Strategie & Management

Mitarbeitermotivation

Mit kleinen Steuertricks die Belegschaft belohnen

Eine klassische Lohnerhöhung ist nur eine Möglichkeit zusätzlicher Motivation. Auch dank Lohnnebenleistungen bleibt Mitarbeitern mehr Geld im Portemonnaie. Wie KMU diese sogenannten «Fringe Benefits» einsetzen können, zeigt die neue Geschäftsidee eines Schweizer Start-ups.
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Am 31. Juli 1970 trugen die Seeleute der britischen Royal Navy Trauerflor. Sie hielten Andachten und feuerten Salutschüsse als letzte Grüsse ab. Grund war das Ende einer Tradition: das Recht auf täglich zwei Rationen Rum. 315 Jahre lang hatten sie zusätzlich zur Heuer darauf Anspruch gehabt. Die Rumausgabe war somit eine klassische Lohnnebenleistung, ein «Fringe Benefit». 

Grosse und kleine «Zückerchen»

Heutzutage bestehen Lohnnebenleistungen nur noch im Ausnahmefall aus Hochprozentigem. Beliebt und weitverbreitet sind jedoch Zuschüsse an ÖV-Abonnements, die Abgabe von Reka- oder Lunch-Checks sowie Geschenke zu besonderen Anlässen wie Hochzeit oder Jubiläum. Auf der Top-Position der am häufigsten gewährten Lohnnebenleistungen in der Schweiz steht der Firmenparkplatz. Solche grösseren oder kleineren Aufmerksamkeiten und Vergünstigungen sollen Motivation und Loyalität der Belegschaft steigern und ein Unternehmen speziell für Top-Kräfte attraktiver machen.

Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) gaben in einer Umfrage gut 78 Prozent der Firmen an, ihren Angestellten «Zückerchen» in der einen oder anderen Form zu gewähren. In der Versicherungsbranche und im Finanzsektor waren es gar 90 Prozent. Schlechter stehen Angestellte im Gesundheits- und Sozialwesen, in Erziehung und Unterricht sowie dem Gastgewerbe da. Hier bekommen weniger als zwei Drittel Fringe Benefits. 

Grosse Firmen sind im Vorteil. Sie können sehr viel einfacher Vergünstigungen für ihre Angestellten aushandeln, zum Beispiel Rabatt bei Versicherungen oder einen Firmentarif für den privaten Handy-Gebrauch. Schwieriger ist es für KMU mit nur wenigen Angestellten.

Legale Steuertricks 

Das hat ein Schweizer Start-up erkannt und daraus eine Geschäftsidee entwickelt: Swibeco, eine digitale HR-Plattform. Marketingchef Matthias Thürer erklärt das Prinzip: «Wir sorgen dafür, dass eine Firma ihren Mitarbeitern interessante Fringe Benefits anbieten kann. Gerade in Zeiten wie jetzt, wo Lohnerhöhungen oft einfach nicht mehr drin liegen, kann ein Unternehmen seinen Mitarbeitern trotzdem etwas offerieren und dafür sorgen, dass sie mehr von ihrem Lohn haben.» Laut Thürer koste das die Firmen durchschnittlich etwa 100 Franken pro Mitarbeiter und Jahr. «Würde sie dies als Lohnerhöhung anbieten», sagt Thürer, «käme das nicht gut an. Für den gleichen Preis kann aber ein Unternehmen bei uns Benefits einkaufen, die einiges an Leistung bieten und so den Lohn optieren.»

Swibeco offeriert drei Formen von Lohnnebenleistungen:

