Strategie & Management

Kolumne

Onboarding-Fallen ­umschiffen

Eine stabile Mannschaft aufzubauen, endet nicht damit, gute Leute zu gewinnen, sondern sie auch zu halten. Der Beitrag zeigt fünf Fallen, mit denen Sie neue Teammitglieder schnell wieder verlieren.
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Vielleicht zählt Ihr Unternehmen zu den glücklichen, die zu Jahresbeginn tolle neue Leute gewinnen konnten. Attrak­tiver Arbeitgeber zu sein, leistungsstarke Teammitglieder zu finden und eine starke und stabile Mannschaft aufzubauen, steht nahezu bei all unseren Klienten auf der Prioritätenliste sehr weit oben – wenn nicht ganz oben. Der Jahresstart ist üblicherweise eine Zeit, in der mehr Wechsel vollzogen werden als üblich, sodass Sie, wenn diese Ausgabe erscheint, bereits einen guten zweiten und auch dritten Eindruck Ihrer neuen Hoffnungsträger haben gewinnen können.

Damit nicht nur das Gewinnen des neuen Teammitglieds erfolgreich gelingt, sondern auch die Phase des Onboardings mit viel Energie und Motivation abgeschlossen werden kann, finden Sie folgend erfahrungsgestützt fünf Fallen, die es, für einen wirklich gelungenen Start, zu umschiffen gilt.

Das Bemühen endet mit der Zusage, dann folgen ein administrativer Akt und die Anschlusslosigkeit.

Ein grosser Fehler im Beziehungsaufbau zum neuen Teammitglied entsteht, wenn nach der Unterzeichnung des Vertrags das Interesse spürbar abebbt. Bis zu diesem Moment stehen alle Türen offen, ab diesem Moment startet ein definierter Prozess und wer Glück hat, findet zum Starttag einen Blumenstrauss oder eine Karte auf seinem Schreibtisch. Achten Sie darauf, dass das Bemühen um die Person zwar auf eine andere Stufe ge­hoben, aber aufrechterhalten bleibt und somit nicht das Gefühl entsteht, «ein ­administrativer Akt» zu werden. 

Stellen Sie eine konkrete nicht nur fachliche, sondern kulturelle Einarbeitung ­sicher, die Anschluss ermöglicht. Benennen Sie Ansprechpersonen und setzen Sie gemeinsame Ziele für die Einarbeitung mit regelmässigen Austauschen. Startgespräche mit allen direkten Kol­leginnen und Kollegen, die eine Vorstellung ermöglichen und den jeweiligen Verantwortungsbereich sowie die neuen Schnittstellen offenlegen, sind hierzu eine weitere gute Ergänzung.

Es liegt nicht an ihnen – es liegt an Ihnen.

Auf Begeisterung folgt Zuversicht, folgt Ernüchterung. Endlich wurde jemand gefunden und eingestellt – mit diesem Teammitglied wird alles besser. Jetzt schaffen wir die nicht erledigten Auf­gaben! Vielleicht kommen Ihnen diese Punkte bekannt vor. Nach dem ersten sehr guten Eindruck folgt ein zweites, verhalteneres Feedback und dann möglicherweise eine Enttäuschung. Häufig auch von den gleichen Führungskräften an die Unternehmensleitung herange­tragen. Woran liegt es? Liegt es an dem neuen Kollegen oder der neuen Kollegin? Oder hängt es etwa mit dem bestehenden Team zusammen? Sollte Ihnen regelmäs­sig auffallen, dass zu Beginn hohe Erwartungen am Ende nicht erfüllt werden, dann mag das auch an einer Fehleinschätzung des Kandidaten oder der Kandidatin liegen, aber häufig lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen und Sie finden Bremsen, die musterhaft beim Onboarding stören und so dafür sorgen, dass sich zu Beginn erkanntes Potenzial nicht entfaltet. Es ist nicht gelernt, wie ein neue Person wirklich in ein bestehendes Team hineinwachsen kann.

Wenn Sie beobachtet haben, dass Hoffnungsträger diese nicht erfüllt haben, dann hinterfragen Sie die Führung und hinterfragen Sie die Gestaltung der ersten Wochen am neuen Arbeitsplatz. Was muss das nächste Mal gegeben sein, damit ein sorgsam ausgewählter Mensch den Erwartungen und Anforderungen wirklich gerecht werden kann? Und wer trägt Sorge dafür?

