Strategie & Management

Unternehmensentwicklung (Teil 2 von 3)

Nachhaltige Wettbewerbsvorteile schaffen

Das Managementmodell «Love-Story-Navigator» basiert auf dem Lebenszyklus eines Unternehmens. In den fünf wiederkehrenden Phasen unterstützt es die Unternehmensleitung mit den individuell richtigen Entwicklungsprozessen. Dieser Beitrag der dreiteiligen Serie befasst sich mit der Reife-Phase und der Krisen-Phase.
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In der Ausgabe 9 / 2016 des «KMU-Magazins» wurde einerseits das Modell «Love-Story-Navigator» vorgestellt und andererseits auf die ersten beiden Lebenszyklus-Phasen («Start» und «Durchbruch») eingegangen. Bei allen der insgesamt fünf Lebenszyklus-Phasen unterstützt der Navigator die Unternehmensführung mit strategischen Initiativen. In diesem Beitrag geht es um das qualitative Wachstum der Reife-Phase sowie die strategische (Neu-)Ausrichtung in der Krisen-Phase.

Entscheiden birgt ein Risiko

«Die einzige Konstante ist der Wandel.» Das Zitat des griechischen Philosophen Heraklit von Ephesus zeigt, dass stetige Veränderung nichts Neues ist: wachsende Konkurrenz, politische Systeme, die sich verän-dern, Marktspielregeln werden neu definiert, Wertehaltungen wandeln sich. Was neu ist, ist jedoch das Tempo, mit der diese Veränderungen heute stattfinden. Wollen die Unternehmen auf der Erfolgsspur bleiben, so gilt es, aufmerksam zu bleiben und sich permanent weiter zu entwickeln.

Auf Veränderungen im Umfeld kann ein Unternehmen kaum Einfluss nehmen. Aber wie kann eine Unternehmungsführung die zukünftige Ausrichtung einer Unternehmung gestalten, wenn sie nicht weiss, wie die Zukunft aussieht? Jede Entscheidung birgt Risiken. Wie sich diese auswirkt, wissen wir erst im Nachhinein. Entscheiden wir nicht, bedeutet dies «weiter wie bisher». Und dies kann für ein Unternehmen existenzgefährdend sein. Entscheiden heisst, Annahmen über die Zukunft versuchen zu antizipieren und sich nach dem getroffenen Entscheid auch so zu verhalten und auszurichten, als ob die gedachte Zukunft bereits eingetroffen ist.

3. Phase: Reife

Oftmals kommt vieles vom Gleichen, aber nichts Neues

Wie kann die anfängliche Begeisterung aus der Start- und Durchbruch-Phase nach wie vor hoch gehalten und die Wettbewerbsfähigkeit immer wieder gestärkt werden? In der Regel bedienen die Unternehmen in der Reife-Phase die Stammkunden. Die Kundenwünsche können befriedigt werden, die interne Organisationsstruktur ist effektiv und die Produktion arbeitet mit grosser Effizienz. Es herrscht aber auch die Gefahr der Routine. Mit «mehr vom Gleichen» lassen sich nämlich mittel- und langfristig keine Lorbeeren ernten. Insbesondere in dieser Phase gilt es, die Aufmerksamkeit hoch zu halten und die Wettbewerbsfähigkeit mittels Wettbewerbsvorteilen immer wieder gezielt zu stärken und auszubauen. Nachhaltige Entscheide müssen auch bei hoher Dynamik möglich sein. Dies, damit die Unternehmen dabei zeitgerecht auf Veränderungen eingehen können.

Entwicklungen und Trends rechtzeitig erkennen

Veränderungen müssen erst einmal erkannt werden. Daher gilt es, das Umfeld des Unternehmens systematisch und aufmerksam zu beobachten. Entwicklungen in der Branche, im Markt, die allgemeine Wirtschaftslage, aber auch Trends in Technologie (z. B. Digitalisierung), Ökologie (z. B. neue Gesetze) und Gesellschaft (z. B. Wertewandel) sind zu berücksichtigen. Es gilt, ein solches «Monitoring» fest auf Stufe der Unternehmensführung zu installieren.

