Strategie & Management

Leadership

Prioritäten setzen und erfolgreich umsetzen

Prioritäten für Projekte und Aufgaben festzulegen und sie auch umzusetzen, gehört zu den Grundpfeilern der Unternehmensführung. Der Beitrag zeigt, wie das mit der «Rocks»-Methode gelingen kann.
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Die richtigen Prioritäten festzulegen und zu erreichen, ist ein wichtiger Baustein 
jedes Unternehmens. Dennoch scheitern Führungspersonen häufig daran. Ein Teil macht genaueste Ziel- und Terminvorgaben und kontrolliert mit rigorosem Management die Erfüllung. Das Ergebnis ist häufig auf der einen Seite ein demotiviertes Team, das unter dem Mikromanagement zu ersticken droht. Und auf der anderen Seite ein überforderter Manager, der alles genau im Auge behalten möchte. 

Ein anderer Teil der Führungskräfte hat sich abgekehrt vom Mikromanagement und möchte dem Team Autonomie und damit Motivation geben. Aber leider fehlt in diesem Fall häufig Methodik, zielorientiert und effektiv zu arbeiten. Am Ende steht ein fröhliches, aber un­effektives Team. 

Prioritäten oder «Rocks»

Bei der Definition von Prioritäten kann man zwei Ansätzen folgen:

  • Für jeden Mitarbeitenden Prioritäten und Aufgaben mit den jeweiligen Terminen der Fertigstellung festsetzen. Hat eine Führungskraft ein Team von sechs Mitarbeitenden mit im Durchschnitt jeweils fünf Prioritäten, bedeutet das, 30 verschiedene Termine und Prioritäten laufend im Auge zu behalten. Dabei den Überblick zu behalten und dennoch Freiraum zu lassen, stellt für die Führungskraft eine Herausforderung oder Überforderung dar. 
  • Der zweite Ansatz besteht darin, das System auf den Kopf zu stellen und einen einzigen Termin für alle Mitar­beitenden des Teams festzulegen und diesen mit Aufgaben aufzufüllen. Der Zeitraum zwischen zwei Terminen beträgt üblicherweise 90 Tage und diese Art zu arbeiten heisst, Rocks zu nutzen.

Die Bezeichnung «Rocks» stammt von Stephen Covey und erzählt eine Analogie: Wird ein Gefäss zunächst mit Wasser, anschliessend Sand, kleinen Steinen und zum Schluss mit grossen Steinen (also Rocks) aufgefüllt, passt nicht alles hinein. Wird es in umgekehrter Reihenfolge gemacht, geht es erstaunlicherweise. 

In der Analogie stehen «Rocks» für die Projekte, Aufgaben und Dinge, die das Unternehmen nach vorne bringen, häufig aber nicht dringend sind. Die Steine repräsentieren andere Aufgaben. Der Sand steht für Meetings, Telefonate, E-Mails, Kommunikationen et cetera. Und das Wasser für
alles Weitere im Arbeitsalltag. 

Die Vorgehensweise

«Rocks» werden in einem Quartalsmeeting alle 90 Tage festgelegt. Als Vorarbeit macht sich jedes Teammitglied über die Prioritäten für die nächsten 90 Tage Gedanken. Am Beginn des Meetings wird zunächst der Termin für das folgende Meeting festgelegt, denn die Rocks sind nicht zum Quartalsende fällig (also nicht am 31. März, 30. Juni etc.), sondern an dem Tag, auf den das Meeting fällt. Nur so kann eine genaue Durchsicht statt­finden, was geschafft wurde, was nicht und warum.

Als Erstes werden die «Rocks» des Unternehmens festgelegt, die drei bis sieben Prioritäten, die den grössten Effekt auf das Unternehmen als Ganzes haben. Dazu gibt es drei Schritte:

Erster Schritt

In einem ersten Schritt werden die Vorschläge jedes Teilnehmers auf einem Whiteboard aufgelistet. Dieser Schritt wird kritikfrei durchgeführt, um jedem Teilnehmer des Meetings die Möglichkeit zu geben, seine Vorschläge vorzubringen. 

