Strategie & Management

Mitarbeiterführung

Mit agiler Führung zu schnellen Team-Entscheiden

Dieser Beitrag zeigt anhand eines Beispiels, wie mit der Konsent-Methode die Teamführung durch schnelle Entscheide agiler gestaltet werden kann. Diese Methode ist auch in einem sehr hierarchisch organisierten Unternehmen und /oder bei einer virtuellen Führung, wie aus dem Homeoffice, anwendbar.
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Das Wort «agil» ist zurzeit in aller Munde. Doch was bedeutet agile Teamführung? Im Grunde genommen geht es darum, als Vorgesetzter nicht alles vorneweg zu bestimmen, sondern die Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden zu nutzen – in Richtung der Vision, der Strategie und der Ziele.


Aspekte agiler Teamführung

Es braucht demnach für eine agile Teamführung drei wichtige Aspekte:

Ein klares für alle verständliches Team-Ziel

  • Auf Basis der Vision oder der Strategie des Unternehmens
  • Welches auch für die Mitarbeitenden ein sinnvolles und nachvollziehbares Ziel darstellt

Einen Vorgesetzten, der als Coach fungiert und nicht alles vorgibt

  • Was gleichzeitig bedeutet, dass der Chef nicht als die allwissende und rettende Kraft unterwegs ist
  • Damit die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden aktiviert und gestärkt wird
  • Damit alle Fähigkeiten des Mitarbeitenden als ganzen Menschen eingesetzt werden können

Die Bereitschaft, Entscheide zu treffen, auch wenn nicht alles bis ins Kleinste geklärt ist

  • Entweder durch Delegation an die für den Sachverhalt kompetenteste Person im Team
  • Sowie durch konsequentes Beobachten der Auswirkungen des getroffenen Entscheids hinsichtlich der Ziele und gegebenenfalls Korrektur des Entscheids (zum Beispiel durch «weeklys»)
  • Dabei braucht es nicht den Konsens von allen. Es müssen also nicht alle «dafür» sein. Es soll nur keiner «dagegen» sein


Die Konsent-Methode

Einen wie oben beschriebenen Team-Entscheid herbeizuführen, kann durch eine sternförmige Kommunikation (Konsent-Methode) gelingen. Wie funktioniert nun die sternförmige Kommunikation mit der Konsent-Methode für einen Team-Entscheid? Nebenbei: Es handelt sich hier nicht um einen Schreibfehler, sondern der «Konsent» wird tatsächlich mit «t» am Ende geschrieben und unterscheidet sich auch inhaltlich vom Wort «Konsens».


Der Weg bis zum Entscheid

Nachfolgend wird die Methode anhand eines Beispiels erläutert. Dazu die Ausgangslage: Der Vorgesetzte oder ein Mitglied des Teams benötigt einen wichtigen Entscheid. Eine entsprechende Beschlussvorlage wurde vorgängig allen Teilnehmenden zugestellt. Die Meinungen zum gewünschten Beschluss sind divers, eine hohe emotionale Debatte ist zu befürchten.

Beispiel: Die Personalleiterin hat wegen der Coronapandemie eine Beschlussvorlage vorbereitet, in der alle Mitarbeitenden nach den Ferien aus dem Ausland für 14 Tage in Quarantäne gehen sollen.

Bestimmung eines Moderators
Häufig moderieren Vorgesetzte ihre Meetings selbst. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Doch vor allem in Entscheid-Meetings, wo es für den Vorgesetzten oder auch die Teammitglieder oder die Mitglieder der Geschäftsleitung um viel geht, erleichtert ein Moderator die Entscheidfindung. Er bringt eine Spur Neutralität in den Prozess.

Einigung auf ein gemeinsames Ziel
Zunächst klärt der Moderator, was das gemeinsame Ziel ist, welches durch die gewünschte Entscheidfindung erreicht werden soll. Dies ist wichtig, weil dies die Basis für den späteren Entscheid ist. Wird diese Methode das erste Mal durchgeführt, führt dieser Schritt zu grossen Irritationen, weil es angeblich so klar ist. Aber dies ist häufig nicht der Fall. Durch die Diskussion wird klar, warum ein Entscheid wichtig ist, und es einigt das Team immerhin vor der sternförmigen Kommunikation auf ein gemeinsames Ziel.

