliches Gleichgewicht: Halten Sie Ihren inneren Ruhepol auch bei äus­serem Gegenwind. Holen Sie sich von ausgewählten Personen Feedback in schwierigen Situationen.

Diese Punkte zeigen: Gute Führung ist lernbar. Doch damit der Einstieg in die neue Rolle gelingt, braucht es zusätzlich, neben allem andern, auch Humor – und eine Portion Glück.

Porträt