Strategie & Management

Akzeptanzmanagement

Mitarbeiter für notwendige Veränderungsprozesse gewinnen

Unternehmen, die sich nicht schnell genug den Marktanforderungen anpassen, drohen unterzugehen. Doch es sind die Menschen im Unternehmen, die sich gegen die notwendigen Veränderungsprozesse mit allen Mitteln zur Wehr setzen. Wie sich im Zusammenhang mit Change-Prozessen Akzeptanzbarrieren überwinden lassen, zeigt dieser Beitrag.
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1681 ist ein nicht besonders schöner Vogel ausgestorben. Dem auf der Insel Mauritius lebenden «Dodo» fehlte es aber nicht an Intelligenz, sondern an Anpassungsfähigkeit. Der Vogel hatte auf der Insel keine natürlichen Feinde und es sich in seiner Komfortzone bequem gemacht. Und so konnte er dem Menschen nichts entgegensetzen, als dieser gemeinsam mit Katzen, Ratten und anderem Getier, das dem Dodo gefährlich wurde, das Inselparadies betrat.

1681 – was hat das mit heutigen Zeiten zu tun? Der Dodo-Effekt führt dazu, dass viele Unternehmen aufgrund ihrer mangelhaften Fähigkeit zur Veränderung in unsicheren und hochkomplexen Vuca-Zeiten um ihre Existenz kämpfen müssen. Die Be­harrungseffekte etablierter unternehmerischer Strukturen und Prozesse sowie die menschliche Tendenz, in der Bequemlichkeitszone zu verbleiben, sind die Hauptfeinde der Notwendigkeit zur Anpassung an wechselnde Rahmenbedingungen.

Von Betroffenen zu Beteiligten

Geschäftsmodelle brechen von heute auf morgen weg. Vor allem technische digitale Innovationen, durch die das Unterste zuoberst gekehrt wird, revolutionieren Geschäftsfelder in einer Kurzatmigkeit, die die Beteiligten oft überfordert. Denn die meisten Menschen sind Bewahrer- oder eben Dodo-Typen, die lieber bequem die bekannten Wege verfolgen. Angesichts der Notwendigkeit von Veränderungsprozessen wären aber Schnelligkeit, Anpassungskompetenz, Flexibilität und der Mut, Chancen zu ergreifen und konsequent zu nutzen, gefragt. Und zwar auf Seiten der Geschäftsführung, der Führungskräfte und der Mitarbeiter. Alle beteiligten Menschen müssen die erforderlichen Changeprozesse akzeptieren und gewillt sein, mit Kraft und Leidenschaft an der Umsetzung mitzuwirken. Was also tun?

Entscheidend sind die Faktoren Changemanagement und Akzeptanzmanagement. Beide Prozesse sind Chefsache. Geschäftsleitung und Management stehen in der Verantwortung, Akzeptanzbarrieren zu identifizieren und zu beseitigen – durch Massnahmen, die bei denjenigen, die die Changekonzepte letztlich umsetzen sollen, also den Mitarbeitern, eine entsprechende Motivation und Akzeptanz schaffen. Darum stehen Change- und Akzeptanzmanagement immer in einem Zusammenhang mit praktischen Umsetzungsmassnahmen. So erleben die Beteiligten in Umsetzungsprojekten hautnah, welche Konsequenzen eine Veränderung für sie selbst, ihren Arbeitsplatz, ihr Team, ihre Abteilung und ihren Unternehmensbereich hat. Die Mitarbeiter haben ein Recht darauf, zu erfahren, was der Change für sie persönlich bedeutet.

Menschen sperren sich gegen das Unbekannte, das Neue, sie wollen am Etablierten festhalten. Diese Akzeptanzbarriere im menschlichen Verhalten lässt sich meistens durch konkretes Tun und Handeln niederreissen. Im Umsetzungsprozess erfahren die Menschen, dass die Veränderung ihnen Chancen und Möglichkeiten bietet und sich die Risiken und Gefahren durchaus minimieren lassen.

Die Geschäftsleitung sollte das Change- und Akzeptanzmanagement in den Unternehmensleitsätzen integrieren. Die Botschaft: Schnelligkeit, Flexibilität, Anpassungsdenken und Chancennutzung gehören zur unternehmerischen DNA und Kultur. Die Leitenden leben diese Haltung vor. Es wäre geradezu tödlich, wenn das Dodo-Denken auf der Geschäftsetage Einzug hielte. Führungskräfte können nur dann andere Menschen zum Mitmachen bewegen, wenn sie selbst glaubwürdig eine ausgeprägte Veränderungsmentalität an den Tag legen. Sie sollten für die Mitarbeiter wahrnehmbar und sichtbar für die Notwendigkeit des Veränderungsprozesses brennen und als Vorbilder vorangehen. Und dann ist es ihre Aufgabe, auf Mitarbeiterseite die weiteren Akzeptanzbarrieren zu analysieren und zu überwinden.

Das «Inner Marketing» fördern

Je grösser, revolutionärer, umfassender und disruptiver ein Umbruchprozess ausfällt, desto mehr müssen die beteiligten Mitarbeiter von dessen Sinnhaftigkeit, Bedeutung und Nutzen überzeugt werden. Zudem sollte die jeweilige Führungskraft den Zeitpunkt der Veränderung legitimieren. Es geht um «Inner Marketing», um die unternehmensinterne Überzeugungsarbeit, Menschen dazu zu bewegen, Veränderungen aktiv mitzutragen. Zielführend ist es, dabei mitarbeiterorientiert, typgerecht und überdies generationenangemessen zu agieren. Jeder Mitarbeiter tickt anders, jeder Mitarbeiter ist zunächst einmal ein Mensch und einzigartiges Individuum – und dann erst Träger einer Funktion. Viele Führungskräfte vernachlässigen dies und begründen den Changeprozess rein positionsbezogen, indem sie lediglich die Auswirkungen für den Job darstellen. Sie sollten aber auch das jeweilige Emotions- und Wertesystem des einzelnen Mitarbeiters berücksichtigen.