Den 100-Tage-Check vergessen

Viele Unternehmen haben eine klare Vorstellung über die ersten Tage oder die erste Woche und eine ausführliche Stellenbeschreibung. Aber was passiert dazwischen? Wie kann das neue Teammitglied dieser Stellenbeschreibung und den damit verbundenen Ansprüchen gerecht werden? Häufig ist die Selbstständigkeit des neuen Teammitglieds noch nicht gross genug, es entsteht Unsicherheit, vielleicht sogar Frustration. Eine gute Einarbeitung beschränkt sich nicht auf die ersten Wochen, sondern nimmt einen grösseren Zeitraum in den Blick – exemplarisch 100 Tage. Die ersten Tage sollten möglichst konkret durchdacht sein, sodass kein Leerlauf, aber auch keine Überforderung entstehen. Die Einarbeitung sollte Teamaufgabe sein und nicht nur von einem erfahrenen Mit­arbeiter oder der neuen Führungskraft übernommen werden. Wer ist für was ­Experte? Wer ist für was Massstab? Wer sollte deshalb auch genau welches Thema vermitteln? Inhalte und Ziele der ersten 100 Tage sind dabei mit dem neuen Kollegen final zu definieren. Sie sind zu Beginn konkreter, sollten beschlossen, besprochen und nachverfolgt werden.

Ein erfolgreiches Fazit nach 100 Tagen kann zu einem tollen Gespräch zum Abschluss der Probezeit oder dem möglicherweise sogar vorzeitigem Ende einer Probezeit führen und ein Symbol der neuen Gemeinschaft darstellen. 

Die Vertrauensfalle schnappt zu

Zu Beginn einer Zusammenarbeit aufgebautes Vertrauen knüpft ein sehr stabiles Band zwischen Mitarbeitern und Unternehmen – denn beide gehen mit einem Vertrauensvorschuss in eine hoffentlich langfristige Beziehung. Dennoch besteht die Gefahr, dass neue Teammitglieder von Informationen ausgeschlossen oder noch nicht als vollwertige Teammitglieder behandelt werden. Wenn das geschieht, schnappt die Vertrauensfalle zu und die Bindung an das Unternehmen kann von Beginn an mit einer kleinen, aber spürbaren Sollbruchstelle versehen werden. Das geschieht häufig, wenn im Unternehmen Angst vor zu schneller, zu grosser Transparenz oder einem Know-how-Verlust besteht.

Seien Sie offen, durchlässig und klar. Hierzu zählen auch die strategische Klarheit und das Gespräch über Wurzeln und Zukunft des Unternehmens. Halten Sie sich mit zur Position passenden Erörterungen nicht zurück, decken Sie mögliche interne Witze, Abkürzungen und Geschichten auf, um der Willkommens-Kultur in Ihrem Unternehmen den richtigen Rahmen zu geben.

Leider zu viel Abstand

In den vergangenen Monaten und Jahren war es zeitweise sehr schwierig, räum­liche Nähe aufzubauen – aber es war möglich, wenigstens phasenweise. Nähe ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor eines gelungenen Onboardings. Persönliche Anbindung ist durch kaum etwas zu ersetzen und vermittelt so viele kulturelle und inhaltliche Aspekte, wie es niemand in einem Plan niederzuschreiben vermag. Nähe schafft nicht nur ein gemeinsames Arbeiten, sondern ein gemein­sames Erlebnis. Wann immer es Ihnen ­möglich ist, lassen Sie ein neues Teammitglied nicht allein, setzen Sie es nicht in ein Einzelbüro oder lassen Sie es auch nicht dauerhaft im Homeoffice. 

Persönliche ungeplante und unterminierte Interaktion ist ein zentraler Erfolgsfaktor eines gelungenen Onboardings. Das Beobachten von Reaktionen und Verhalten, der Flurfunk, das gemeinsame Mittagessen oder der Nachmittagskaffee sind simpel, aber bedeutend.

Fazit

Aller Anfang ist schwer? Ich denke nicht. Natürlich ist es nicht leicht, tolle neue Fachkräfte zu finden. Die Anstrengungen dürfen allerdings nicht mit dem Tag der Einstellung enden. Denn viel besser als häufiger neue Fachkräfte suchen und Wechsel ausgleichen zu müssen, ist, tolle Leute auf ihrem anfänglichen Motivationsniveau zu halten, zu entwickeln und zu persönlichem Wachstum zu führen. 

Jedes neue Teammitglied bedeutet Arbeit. Arbeit in der Führung, aber auch für jeden einzelnen direkten Kollegen, denn ein bestehendes System muss sich umformen. Das ist anstrengend. Bleiben Sie dran und bleiben Sie als Führungskraft auch nicht alleine verantwortlich, sondern nehmen Sie Ihr Team in die Pflicht. Häufig wird der Wunsch an uns heran­getragen, dringend neue Teammitglieder zu brauchen. Aber was passiert dann? Was passiert, wenn die neuen Kollegen gefunden sind? Nimmt man sich dann Zeit, um die Einarbeitung bestmöglich mitzugestalten? Ein erfolgreiches Onboarding ist immer eine Teamleistung. Bestehen Sie darauf.

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