Strategie & Management

Veränderungsmanagement II

Psychologische und sachlogische Herausforderungen

Die digitale Transformation stellt Unternehmen vor grosse Herausforderungen und zwingt dazu, Anpassungen vorzunehmen. Der Beitrag zeigt, welches die Kriterien für einen erfolgreichen Wandel sind und warum neben den sachlogischen Komponenten auch die psychologischen eine grosse Rolle spielen.
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Die heutigen Marktanforderungen und Trends, gepaart mit den betriebsinternen Herausforderungen unserer KMU, zwingen uns zu einem radikalen Umdenken. Am Umfeld lässt sich bekanntlich wenig ändern, es bleibt nur, die Situation als gegeben zu akzeptieren. Also fällt die Anpassung auf jedes einzelne Unternehmen und jede einzelne Person zurück. Es gilt, die Zukunft der Unternehmen durch Agilität und Veränderungsbereitschaft schnellstmöglich zu sichern. Wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, ist zeitgleich psychologische und sachlogische Anpassung gefragt.

Marktanforderungen an KMU

Der Markt verlangt von KMU einiges ab. Die folgenden zehn Punkte fassen die wichtigsten Anforderungen zusammen:

Bedingungslose Kundenorientierung

B2C war gestern. Heute ist C2B. Der Kunde wünscht ein «massgeschneidertes Angebot», ist top informiert und diktiert seine Vorstellungen. Die Nähe zum Kunden sowie die intensive Zusammenarbeit sind matchentscheidend geworden. Je persönlicher man den Kunden kennt und je mehr man über seine Verhaltensmuster und Bedürfnisse weiss, umso besser.

Ideales Preis-Qualitäts-Verfügbarkeits-Verhältnis

Das ideale «Preis-Leistungs-Verhältnis» ist Schnee von gestern. Heute geht es um Preis, Qualität und schnelle Verfügbarkeit. Verlässlichkeit, Freundlichkeit, Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit werden als Standard vorausgesetzt und dienen kaum mehr als Differenzierungsmerkmal.

Erfolgsorientierte Vermarktung

In der heutigen Informationsflut wird die geschickte und auf den Kunden zugeschnittene Vermarktung eines Unternehmens, Produktes oder einer Dienstleistung zu einem Erfolgskriterium. In den meisten Fällen existieren bereits gleichwertige Alternativprodukte. Somit werden die Unternehmenskommunikation und das Marketing für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend.

Ausspielen von Alleinstellungsmerkmalen

Um im Angebotsdschungel sichtbar zu bleiben, sind das gezielte Herausstellen der Alleinstellungsmerkmale und deren entsprechende Vermarktung ein Muss. An­bieter gibt es wie Sand am Meer, nur macht nicht zwingend immer nur das beste Produkt das Rennen. Alleinstellungsmerkmale sind einfache und für jedermann finanzierbare Ansatzpunkte zur Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern.

Ausgeprägte Innovationskultur

Stetig am Puls der Zeit zu bleiben, jegliche Innovationsförderung zu unterstützen und mutig zu sein, wird sich künftig auszahlen. Die Zeiten, in denen man davon ausgehen konnte, dass die nächsten fünf Jahre ungefähr den letzten fünf Jahren entsprechen, sind vorbei. Die Markteintrittsbarrieren sind aufgrund der Digitalisierung in vielen Branchen noch nie so niedrig gewesen.

Neue Arbeitsmodelle

Die bisherigen Arbeitsmodelle haben schon vielerorts ausgedient. Das Arbeitsmodell der Zukunft basiert auf Selbst­bestimmung, Freiheit und Individualität. Kooperationen, strategische Partner­schaften und Alternativlösungen zum
klassischen Arbeitnehmermodell gewinnen an Stellenwert.

