Strategie & Management

Unternehmensführung

Neue Kompetenzen für eine digitale Welt

Jeder spricht darüber. Kaum einer versteht ihn wirklich. Die einen sehen in ihm eine grosse Chance. Und den anderen macht er schlichtweg Angst. Die Rede ist vom digitalen Wandel. Ein Blick ins Silicon Valley zeigt, welche Kompetenzen in der sogenannten Vuca-Welt gefragt sind.
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Wir alle stehen dem digitalen Wandel mehr oder weniger gespannt gegenüber. Von freudig erregt bis angsterfüllt – alle Emotionen sind vertreten. Aber egal, wie wir dem Wandel auch gegenüberstehen, er ist hier. Und wird auch nicht mehr verschwinden. Nun liegt es an jedem Einzelnen, zu entscheiden, ob er den Wandel aktiv mitgestalten möchte. Eines ist aber sicher. Die Digitalisierung hat uns in die sogenannte «Vuca»-Welt befördert. Eine Welt, die gezeichnet ist von einer hohen Dynamik (Volatility), grosser Unsicherheit (Uncertainty), steigender Komplexität (Complexity) und geringer Planbarkeit (Ambiguity). Eine Welt, in der jeden Tag neue, innovative Geschäftsmodelle entstehen, die etablierte Unternehmen in die Knie zwingen. Und sichergeglaubte Unternehmenszweige zerstören. Beispiele hierfür gibt es zahlreiche, denken wir an Kodak, Nokia oder die gute, alte CD.

Kompetenzen

Um die Digitalisierung für das eigene Unternehmen nutzen zu können, müssen wir verschiedene Kompetenzen und Kenntnisse mitbringen. Welche das sind, zeigt uns ein Blick ins Silicon Valley.

Kunden (wirklich) verstehen
Die eigenen Kunden zu kennen, dürfte den meisten Unternehmen nicht besonders schwerfallen. Kunden wirklich zu verstehen, ist da schon um einiges komplexer. Wirft man einen Blick ins Silicon Valley versteht man relativ schnell, dass sich mit der heute zur Verfügung stehenden Technologie zirka 99 Prozent aller digitalen Geschäftsmodelle entwickeln liessen. Die Frage ist also nicht mehr, welche digitalen Lösungen «können» wir entwickeln, sondern, welche digitalen Ideen lösen die Probleme unserer Kunden und sind dabei wirtschaftlich? Der Kunde steht im Zentrum der Innovation. Um sie verstehen zu können, müssen wir uns in sie einfühlen. Und dafür brauchen wir Einfühlungsvermögen, Neugier, Empathie.

Klingt einfach. Ist es aber nicht immer. Denn die eigenen Beweggründe sind oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Die Worte von Henry Ford machen das Problem deutlich: «Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie sich wünschen, hätten sie gesagt ein schnelleres Pferd.» Dass am Schluss ein Auto herausgekommen ist, haben wir drei Dingen zu verdanken. Weil er verstanden hat, dass Menschen gerne schnell von A nach B kommen. Ein tiefes Verständnis für die Technologie, mit der er dieses Problem gelöst hat. Und die enge Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten wie Thomas Edison, dem Erfinder der Glühbirne.

Scheitern (am besten) aus dem Wortschatz streichen
Scheitern bedeutet, etwas zu versuchen. Und das Ziel nicht zu erreichen. Als die Gründer von Pinterest mit «Tote» (englisch für Tüte) die erste mobile Shopping App auf den Markt bringen wollten, haben sie während der Entwicklung festgestellt, dass die Zahlfunktion noch nicht ausgereift genug war, um die Anwendung zu unterstützen. Hätten sie am Geschäftsmodell festgehalten, wäre «Tote» verschwunden. Die Gründer haben sich allerdings anders entschieden. Haben die Zahlfunktion eliminiert. Und herausgekommen ist Pinterest, ein 23 Milliarden USD-Unternehmen.War das nun Scheitern? Wohl kaum.

Fragt man im Silicon Valley nach «Failure», bekommt man die Antwort: «There is no failure, there is only pre-success». Ein erfolgreiches Start-up zu gründen, ohne Fehler zu machen? Undenkbar. Dabei darf aber jeder Fehler nur einmal gemacht werden. Alle im Unternehmen sollen daraus lernen. Und Fehler werden am Anfang gemacht, wenn sie wenig Geld kosten. Fehler sind  Teil der Lernerfahrung in der Vuca-Welt. In einer digitalen Welt, die sich jeden Tag ändert, ist es logisch, dass wir Dinge ausprobieren müssen, um daraus zu lernen. Ohne dies treten wir auf der Stelle. Und die Innovation fände dann vielleicht bei unseren Mitstreitern statt.