  • Rabattangebote. Mitarbeiter bekommen das ganze Jahr über bis zu 20 Prozent Vergünstigungen bei angeschlossenen Partnern. Unter anderem bei Zalando, Manor, der Coop-Gruppe und der Tankstellenkette Tamoil. Der Rabatt gilt für alle Artikel, auch Geschenkkarten, und ist kumulierbar. Diese Rabatt-Goodies sind steuerfrei.
  • Lunchcard. Bekannt ist das Prinzip von den Lunch-Checks, mit denen sich Angestellte in ausgewählten Restaurants verpflegen können. Vorteil der Lunchcard: Sie ist wie eine Debitkarte überall verwendbar, wo Visa-Karten akzeptiert werden. Also in allen Restaurants, Take-aways, Bäckereien oder Lebensmittelgeschäften. Bis 180 Franken pro Monat kann eine Firma jedem Mittarbeiter pro Monat steuerfrei auf eine solche Karte einzahlen. 
  • Swipoints. Will ein Unternehmen einen Mitarbeiter beschenken, etwa zum Jubiläum oder an Weihnachten, so zahlt es den Betrag in Form von Punkten ein. Diese kann der Angestellte nach Gutdünken frei verwenden – aber nur bei einem der zirka 50 angeschlossenen Partner, zum Beispiel Orell Füssli. Es ist aber auch möglich, mit diesen Punkten Reka-Karten aufzuladen oder das Konto der dritten Säule aufzustocken. Bis zu 500 Franken pro Anlass sind solche Firmen-Geschenke steuerfrei. 

Firmenchefs schätzen das Punktesystem unter anderem, weil sie sich nicht mehr den Kopf über passende Mitarbeitergeschenke zerbrechen müssen – was meistens auf eine Flasche Wein oder eine Schachtel Schokolade hinausläuft. Vor allem aber lassen sich Swipoints netto eins zu eins umsetzen, denn es werden darauf weder Steuern fällig noch Sozialabgaben.

Ohne Sozialabgaben 

Thürer rechnet vor: «Ein KMU offeriert einem Mitarbeiter 1000 Franken mehr Lohn pro Jahr. Darauf zahlt die Firma 200 Franken Sozialabgaben, muss also 1200 Franken budgetieren. Auch der Mitarbeiter muss Abgaben leisten, knapp 145 Franken für Sozialabgaben und 200 Franken Steuern. Von den 1000 Franken bleiben ihm netto bloss 655. Bekommt er die Lohnerhöhung aber in Form von Swipoints, hat er den ganzen Betrag zur Verfügung.

Klingt gut. Der Haken: Das Geld kann der Glückliche nur im Coop oder einem anderen Partnergeschäft ausgeben. Aber nicht in der Migros oder dem Quartierladen. Damit ist klar, wo der Benefit für die Unternehmen liegt, die den Rabatt gewähren: Sie generieren und binden Kunden. «Wir schieben ein grosses Volumen an potenziellem Umsatz in Richtung der Partner», bestätigt Thürer. Provisionen bekomme Swibeco von den angeschlossenen Firmen keine. Den ausgehandelten Rabatt gebe man via Firmen-Abo direkt an die Mitarbeiter weiter.

Swibeco finanziert sich nach eigenen Angaben ausschliesslich über Firmen-Abonnements. Laut Thürer bewegen sich die Kosten für ein Unternehmen je nach Abo und Anzahl Mitarbeiter zwischen  49 und 159 Franken pro Mitarbeiter und Jahr. Das rentiert und Swibeco sieht ein grosses Wachstumspotenzial: «In der Schweiz wissen viele Firmen gar nichts davon, dass man Mitarbeiter steuerfrei belohnen kann.» In anderen Ländern, wo Unternehmen schon länger mit knapperen Budgets rechnen müssten, habe sich diese Methode bewährt, um mit weniger Budget den Angestellten dennoch etwas bieten zu können – und die besten Leute zu halten. 

Umstrittener Nutzen

Wie der Wert von Bonuszahlungen ist auch der Nutzen von Lohnnebenleistungen nicht unumstritten. Der Nutzen werde in der Praxis kaum systematisch ermittelt, schreibt die Online-Plattform HR-Praxis.ch auf ihrer Website. Und: «Bei Fringe Benefits besteht zudem oft die Gefahr, dass sie von den Mitarbeitenden als Besitzstand oder mit zunehmender Dauer als Selbstverständlichkeit verstanden werden, wodurch ihre Wirkung verpufft und Änderungen, Kürzungen oder gar der Wegfall von Fringe Benefits Frustration und Unverständnis erzeugen.

