Strategie & Management

Konfliktmanagement

Mit Konfliktstrategien den Umsatz schützen

Konfliktsituationen sind unangenehm. Nicht jede Führungskraft kann oder will damit aktiv umgehen. Konfliktvermeidungsstrategien zu entwickeln und Probleme auszusitzen, schaden jedoch dem Unternehmen. Der Beitrag skizziert Strategien, die Führungskräften wie auch Mitarbeitern helfen, situationsübergreifend Konflikte zu lösen.
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«Lassen Sie uns bloss keine schlafenden Hunde wecken. Das wird sich schon alles klären. Besser, wir rühren da nicht auch noch drin.» Konfliktmanagement läuft in vielen mittelständischen Unternehmen nach diesem Motto ab. Probleme bloss nicht ansprechen, sondern lieber unter den Teppich kehren. Dumm nur, wenn dieser irgendwann so viele Beulen wirft, dass der gesamte Betrieb ins Stolpern gerät. Viele Unternehmer halten die Diskussion um Konflikte dennoch für eine überflüssige Arbeits- und Lebenszeitverschwendung.

Die weit verbreitete Ansicht: Konflikte sind wie umherschwirrende Fliegen. Sie stören zwar, beeinflussen die Wertschöpfungskette aber nicht wesentlich. Der Haken: Das stimmt lediglich auf den ersten Blick. Denn auch die scheinbar «kleinen» Auseinandersetzungen streuen durchaus Sand ins Getriebe. Sie behindern die Arbeitsabläufe – und kosten die Unternehmen dadurch bares Geld.

Die grössten Umsatzgefährder

Es gibt zwei Arten, den Gewinn zu steigern: Umsatz erhöhen oder Kosten reduzieren. In beiden Fällen ist die «Bekämpfung» von Konflikten eine echte Geldgrube. Denn wer Konflikte angeht, hält langfristig Mitarbeiter und Kunden bei der Stange, kann sich auf positive Mundpropaganda verlassen und mit Folgekäufen rechnen.

Unzufriedene Kunden

«Nein, tut mir leid – da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Wir können Ihnen erst einen Ersatz schicken, wenn Ihre Retoure bei uns eingegangen ist und geprüft wurde.» Gerade im Reklamationsmanagement ist Konfliktlösungskompetenz absolut elementar, denn sie entscheidet hier an vorderster Front über Gewinn oder Verlust.

Fühlt sich der Kunde nicht ernst genommen oder werden ihm vermehrt Steine in den Weg gelegt, braucht sich niemand über sinkende Auftragszahlen zu wundern. Ganz anders sieht die Welt hingegen aus, wenn sich Mitarbeiter von tobenden Kunden nicht aus der Ruhe bringen lassen, sondern stattdessen verständnisvoll reagieren, kompetentes Feedback geben und eine gute Lösung erarbeiten, die den Klienten wieder milde stimmt.

Unmotivierte Mitarbeiter

Nicht nur verlorene Kunden mindern den Umsatz gewaltig, auch Ärger, Missverständnisse und Reibereien innerhalb der Firma kosten viel Geld. Die KPMG-Konfliktkostenstudie von 2009 geht davon aus, dass sich die Summe der Konfliktkosten im Unternehmen auf mindestens 20 Prozent der gesamten Personalkosten beläuft. Ganze 30 bis 50 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit verbringen Führungskräfte sogar direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen. Unternehmer können sich an dieser Stelle ausrechnen, was das konkret für ihr eigenes Unternehmen bedeutet. Die Summe wird schnell sechs- oder siebenstellig – pro Jahr.

Spätestens jetzt sollte klar sein: Die Konflikte in einem Unternehmen sind keine Plänkelei, über die man nachsichtig lächelnd hinwegsehen kann. Sie haben einen enormen Einfluss auf die Wertschöpfungskette – und sollten entsprechend auch behandelt werden. Denn so wie ein Unternehmer durch einen geschickten Materialeinkauf und durch die Effizienz der Maschinen die Kosten senken kann, trägt auch eine effektive Konfliktbearbeitung dazu bei, die Zusammenarbeit im Unternehmen wieder produktiver zu gestalten.