Validierter Einsatz neuer Technologien

Der Einsatz neuer Technologien wird nur in den seltensten Fällen darüber entscheiden, ob ein gutes Unternehmen zu einem Spitzenunternehmen mutiert. Es lohnt sich aber, technologische Neuerungen zu prüfen, mit den eigenen Bedürfnissen abzugleichen und diese, wenn als sinnvoll erachtet, mutig und als Vorreiter einzusetzen. Wir dürfen fest davon ausgehen, dass alles, was sich automatisieren lässt, in naher Zukunft auch auto­matisiert wird.

Angepasste Unternehmenskultur

Der Markt verlangt nach einer Unternehmenskultur, in der Mitarbeitende Gehör finden. Dazu gehört auch ein auf die neue Generation abgestimmtes Wertesystem, welches auf Vertrauen, Eigeninitiative und Sicherheit beruht. Letztinstanzlich kann es sogar bedeuten, dass die Führungskultur vollumfänglich geändert werden muss.

Gezielte Informationsbeschaffung

Es war noch nie so wichtig wie heute, sich gezielt Informationen und Wissen in den Betrieb zu holen. Unter gezielter Informationsbeschaffung verstehen wir sowohl das Wissen um innerbetriebliche Sachverhalte wie Leistungserbringung, Finanzen, Personal, Prozesse, als auch ausserbetriebliche Gegebenheiten wie Markt, Trends, Mitbewerber und Kundenbedürfnisse. Wissenslücken im eigenen Unternehmen oder in dessen Umfeld sind gezielt zu identifizieren und zu eliminieren.

Umfassende Aus- und Weiterbildung

Der Fachkräftemangel in den heute bestehenden Berufsgattungen wird sich auch künftig nicht abschwächen. Wer also überzeugt ist, dass sein Unternehmen auch in zehn Jahren noch von Bedeutung ist, sollte sich der qualitativ hochwertigen Ausbildung von neuen Arbeitskräften sowie der Weiterbildung des Personals tunlichst annehmen.

Lösungsansätze aus der Vergangenheit dürften es in der heutigen Zeit ungleich schwerer haben. Wir sind es bisher gewohnt, Lösungen aus den bereits gemach­ten Erfahrungen heraus zu entwickeln und umzusetzen. 

Über Generationen sind wir Herausforderungen wie folgt angegangen: Offensichtlicher Wandlungsbedarf fördert die Entwicklung neuer Ideen, diese werden im Anschluss umgesetzt und führen im Idealfall zum gewünschten Ergebnis. Dieses System funktionierte gut, weil man es in den letzten Jahrzehnten in vielen Branchen kaum mit fundamentalen Neuerungen seitens des Marktes zu tun hatte.

Veränderung als Konstante

Es ist uns nicht möglich, sämtliche Entwicklungen vorherzusehen. Wir stehen am Anfang einer neuen Ära, von der wir erste Tendenzen wahrnehmen. Gerade genug, um uns in überschaubarer Weise ausmalen zu können, in welche Richtung es gehen wird. Das bedeutet, dass wir unter dem Anspruch von Agilität unsere Geschäftsmodelle überprüfen und eine neue Denkhaltung einnehmen müssen. Das Einzige, was in dieser unsicheren Zeit einigermassen konstant bleiben wird, sind die Ziele in unserem privaten und beruflichen Leben.

Doch woher kommen diese neuen Wandlungen? Jack Ma, Gründer von Alibaba, bringt es auf den Punkt: «Nicht die Technologie selbst, sondern die Ideen und Träume hinter der Technologie werden die Welt verändern.» Sie entwickeln sich somit aus unserem persönlichen Vorstellungsvermögen. Das war schon immer so. Alles, was der Mensch schuf, waren zunächst Ideen, die physisch greifbar umgesetzt wurden. Bis zum digitalen Zeitalter ging allerdings alles etwas langsamer, geruhsamer vor sich. 