Qualitatives Wachstum statt quantitatives Wachstum

Werden Entwicklungen und Trends erkannt, sind diese konsequent auf mögliche Potenziale hin zu prüfen. Welche Chancen ergeben sich daraus? Gibt es neue Kundenbedürfnisse, für welche Leistungen weiterentwickelt werden können? Wo können wir einen Mehrnutzen für unseren Kunden generieren? Die meisten Strategien verfolgen Wachstumsziele in den anvisierten Absatzmärkten. Dies muss gerade für Klein- und Mittelbetriebe nicht zwingend der Fall sein.

Die Zunahme des Servicedienstes, der Dienstleistungsqualität, die gestiegene Kundenzufriedenheit und damit allenfalls auch die Möglichkeit, höhere Preise oder eine bessere Marge durchzusetzen, muss nicht immer mit mehr Umsatz korrelieren. Will heissen, das Ziel lautet nicht «blosse Addition», sondern «intelligente Innovation».

Wachstum entsteht also nicht nur durch «mehr vom Gleichen», sondern vor allem durch intelligentes Bedienen eines bestehenden oder zukünftigen Marktes oder auch durch Antizipieren eines potenziellen Bedarfes eines Marktes. So ist es beispielsweise Bäckereien gelungen, mit leckeren Backwaren und der Angliederung eines attraktiven Bistros neue Kunden zu gewinnen.

Qualitatives Wachstum durch den Wachstumsstern

Intelligentes Wachstum stützt sich in der Regel auf ein starkes Kerngeschäft ab. Das Kerngeschäft besteht häufig aus ein oder zwei strategischen Geschäftseinheiten (SGE), die zusammen mindestens zwei Drittel des Gesamtumsatzes ausmachen. Nach einer Analyse bei den 500 grössten Unternehmen der Welt machte bei den erfolgreichen Unternehmen das Wachstum aus dem Kerngeschäft 93 Prozent des Gesamtwachstums aus. Will heissen, beim qualitativen Wachstum schöpfen und bauen wir zuerst das bestehende Kerngeschäft beispielsweise mittels neuer Vertriebskanäle oder auch neuer Kundensegmente aus, bevor in vermeintlich attraktive Geschäftsfelder diversifiziert wird (oranger Bereich beziehungsweise neue Geschäftsfelder; siehe Abb. 2).

Möglichkeit zum Wachstum aus dem Kern

Anscheinend sind also die Erfolgsaussichten dann am höchsten (laut Analyse 93 %), wenn ein vorhandenes Kerngeschäft ausgebaut und verstärkt werden kann. Das Beispiel von Apple bestätigt diese Annahme: Aufbauend auf einem starken Kerngeschäft mit Mac-Computern und designorientierter Stammkundschaft, kreierte Apple das iPhone und lancierte damit das Wachstum für neue Märkte wie zum Beispiel den Zugang zum Milliardenmarkt der Apps.

Gleichzeitig stärkte Apple damit das bestehende Kerngeschäft durch die Integration des iPhones mit dem Computer oder auch die Synergien im Verkauf. Gerade in der Reife-Phase ist es essenziell, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen mittels Wettbewerbsvorteilen immer wieder aus dem Kerngeschäft heraus zu stärken und auszubauen. Es gilt in Bewegung zu bleiben, denn: Die Gewohnheit darf nicht zur Gewohnheit werden – die Veränderung muss zur Gewohnheit werden.