Der sicherheitsorientierte Mitarbeiter akzeptiert einen Veränderungsprozess, wenn dieser zu Ertrags- und Umsatzsteigerungen führt und dem Erhalt der Arbeitsplätze dient. Der dominant-machtbewusste Kollege trägt den Change aktiv mit, wenn er ihn als Chance nutzen kann, voranzukommen und seinen Verantwortungsbereich zu vergrössern. Der inno­vationsfreudige Mitarbeiter wiederum akzeptiert die disruptive Entwicklung, wenn er sieht, dass der Change ihm die Möglichkeit eröffnet, etwas Neues auszuprobieren. Eine Führungskraft, die mitarbeiterindividuell Akzeptanz schafft, entwickelt einen ungeheuren Motivationssog.

Und dann haben wir da ja auch noch die Zugehörigkeit etwa zur Generation X oder Y. Die jüngeren Mitarbeiter legen oft Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance, sie bejahen Leistung und Lebensgenuss zugleich, die modernen Kommunikationsmedien sind ein integraler Bestandteil ihres Lebens, die Karriere steht für sie auf der Prioritätenliste nicht immer ganz oben. Die älteren Kollegen hingegen schätzen es, am Veränderungsprozess beteiligt zu werden. Für sie sind die Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz, Flexibilität, Karrierefortschritte und der finanzielle Aspekt wesentliche Faktoren.

Aber Achtung vor Verallgemeinerungen: Es gibt ältere digitalaffine Mitarbeiter, die die Ausgewogenheit zwischen Privat- und Berufsleben anstreben. Und Jung-spunde, für die der Job die Welt bedeutet. Entscheidend für die Führungskraft ist, den Führungsstil und die Motivationsanreize dem Mitarbeitertypus so weit wie möglich anzupassen.

Widerstand produktiv nutzen

Jede Veränderung stösst auf Kritik, Abwehr, Ablehnung und Widerstand, weil die Mitarbeiter an ihren Gewohnheiten festhalten wollen. Und natürlich wollen sie wissen, ob sie dem, was mit der Veränderung auf sie zukommt, gewachsen sind. Die Kunst besteht darin, jene Widerstandskräfte konstruktiv zu nutzen und so Akzeptanz herbeizuführen. Damit der Widerstand nicht zur inneren Kündigung und zum Rückzug führt, ist es klug, gleich zu Beginn des Changeprozesses die Argumente und Einwände der Kritiker ernst zu nehmen und konstruktiv aufzugreifen.

Natürlich finden die Skeptiker immer «ein Haar in der Suppe», ihre Ablehnung hilft möglicherweise, die Schwachpunkte des Changeprozesses zu erkennen und auszumerzen. Die frühzeitige Beteiligung der Mitarbeiter an dem Veränderungsprozess und die Integration ihrer Einwände erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass viele von ihnen die Neuerung doch noch akzeptieren. Darum ist es wichtig, die Veränderung in einem konkreten Projekt Schritt für Schritt zu realisieren.

Die kleinen sowie übersichtlichen Projektschritte, an deren Ausgestaltung die Mitarbeiter auch beteiligt werden, helfen, langsam, aber sicher Akzeptanz aufzubauen. Alle Beteiligten sind auf dem neuesten Stand des Projekts zu halten und über alle projektinternen und -externen Entwicklungen zu informieren. Die Abbildung zeigt, wie sich mithilfe von Um­setzungsprojekten verfestigte Gewohnheiten von Menschen unter Integration der kritischen Argumente (Widerstand) so anpassen lassen, dass sie zur Akzeptanz und zur Verwirklichung einer Erneuerung beitragen.

Lernkultur etablieren

Eine weitere Akzeptanzbarriere liegt in der Angst der Menschen vor Fehlern. Solange Fehler als strafwürdig angesehen werden und nicht als Chance zur Verbesserung, verbleiben Mitarbeiter in ihrer Dodo-Komfortzone und scheuen den mutigen Schritt hinaus in die Entwicklungs- und Wachstumszonen, in denen ihnen auf unbekanntem Terrain Fehler unterlaufen könnten. Die Korrektur dieser Einstellung sollte einmal mehr von «oben» ausgehen, indem die Geschäftsleitung eine Lernkultur etabliert und Fehler als unvermeidliche und notwendige Schritte auf dem holprigen Weg zum Ziel definiert.

Zielführend ist nicht die Suche nach einem Schuldigen, sondern die Einstellung, nach den Ursachen zu fahnden, die zu dem Fehler geführt haben, um sie abzustellen. Darum sollte das Management Offenheit im Umgang mit Fehlern – insbesondere mit den eigenen – belohnen. Ebenso wie Widerstände sind Fehler im Veränderungsprozess notwendig. Die Sorgenfalten sind dann angebracht, wenn sie ausbleiben. Denn dann handelt es sich vielleicht nur um ein laues Veränderungs-Lüftchen, mit dem sich niemals die erwünschten Ergebnisse erreichen lassen.

Fazit

Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter nicht sagen: «Wir wurden verändert», sondern: «Wir haben uns verändert.» Durch Akzeptanzmanagement lässt sich der Dodo-Effekt vermeiden. Der unternehmensinterne Diskussionsprozess führt dazu, dass die Mitarbeiter die Argumente und Gründe prüfen und nachvollziehen und sich zu Change-Agents  entwickeln, die die Veränderung aktiv nicht nur mittragen, sondern sogar mitgestalten.

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