Zweiter Schritt

Erst wenn alle Möglichkeiten am Board stehen, beginnt die Debatte darum, welche drei bis maximal sieben Vorschläge am Ende die tatsächlichen Prioritäten des Unternehmens bilden werden. Um das Meeting produktiv zu gestalten, wird die Liste rotativ von oben nach unten durchgegangen mit jeweils drei Bewertungsmöglichkeiten: 

  • Bleibt. Der Vorschlag bleibt stehen, denn er gehört wahrscheinlich zu den drei bis sieben Rocks des Unternehmens.
  • Raus. Der Vorschlag wird gestrichen. Er mag interessant sein, aber verglichen mit anderen hat er weniger Effekt auf das Unternehmen und gehört nicht zu den maximal sieben Rocks.
  • Kombinieren. Können zwei gelistete Vorschläge ein ganzheitliches Projekt abgeben, können die beiden kombiniert werden. 

Bei der Debatte vertreten alle Teilnehmer aktiv ihre Meinung, mit dem Ziel, die drei bis sieben maximalen Prioritäten des Unternehmens für die nächsten 90 Tage festzulegen. Üblicherweise ist es notwendig, die Liste mehr als einmal mit «bleibt, raus, kombinieren» zu durchlaufen. Als Nebenprodukt wird bereichsübergreifende Kommunikation geschaffen, mehr Verständnis für das Unternehmen im Allgemeinen,
Akzeptanz der Prioritätensetzung und bessere Kommunikation im Team.

Dritter Schritt

Stehen die maximal sieben Prioritäten fest, werden folgende Fragen gestellt:

  • Schaffen wir das? Es kommt vor, dass die Vorschläge sich gut lesen, es aber zu viel ist. Alle Teilnehmer müssen überzeugt sein, dass die «Rocks» zu schaffen sind, um Verbindlichkeit und Verantwortung im Team zu erzielen.   
  • Wer macht was? Wie bei jeder Auf­gabenverteilung ist auch hier wichtig, dass klar definiert ist, wer für welchen «Rock» verantwortlich ist. Es kann immer nur eine Person sein, auch wenn mehrere daran arbeiten. Die gewählte Person ist unter anderem dafür zuständig, Meetings anzuberaumen, Arbeiten zu koordinieren, zu loben und zu hinterfragen, sprich, alles zu tun, damit am Ende der Rock innerhalb des Zeitfensters geschafft wird.
  • Fehlt etwas? In dem Moment, wenn die gewählten Rocks gut sichtbar am Board stehen, wird noch einmal gefragt, ob eventuell etwas übersehen wurde: «Wenn wir alles schaffen, werden wir dann ein tolles Quartal gehabt haben? Oder fehlt etwas?» In etwa zehn Prozent der Fälle ist mit einer Änderung zu rechnen. 
  • Sind die Rocks «smart»? Das Akronym kommt aus dem Englischen und steht für specific, measurable, attainable, relevant und timely. Übersetzt: spe­zifisch, messbar, erreichbar, relevant und zeitlich abgegrenzt, wobei der letzte Punkt durch den Termin für das neuerliche Quartalsmeeting abgedeckt ist. 

Individuelle Prioritäten  

Stehen die drei bis sieben wichtigsten Rocks des Unternehmens fest, werden die «Rocks» aller Teilnehmer festgelegt:  

  • Jeder Teilnehmer schreibt für sich seine eigenen Rocks auf. Im Management- Team sind das üblicherweise drei bis sieben, bei mehr operativ tätigen Teammitgliedern einer bis drei. 
  • Sind alle fertig, liest ein Freiwilliger seine Rocks vor. 
  • Die Teammitglieder geben Feedback, ob etwas fehlt, zu viel ist oder zu wenig und ob die «Rocks» «smart» sind. Die Entscheidung, etwas zu ändern, sollte nach Möglichkeit bei der jeweiligen Person liegen. Es entsteht Umverteilung der Verantwortung, weg von den Schultern der Führungsperson. Die Gruppe als Ganzes kommt zum Tragen und dem Einzelnen wird Autonomie und damit Motivation geschenkt. 
  • Nach dem Feedback liest die im Uhr­zeigersinn nächste Person die eigenen «Rocks» vor, bis am Ende alle Personen ihre Rocks definiert haben.