Die heutige Zeit soll keine Angst machen. Sie beinhaltet Chancen, die in dieser Form, in Grösse und Anzahl noch nie dagewesen sind. Um sie wahrzunehmen, benötigen wir einen Perspektivenwechsel. Bekanntlich führt Unsicherheit zu Kreativität, verbunden mit viel Energie. Die Frage ist also nicht, ob wir uns mit den neuen Tatsachen und der neuen Ausgangslage anfreunden wollen oder nicht. Vielmehr stellt sich die Frage, wann wir so weit sind und wann wir aktiv mit der Suche nach Lösungen beginnen wollen. 

Veränderungen in den KMU

Gemäss dem Bundesamt für Statistik stel­len KMU, also Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten, mehr als 99 Prozent der marktwirtschaftlichen Unternehmen in der Schweiz. Sie beschäftigen rund drei Millionen Erwerbstätige, was in etwa zwei Drittel der Arbeitsplätze entspricht.

KMU haben ein starkes Selbstbewusstsein entwickelt. Sie sind stolz darauf, KMU zu sein. Dieser Stolz bezieht sich gemäss einer aktuellen «WIR-KMU-Studie» der WIR-Bank vor allem auf Faktoren wie Kundennähe, Leistungskompetenz, Flexibilität, Produktangebot und Mit­arbeitende. Wesentlich weniger häufig genannt werden Kriterien wie Unternehmensentwicklung, finanzieller Erfolg, guter Ruf des Unternehmens oder funk­tionierende Prozesse. So behauptet gerade einmal die Hälfte der KMU von sich, derzeit äusserst erfolgreich am Markt  tätig zu sein. Mit Bezug auf die Zukunft sind es sogar noch weniger.

Dies deckt sich auch mit den persönlichen Recherchen und Erfahrungen des Autors. Er stösst regelmässig auf die Tatsache, dass Unternehmen mit Nachdruck versuchen, mit alten Erfolgs­re­zepten sowie seit Jahren unveränderten Leistungen im Markt zu bestehen. Gewinn- und Effizienzmaximierung reicht in der heutigen Zeit aber bei Weitem nicht mehr aus. Die alten Spielregeln funk­tionieren nur noch bedingt. Dort, wo dies noch nicht spürbar ist, wird es sich zeitnah einstellen. 

In sämtlichen Branchen sind Unternehmen zu finden, die ihren Hausaufgaben vorbildlich nachkommen. Dies zeigt sich nicht nur an der Art und Weise, wie Leistungen erbracht werden, es schlägt sich auch 1:1 im Erfolg nieder. Leider ist ein beachtlicher Teil der KMU weit entfernt davon, den genannten neuen Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Die grössten Herausforderungen dieser Unternehmen finden sich nicht nur in der Art der Leistungserbringung, sondern in gelebten Werten, Innovation, Ideologie und Agilität. Das jahrzehntelange Drilling auf Disziplin und Effizienz sowie sogenannten Dienst nach Vorschrift genügt den neuen Herausforderungen nicht. Es muss umfassenden Neuerungen weichen.

Handlungsempfehlungen 

Dass Dringlichkeit zur Anpassung gegeben ist, steht nach den bisherigen Ausführungen ausser Frage. Doch was benötigt man denn für diese Anpassung? Vier Komponenten müssen erfolgreich zusammenspielen: Vision, Wandlungsfähigkeit, Wandlungsbereitschaft und ein Aktionsplan. Alle vier Kriterien verfügen über eine sachlogische und eine psychologische Komponente und alle vier Kriterien sind für den erfolgreichen Wandel notwendig, wie die Tabelle aufzeigt.

Vision

Man benötigt als Erstes eine Zukunfts­perspektive – eine Vision, ein Ziel. Was will man persönlich und geschäftlich erreichen, und zwar um jeden Preis? Hat man die Fähigkeit, etwas zu ändern, die Bereitschaft und einen entsprechenden Plan, aber keine Vision, ist das Handeln ohne konkretes Ziel und damit zum Scheitern verurteilt. Es entstehen bestenfalls die immer wieder angetroffenen «Feuerlöschübungen».