In wirtschaftlich schlechten Zeiten können Zusatzleistungen aber eine Alter­native zu Lohnerhöhungen sein. So erhalten Mitarbeiter eine Gegenleistung für gute Arbeit, ohne dass die Personalkosten explodieren. Unternehmens-Rat­geber in Deutschland nennen interessanterweise oft die Schweiz und die Niederlande als Vorzeigebeispiele, weil hier – etwa bei Angestellten des Bundes – oft ein Beitrag an die Altersvorsorge geleistet wird, der über die im BVG vorgeschriebene Mindestleistung hinausgeht. 

Auch das ist ein geschätzter Fringe Benefit. Staatsangestellte haben allgemein meist sehr grosszügige Vergünstigungen. Angestellte der Stadt Bern etwa bekommen Rabatt beim Abschluss von Krankenzusatzversicherungen, einen Zuschuss an ÖV-Abonnements und einen, wenn sie mit dem Velo zur Arbeit fahren, etwas ans Fitnessabonnement, den privaten Handyvertrag und haben Spezialpreise für Weine aus dem städtischen Rebgut in La Neuveville.

Die Klassiker 

Zu den Partnern von Swibeco gehört auch die Genossenschaft Reka mit den beiden Geschäftsfeldern Reka-Geld und Reka-Ferien. 1939 wurde die Non-Profit-Organisation gegründet. Heute kennen laut Reka-Website acht von zehn Menschen in der Schweiz Reka-Geld, und jede siebte Familie verbringt Ferien in einer der ei­genen Anlagen. Reka beschäftigt etwa 1000 Mitarbeitende und erzielte 2019 einen Umsatz von 105 Millionen Franken.

Reka sagt, als Partner stehe man mit dem Start-up Swibeco nicht wirklich in einer Konkurrenzsituation. Im Gegenteil. Durch die Zusammenarbeit gewinne man Neukunden, die ihren Mitarbeitenden Reka-Geld als Lohnnebenleistung anböten. «Reka-Geld zählt zu den beliebtesten Fringe Benefits in der Schweiz», schreibt die Genossenschaft auf Anfrage. Mit der Reka-Card gebe es gleich mehrere Fringe Benefits mit ein und derselben Karte: Mit Reka-Lunch bekomme man vergünstigte Verpflegung, mit Reka-Check könne man Dienstleistungen im Bereich Freizeit und Ferien bezahlen und mit Reka-Rail Dienstleistungen im öffentlichen Verkehr.

Sowohl Reka-Lunch als auch die Lunchcard von Swibeco sind direkte Konkurrenten des anderen Schweizer Fringe-Be­nefit-Klassikers: der Lunch-Checks. Die nicht gewinnorientierte Genossenschaft wurde 1962 gegründet und wechselte vor fünf Jahren von Lunch-Checks in Zettelform auf eine praktischere Lunch-Karte. Damit kann man in Restaurants und vereinzelt auch in Take-aways und Bäckereien wie mit Bargeld bezahlen. Allerdings kann die Karte nur zweckgebunden für Verpflegung eingesetzt werden. Die Firmen können sogar bestimmen, an welchen Wochentagen, zu welcher Uhrzeit und in welchem Kanton sie gültig ist. Im Unterschied zu den beiden anderen Anbietern ist die Lunch-Karte für die Firmen kostenlos. «Wir bekommen von den an­geschlossenen Restaurants eine Kom­mission von 1,25 Prozent», sagt Lunch-Check-Geschäftsleiter Thomas Recher. Das sei seines Wissens weniger, als Reka-Lunch oder Kreditkarten-Gesellschaften verlangten.

Von Kundenseite höre er immer wieder, dass ein Zuschuss an Mahlzeiten von der Belegschaft besonders geschätzt werde, gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten. «Das wird auch als gerecht empfunden», sagt Recher. «Im Unterschied etwa zu Zuschüssen an ein Fitnessabo, von dem nicht alle im gleichen Mass profitieren. Essen aber müssen alle und viele Firmen stellen mit Lunch-Checks sicher, dass die Belegschaft vom Bildschirm aufsteht und eine richtige Pause macht.»