Schlechtes Unternehmensimage

Was viele Unternehmen ebenfalls unterschätzen, sind Konflikte, die sich aus der Reibung zwischen Selbst- und Fremdbild der Firma entwickeln. Der «War for Talents» ist längst im vollen Gange, Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit, Umgangsformen und die äusseren Rahmenbedingungen werden damit zu den entscheidenden Faktoren bei der Personalgewinnung. Kurz gesagt: Die Höhe des Gehalts allein macht nicht glücklich. Das taugt bestenfalls als Schmerzensgeld – je nachdem, wie sich das Miteinander im Unternehmen gestaltet. Und schicke Hochglanzbroschüren, ein tempelartiges Hauptgebäude, eigene Fitnesskurse, Freigetränke und Tisch-Kicker im Pausenraum sind nicht automatisch ein Garant für ein für alle angenehmes und produktives Arbeitsklima.

Falsche Vermeidungsstrategien

Zugegeben: Niemand setzt sich gern mit Konflikten auseinander. Sie sind belastend, störend und rumpeln an der Komfortzone. Hinzu kommt, dass wir Menschen gerne energieeffizient arbeiten – und es kostet in der Summe scheinbar weniger Kraft, Konflikte auszusitzen, statt in die Konfrontation zu gehen. Vergleichbar ist dieses Verhalten mit dem klassischen Phänomen des Prokrastinierens: Mitarbeiter schieben eine Aufgabe so lange vor sich her, bis irgendwann keine Zeit mehr zur ordentlichen Bearbeitung bleibt. Die Folge: Es wird schnell ein mittelmässiges Ergebnis zusammengeklöppelt – oder die Deadline wird schlimmstenfalls sogar verpasst. Ähnlich sieht es bei jenen Konflikten aus, die sich nach ewigem Aufschieben schliesslich in einem Donnerwetter entladen.

Klassische Konfliktvermeidung

Eine klassische Konfliktvermeidungssituation ist vielerorts der nachlässige Umgang mit neuen Mitarbeitern. Statt einer konkreten Einarbeitung gibt es lediglich einen Laufzettel, auf dem steht, wann der neue Kollege wo zu sein hat, mit wem was zu besprechen ist – und dahinter Kästchen, um die Punkte abzuhaken. Und das war es dann mit dem Mitarbeiter-On-boarding. Treten Schwierigkeiten auf, ist es eigentlich Aufgabe der Führungskraft, sich einzuschalten. Und herauszufinden, woher die Hürden resultieren und wie sie sich überwinden lassen. Das ist unangenehm.

Stattdessen wählen viele Unternehmer den Weg des geringeren Widerstands und setzen auf Ignorieren als Konfliktlösungsstrategie. Frei nach dem Motto: «Er braucht einfach noch etwas Zeit, um zu verstehen, wie alles bei uns funktioniert. Das wird sich schon einrenken.» So geht das Ganze noch ein paar Wochen weiter – bis zum grossen Knall. Kurz vor Ende der Probezeit wird die Reissleine gezogen und hektisch nach Trennungsgründen gesucht, die natürlich niemals durch das Verschulden der Firma zustande gekommen sind. Das ist ein klarer Fall von Führungsfeigheit.

Mindestens genauso beliebt ist auch die «Vogel-Strauss-Taktik»: «Was ich nicht sehe, gibt es auch nicht.» Verlockend, aber aus energiepolitischer Sicht ist dies völlig unsinnig. Denn um einer unangenehmen Situation nicht die Stirn bieten zu müssen, braucht es eine ausgeklügelte Vermeidungsstrategie. Und es ist unglaublich, wie viel Energie manche Unternehmen in ebendiese stecken. Stichwort VW-Dieselskandal: Anstatt einzuge­stehen, dass ordentlich was schiefgelaufen ist, wurde lieber noch mehr Geld darin investiert, das Ganze mittels Softwaremanipulation von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Eigentlich ist das ziemlich paranoid. Wahrscheinlich hätte die Summe locker gereicht, um direkt den Fehler zu beheben und die Produktion entsprechend nachzurüsten. Doch Fehler zuzugeben, kratzt am Ego.

Konfliktstrategien

Es ist also höchste Zeit, den Konflikten im Unternehmen endlich die Stirn zu bieten. Wie das sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitern situationsübergreifend gelingen kann, zeigen die folgenden fünf Konfliktstrategien.