Wandlungsfähigkeit oder Wandlungsbereitschaft

Die Unternehmen müssen sowohl auf menschlicher als auch auf sachbezogener Ebene Voraussetzungen schaffen, um überhaupt etwas ändern zu können. Dazu bedarf es in Anlehnung an das Buch «Excellence in Change: Wege zur strategischen Erneuerung» von Prof. Dr. Wilfried Krüger und Prof. Dr. Norbert Bach der Wandlungsfähigkeit und der Wandlungsbereitschaft.

Die Wandlungsfähigkeit bezeichnet die auf geeigneten Befähigern beruhende Möglichkeit eines Einzelnen beziehungsweise einer Organisationseinheit oder der Unternehmung insgesamt, Wandlungsprozesse erfolgreich durchzuführen. Neben personellen (zum Beispiel Wissen und Können der Beteiligten) sowie unternehmungsbezogenen Befähigern (zum Beispiel flexible Strukturen und Prozesse) sind auch technische Befähiger wie der modulare Aufbau von Produktions- oder Informationstechnik von Bedeutung.

Die Wandlungsbereitschaft hingegen umfasst die auf inneren Einstellungen sowie auf Nutzenkalkülen beruhende Haltung gegenüber den Zielen und Massnahmen des Wandels (Einstellungsakzeptanz) sowie die Neigung, aktiv am Wandel mit­zuwirken (Verhaltensakzeptanz). Fehlen ein oder beide Faktoren, ist die Umsetzung ineffizient oder stockend.

Aktionsplan

Wenn sowohl das Ziel, also die Vision, wie auch Fähigkeiten und Bereitschaft gegeben sind, müssen konkrete, greifbare Massnahmen folgen – ein Aktionsplan samt rigoroser Umsetzung. Ohne konkreten Plan beziehungsweise ohne konkrete, terminierte und adressierte Massnahmen ist das Vorgehen unkoordiniert und es wird sich nur wenig bis garnichts bewegen.

Erfolgreiche Transformationen beinhalten wie bereits angedeutet sowohl die psychologische als auch die sachlogische Komponente. Zur Sachlogik gibt es unzählige Ratgeber, welche zur digitalen Anpassung von Geschäftsmodellen, Strategien, Strukturen und Prozessen aufrufen. Wer sich davor verschliesst, sein Geschäftsmodell, seine Strategie, seine Organisation und Strukturen zu überdenken, bewegt sich auf sehr dünnem Eis. Ob es Anpassungsbedarf gibt, ist individuell und betriebsabhängig. Doch wer einfach zuwartet, muss damit rechnen, dass er von der Technologie respektive seinen Mitbewerbern ein- beziehungsweise überholt wird, siehe das Beispiel der digitalen Fotografie oder die Entwicklung in der Telefonie. 

Der psychologische Aspekt ist aus genannten Gründen aber genauso wichtig. Jeder, der selber am Ball bleiben möchte und auch künftig auf Mitarbeitende angewiesen sein wird, tut gut daran, seine persönliche Einstellung zu den neuen Gegebenheiten zu hinterfragen und allenfalls anzupassen. 

Wir sprechen hier von Softfaktoren wie Passion, Arbeitsmoral, Selbstdisziplin, Führungs-, Entscheidungs- und Fehler­kultur, Motivation etc. Wer Mut, Ideenreichtum, Individualität und Einsatz­bereitschaft nicht gezielt fördert, wird über kurz oder lang mit Problemen konfrontiert sein. Einerseits werden ihm aufgrund mangelnder Attraktivität als Arbeitgeber die künftigen Arbeitskräfte fehlen, andererseits wird er kaum mit den sich äusserst schnell ändernden Markt­bedingungen mithalten können.

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