4. Phase: Krise

Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen

Was ist das «Richtige», das in dieser Phase getan werden muss? Eine Krise wird in der Regel durch eine Summierung von ungünstigen Entwicklungen und Ereignissen verursacht. Oftmals handelt es sich dabei um negative Nachfrageveränderungen, die wiederum auf verschiedenen Ursachen aus dem Unternehmensumfeld zurückzuführen sind. Oder es kann sich um interne Gründe wie z. B. einen falschen Einsatz der Unternehmensressourcen handeln. Die Krise kommt oft unerwartet. Mit ein Grund ist, dass infolge des hektischen Tagesgeschäfts die Unternehmen kaum Zeit finden, sich mit strategischen Fragen auseinanderzusetzen. Erstaunlich sind die Ergebnisse einer Untersuchung, wonach weniger als 20 Prozent aller KMU einen systematischen Prozess für Strategieentwicklung einsetzen.

Liquiditätskrise folgt der strategischen Krise

Da sich Unternehmenskrisen oft im Verborgenen entwickeln, erfolgt die Reaktion eines Unternehmens in der Regel erst, wenn die Symptome in einem Liquiditätsengpass enden. Doch: Je später eine Krise als solche erkannt wird, desto enger wird der Handlungsspielraum für eine angemessene Reaktion.

Von der strategischen bis hin zur Liquiditäts-Krise

Die Entwicklungszeiten von Krisen haben sich in den letzten Jahren stark verkürzt. Während noch vor wenigen Jahren die Zeitspanne von der Strategie- bis zur Liquiditätskrise mehrere Jahre dauerte, so sind aktuell Zeiträume von nur wenigen Monaten zu beobachten. Ein zielorientiertes Frühwarnsystem (siehe Ausgabe 9 / 2016, Phase Durchbruch) kann hier der Unternehmenskrise vorbeugen. Das Frühwarnsystem gibt der Unternehmungsführung zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Warnhinweise.

Turnaround mittels strategischer (Neu-)Ausrichtung

Erkennt die Unternehmungsführung die kritische Lage und ergreift rechtzeitig Massnahmen zur Rettung der Unternehmung, so gilt es, den Weg der strategischen (Neu-)Ausrichtung einzuleiten. Warum soll ein Kunde ausgerechnet bei uns kaufen? Es ist immer wieder überraschend, wie wenige Unternehmen bzw. deren Mitarbeitende in der Lage sind, ihre Positionierung in einem glasklaren und einfachen Satz zu beschreiben.

Das bedeutet in der Regel, der Kunde soll ohne einen markanten Grund kaufen. Ist es nur der Preis, der uns von der Konkurrenz unterscheidet, so bedeutet dies harten Wettbewerb sowie austauschbare Produkte und Dienstleistungen. Austauschbare Produkte und Dienstleistungen unterliegen grundsätzlich dem Preiskampf.

Für das Unternehmen wirkt sich dies meist mit geringerem Deckungsbeitrag, mangelnder Liquidität oder auch sinkender Loyalität aus. Viele Unternehmen reagieren auf die in der Krise gemachten Erfahrungen auch mit einer Verbreiterung ihres Produkt- / Dienstleistungsangebots. Sie wollen sich mehrere Standbeine zulegen. Doch aufgepasst – gerade in dieser Phase gilt es unser Kerngeschäft zu stärken.

Eine Möglichkeit ist dabei die Anwendung des Wachstumssterns. Dieser liefert uns wertvolle Impulse, um das Kerngeschäft bspw. mittels neuer Vertriebskanäle oder unter Nutzung von geeigneten Kooperationspartnern zu erschliessen. Erfolgversprechend ist zu diesem Zeitpunkt auch das Festlegen der «Trade-offs». Also auch das zu definieren, was unser Unternehmen in Zukunft nicht tut.

Strategische (Neu-)Ausrichtung – anders sein als andere

Was bekommt der Kunde nur bei unserem Unternehmen, aber bei keinem anderen? Unternehmen behaupten gerne pauschal, sie böten ihren Kunden «Qualität» an. Dies sei das Unterscheidungsmerkmal, mit dem sie sich von der Konkurrenz differenzieren. Doch Qualität allein genügt in der Regel nicht, um sich von den Mitbewerbern zu unterscheiden. Denn auch unsere Konkurrenz behauptet von sich, Qualität anzubieten.