Stellt die Führungsperson fest, dass eine Person nicht in der Lage ist, die richtigen «Rocks» zu definieren, ist gegebenenfalls ein orientierendes Gespräch ausserhalb der Runde zu suchen. Als Grundregel sollte gelten, dass die definierten «Rocks» anschliessend und ausserhalb des Meetings nicht mehr geändert werden. 

Das Ziel des Meetings ist erreicht, wenn die drei bis sieben Rocks des Unternehmens und die individuellen «Rocks» festgelegt sind. Diese werden in einem Dokument zusammengetragen.

Das Follow-up 

In einem Zeitraum von weniger als zehn Tagen werden die «Rocks» des Unternehmens allen Mitarbeitenden in einem «all-hands-meeting» vorgestellt. Es entsteht Klarheit ob der Prioritäten im Unternehmen, verbesserte Kommunikation, mehr Übernahme von Verantwortung. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass die «Rocks» erreicht werden, steigt. 

Das Wort «Prokrastination» stammt vom Lateinischen ab, «procrastinare» bedeutet vertagen. Um dem entgegenzuwirken, wenn die anfängliche Begeisterung über die Rocks abfällt und die Umsetzung dem tagtäglichen Business as usual zum Opfer fällt, wird ein wöchentliches Meeting eingeführt, um den «Rocks» den Puls zu messen. 

Wöchentliches Meeting

An dem wöchentlichen Stand-up-Meeting nehmen dieselben Personen teil, die im Quartalsmeeting die «Rocks» definiert haben. Besteht bereits ein wöchentliches Meeting, kann der folgende Ablauf in die Agenda eingebaut werden. 

Status-quo-Abfrage

Es wird der Status quo jedes «Rocks» abgefragt. Dazu wird der Titel des «Rocks» vorgelesen und die verantwortliche Person antwortet mit on track oder off track, was so viel heisst wie: «Ja, ich bin überzeugt, den ‹Rock› bis zum Abgabetermin erledigen zu können», oder eben: «Nein, ich schaffe es nicht.» In diesem Durchlauf, der nicht länger als fünf Minuten dauert, findet keine Debatte statt. Alle «Rocks», die «off track» sind, werden notiert.

Debatte

Erst nachdem alle «Rocks» vollständig abgefragt wurden, kann eine Debatte be­ginnen, um off tracks wieder on track zu bringen. Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern um Hilfestellung als Team. Deshalb wird zu jedem «Rock» gefragt:

«Was hat sich geändert seit letzter Woche, warum ist der Rock jetzt off track, vorher nicht?»

«Wie können wir als Team helfen, dass der Rock noch zu schaffen ist?»

Mögliche aus einer Diskussion entstehenden Aufgaben werden schriftlich festgehalten.

Die 90-Tage-Welt  

Sind «Rocks» auf allen Ebenen eingeführt, werden zwei Ziele erreicht:

  • Mehr Fokus im gesamten Unternehmen
  • Effektivere Umsetzung 

Zu den Nebenwirkungen gehören eine verbesserte Kommunikation und eine gesteigerte Motivation. Ist ein Unternehmen in der Nutzung von «Rocks» geübt, holt die Führungsperson Vorschläge für «Rocks» im eigenen Team vor dem Quartalsmeeting ein. Aus einer Top-down-Definition von Prioritäten wird ein Down-up-down, was zu erhöhter Zufriedenheit im Team führt. 

Im folgenden Quartalsmeeting wird zunächst ein Rückblick abgehalten, um aus den letzten 90 Tagen zu lernen. Im Konkreten heisst das für die Agenda, zunächst die «Rocks» abzufragen, welche endgültig geschafft wurden. Das Ziel ist, mehr als 80 Prozent aller «Rocks» komplett erledigt zu haben. Anschliessend werden diese Fragen beantwortet: «Was müssen wir beim nächsten Mal besser machen? Was haben wir gelernt?» Bei diesem Zyklus entstehen eine Umverteilung der Verantwortung, und zwar weg von den Schultern der Führungskräfte, hin zu den Teammitgliedern, mehr Mo­tivation durch eine erhöhte Autonomie, mehr Fokus und durch einen kontinuierlichen Lernprozess Verbesserungen bei der Effektivität, der Kommunikation und der Zusammenarbeit.

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