Konfliktstrategie 1: Den Konflikt einordnen

Als Erstes gilt es, die innere Haltung zum Thema Konflikte zu überdenken und deren toxische Bestandteile neu einzuordnen. Dabei hilft die folgende einfache Kategorisierung:

1. Die Debatte: Eine Debatte bezeichnet eine lebhafte Diskussion oder ein Streitgespräch. Die Debatte gilt dann als beendet, wenn eine Seite die Argumentation der anderen übernimmt. Als grundlegendes Element hierfür gilt die Bereitschaft, an einem Punkt seine eigene Meinung aufzugeben. Mit der Frage «Was könnte Sie überzeugen?» ist leicht festzustellen, ob grundsätzlich Offenheit zum Austausch besteht.

2. Spiel: Ein Spiel ist ein Kräftemessen nach vereinbarten Regeln, die festlegen, wer gewinnt. Klar definierte Spielregeln im Business sind zum Beispiel Unternehmensleitbilder, der Teamkodex und der Spirit eines Unternehmens.

3. Der Kampf: Bei einem Kampf handelt es sich um eine Auseinandersetzung ohne Regeln, die mit der Unterwerfung oder Zerstörung des Verlierers endet. Klingt martialisch, kommt aber in einer ritualisierten Form zum Beispiel gerne in Vertriebsmannschaften vor.

Konfliktstrategie 2: Der Konfliktkategorie entsprechend handeln

Ein Beispiel: Mobbing lässt sich relativ klar in die Kategorie «Kampf» einordnen. Ein Mobber lügt, betrügt, unterdrückt oder vernichtet wichtige Unterlagen. Kurz gesagt: Er agiert fern jeglicher Regeln – und beendet seine Machenschaften erst, wenn sein Opfer aus der Firma scheidet. Mit einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht in Form einer Debatte wird sich hier keine Lösung erzielen lassen, da er klar im «Kampfmodus» unterwegs ist. Die einzige Lösung ist hier: Dem Störenfried klare Ansagen mit deutlichen Regeln machen. Und bei Nichteinhaltung entsprechende Konsequenzen wie Versetzung oder Kündigung folgen lassen.

Konfliktstrategie 3: Erst denken, dann reden

Das klingt leichter, als es ist. Denn ein Konflikt besteht immer aus einem Problem und einer Emotion. Sachlich könnte das Problem oft leicht gelöst werden. Der Haken an der Sache: Die Emotion, die immer wieder dazwischenfunkt. Emotionen sind Botschafter unserer Bedürfnisse, wie zum Beispiel Sicherheit, Zugehörigkeit oder Entwicklung. In einem akuten Konflikt sollten diese Befindlichkeiten stets im Hinterkopf behalten werden – denn Emotionen verzerren die Objektivität und erschweren so die Lösung der Auseinandersetzung.

Konfliktstrategie 4: Konfliktreste vermeiden

Evolutionsbedingt ist es nur logisch, dass sich der Mensch nach einer Konfrontation erst mal in Sicherheit bringen will. Das ungute Gefühl allerdings bleibt. Damit aus diesen «Konfliktresten» nicht wieder die nächste handfeste Auseinandersetzung nachwachsen kann, ist es mehr als ratsam, mit etwas zeitlichem Abstand nochmal das Gespräch zu suchen und auszuloten, wie die weitere Zusammenarbeit ablaufen sollte.

Konfliktstrategie 5: Konflikte bergen kreatives Potenzial

Konflikte sind ungemütlich, doch die Auseinandersetzung lohnt sich. Denn es geht dabei um so viel mehr als bloss die Trennung zwischen vermeintlich richtig und falsch. Konflikte schaffen überhaupt erst die Möglichkeit, bestehende Strukturen zu reflektieren, zu diskutieren – und auf diese Weise neue Horizonte zu eröffnen. Beispiel «Personalauswahl im Rahmen agiler Führung»: Der Einstellungsprozess wird durch das zukünftige Team gesteuert. Allein schon die Beschreibung des Anforderungsprofils für ein Stelleninserat bedeutet einen hohen Grad an Auseinandersetzung miteinander. Doch es ist gerade dieser bewusst herbeigeführte soziale Konflikt, der gleichzeitig Chancen eröffnet für ein konstruktives Miteinander – und das Team auf eine höhere Stufe der Verantwortung hebt.

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