Betrachten wir erfolgreiche Unternehmen, so stellen wir rasch fest, dass sie sich beispielsweise mittels eines einzigartigen Produkts, einer einzigartigen Dienstleistung, einer speziellen Zielgruppe oder auch einer einzigartigen Problemlösung von der Konkurrenz unterscheiden. Sie wissen genau, wo bei ihren Kunden die Probleme liegen, und bieten hier zielorientierte Lösungen mit einem deutlich höheren Kundennutzen als die Konkurrenz an und sind dadurch ihrer Konkurrenz überlegen.

Die Mund-zu-Mund-Propaganda spielt, die Kundenbindung steigt und das Unternehmen erzielt seiner Umsatz vermehrt mit Stammkunden. Auch unser Know-how im Kerngeschäft vergrössert sich dadurch und die Kunden sind bereit, für ihre Leistungen mehr zu bezahlen. Dies wiederum bedeutet für das Unternehmen: höhere Deckungsbeiträge, wachsende Liquidität und stärkere Loyalität.

Die strategische (Neu-)Ausrichtung orientiert sich konsequent am Kundennutzen

Mit welchen nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen kann sich das Unternehmen zukünftig von den Mittbewerbern abheben? Wer aus der Krise will, muss seine zukünftigen Erfolge schrittweise planen. Die Bereitschaft zur Veränderung ist dabei einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. In Krisenzeiten ist es besonders wichtig, sich nicht nur um die vermeintlich dringenden Dinge zu kümmern und Kosten zu senken, sondern sich auch auf die strategische (Neu-)Ausrichtung zu fokussieren. Die Strategie orientiert sich dabei  konsequent am Kundennutzen. Und ein solcher ist nur ein echter Wettbewerbsvorteil, wenn er vom Kunden auch tatsächlich als solcher wahrgenommen und anerkannt wird.

Kommunikation als Erfolgstreiber

Die strategische (Neu-)Ausrichtung ist das Herzstück. Diese gilt es zu kommunizieren. Dabei steht ein wirkungsvolles Stammkundenkonzept im Mittelpunkt. Dieses beantwortet die Frage, wie wir unsere zukünftige Zielgruppe erreichen wollen. Teure Marketingmassnahmen sind dabei nicht erforderlich. Vielmehr gilt es, unsere (Neu-)Ausrichtung zu stärken und auszubauen und für unsere Geschäftsidee eine hohe Anziehungskraft zu erzielen.

Die unternehmerische Zukunft mit Erfolg gestalten

Das grosse Geheimnis der erfolgreichen strategischen (Neu-)Ausrichtung sowie ihrer Weiterentwicklung sind

  1. Kontinuität sowie die Konsequenz, auf dem eingeschlagenen Weg weiter voranzugehen
  2. Auf- und Ausbau eines wettbewerbsüberlegenen Kundennutzen
  3. Stärkung der Kernkompetenzen bei unseren Prozessen sowie
  4. ein wirkungsvolles Stammkundenkonzept

Für das erfolgreiche Durchlaufen der Krise sind jedoch nicht nur die harten Umsetzungsfaktoren von entscheidender Bedeutung, sondern auch «echtes Leadership». Das bedeutet kompetente, glaub- und vertrauenswürdige Menschenführung, bei der die Mitarbeitenden die Unternehmensführung als Vorbilder erfahren dürfen. Auch ein kleinerer Anbieter hat zwischen den Grossen Platz, wenn er sich auf seine strategische (Neu-)Ausrichtung und sein Kerngeschäft konzentriert. Unter dem Internetlink www.thomas-schneider.ch /unternehmensentwicklung /strategische-ausrichtung / ist ein Beispiel für eine (Neu-)Ausrichtung dargestellt. Dieses Beispiel steht unabhängig von einer Branche.

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