Wer (richtig) führt, muss sichern
Die Vuca-Welt zeichnet sich durch eine hohe Komplexität aus, der einer alleine kaum noch begegnen kann: Menschen verstehen. Technologie kennen. Ideen entwickeln. Innovationen voranbringen. All das braucht Menschen, die Lust haben, zusammenzuarbeiten, gemeinsam etwas zu schaffen. Und den digitalen Wandel voranzutreiben. Im Silicon Valley gibt es dafür ein Wort: «Connect».  Es wird eine Verbindung zu anderen Menschen geschaffen, die geprägt ist von Wertschätzung, Austausch, Offenheit, Transparenz, Neugier, Freude und echtem Interesse. Es ist die Grundlage für die Arbeit in der Vuca-Welt. Und die Voraussetzung, den digitalen Wandel zu gestalten. Innovationen in der Vuca-Welt entstehen erst dann, wenn Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, Funktionen und Kulturen zusammenkommen, «connecten» und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Die Arbeit wird durch Teams initiiert, gesteuert und bewertet. In den Start-ups ist das der gelebte Alltag. Hier arbeiten Gründer und Teams zusammen an Problemlösungen. Selbstbestimmt, eigenverantwortlich sowie ergebnisoffen.

Etablierte Unternehmen stehen da schon ganz anderen Herausforderungen gegenüber. In vielen Unternehmen ist die Führungskultur geprägt von messbaren Zielvereinbarungen, klaren Vorgaben und Bewertung der Einzelleistung. Wenn wir in die sich ständig verändernde Vuca-Welt blicken, dann stellen wir relativ schnell fest, dass die Einzelperformance immer nur als Teil der Teamperformance gesehen werden kann. Dass messbare Ziele kaum noch eine Relevanz haben, wenn wir ergebnisoffen arbeiten. Und dass Vorgaben morgen schon veraltet sein können. Als David Kelley, Gründer der Silicon-Valley-Innovationsschmiede Ideo, vor einiger Zeit gefragt wurde, wie er seine Rolle als Führungskraft innerhalb des Innovationsprozesses sieht, sagte er «Nur weil ich die Verantwortung habe, heisst das noch lange nicht, dass ich die Lösung kenne.» Oder mit anderen Worten: Es macht keinen Sinn, als Führungskraft voranzugehen, wenn wir noch nicht wissen, wohin wir eigentlich gehen.

Herausforderungen begegnen

Die Vuca-Welt stellt Unternehmen und ihre Führungskräfte vor völlig neue Herausforderungen. Mit diesen drei Schritten können Unternehmen diesen begegnen, ohne die gesamte Organisation einem gewaltigen Change-Prozess zu unterziehen.

  • Führung neu denken. In der Vuca-Welt ist die zentrale Aufgabe der Führungskraft, für Teams den Freiraum zum kreativen und kollaborativen Arbeiten zu schaffen. Sich schützend hinter die Mitarbeiter zu stellen und unternehmensinterne und -externe Stakeholder für die Arbeit des Teams zu begeistern.
  • (Glaubhafte) Vision für das Unternehmen schaffen. «Vision is the new Leadership.» Eine klare Vision gibt einem Unternehmen Sinn und richtet es für die Zukunft aus. Visionen sind dann glaubhaft, wenn sie Teil der Unternehmenskultur bilden und über alle Hierarchien verstanden und gelebt werden. Aber Achtung: Hierbei geht es nicht um «Leitbilder», die erst auf Hochglanzbroschüren gedruckt werden, um anschliessend in den Schubfächern der Mitarbeiter zu verstauben.
  • Unternehmerische Interaktionsplätze gestalten. Unternehmen, die den digitalen Wandel für sich nutzen möchten, brauchen zentrale Interaktionsplätze, auf denen Menschen funktions- und abteilungsübergreifend den Herausforderungen der Vuca-Welt begegnen können. Hier können sie abseits von Organigrammen Ideen entwickeln und zukunftsgerichtet arbeiten.
Porträt