Beispiel: Zunächst geht es in der Diskussion um den Schutz des Mitarbeitenden. Doch dann kristallisiert sich vor allem der Weiterbestand des Unternehmens heraus. Als gemeinsame Ziele werden zum Schluss definiert: 

  • Die Mitarbeitenden schützen und unterstützen
  • Den Weiterbestand des Unternehmens gewährleisten

Vorstellung des benötigten Entscheids (Beschlussvorlage)

Nun bittet der Moderator den Einbringer der Beschlussvorlage, diese kurz vorzustellen. Am besten mit einer Zeitvorgabe (zum Beispiel zwei Minuten).

Beispiel: Die Personalleiterin stellt vor, dass alle Mitarbeitenden aus den Ferien für zwei Wochen in Homeoffice gehen, bevor sie die Büroräume des Unternehmens betreten dürfen.

Klärung von Verständnisfragen
Anschliessend klärt der Moderator, ob es Verständnisfragen gibt. Achtung: Dies ist keine Diskussion, sondern hier wird rein die Faktenlage auf Verständnis bei allen geklärt.

Erste Runde Meinungsfindung: Meinungen, Empfindungen, Ergänzungen
Nun moderiert der Moderator die erste Runde (der sternförmigen Kommuni­kation). Jeder Teilnehmer kommt zu Wort. Die Teilnehmenden erhalten die Möglichkeit, ihre Meinungen, Ergänzungen und Empfindungen kundzutun. Auch hier erhält jeder Teilnehmer die gleiche Sprechzeit (zum Beispiel zwei Minuten).

Wichtig: Die anderen Teilnehmenden versuchen, zuzuhören und nicht selbst ihre Meinungen gedanklich zu formulieren.

Beispiel: Alle Auslandsregionen einzu­beziehen, erscheint manchen Teilnehmenden nicht notwendig zu sein. Es kommen auch Ideen für einen Test direkt nach den Ferien. Andere haben Sorgen, dass die Unternehmensziele so nicht mehr erreicht werden können.

Zweite Runde Meinungsfindung: Was wird benötigt, um für den Entscheid zu stimmen?
Nachdem die erste Runde durch ist, folgt eine zweite Runde (der sternförmigen Kommunikation). Jetzt haben alle in der ersten Runde die anderen Meinungen und Ergänzungen gehört. Nun liegt das gesamte Wissen des Teams vor. Vielleicht hat jemand seine Meinung dadurch ge­ändert oder hat Anregungen erhalten. 

Jetzt, in der zweiten Runde, gibt der Moderator wieder jedem Teilnehmenden das Wort mit der gleichen Sprechzeit (zum Beispiel eine Minute). Nun soll jeder Teilnehmende mitteilen, was er benötigt – immer mit Blick auf das vorher gemeinsam formulierte Ziel –, um zumindest nicht gegen die Beschlussvorlage zu sein.

Eventuelle Umformulierung der Beschlussvorlage
Nun versucht der Moderator mithilfe der Inputs aus der zweiten Runde, die Beschlussvorlage zu ergänzen oder eventuell umzuformulieren. Dabei muss er darauf achten, dass das gemeinsame Ziel nach wie vor massgebend ist.

Beispiel: Der Moderator formuliert die Beschlussvorlage dahingehend um, dass Mitarbeitende aus nicht risikogefähr­deten Gebieten das Unternehmen betreten dürfen. Weiterhin sollen sich Mitarbeitende aus Risikogebieten einem Coronatest unterziehen und für mindestens fünf Tage in Quarantäne gehen oder so lange, bis das negative Ergebnis vorliegt. Falls durch diese Massnahmen Unternehmensziele betroffen sind, würden diese angepasst werden.

Letzte Runde Entscheidfindung
Nun kommt es zur letzten Runde, in der jeder Teilnehmende nach folgenden Grundsätzen entscheidet:

  • Ist es sicher genug, um es zu probieren? («It’s safe enough to try?»)
  • Ist es gut genug für den Moment? («Good enough for now?»)

Diese beiden Grundsätze machen deutlich, dass dies kein Entscheid für immer ist, und die Entscheider müssen auch keine Fans der Beschlussvorlage sein. Es genügt, nicht «dagegen» zu sein, aber es braucht keinen Konsens – also ein klares «dafür» von allen. 

Falls ein Teilnehmender einen schwerwiegenden Einwand hat, dann darf sich dieser ausschliesslich auf das gemeinsame Ziel beziehen. Was ein schwerwiegender Einwand ist, definiert der Teilnehmende selbst. Gibt es von mindestens
einem Teilnehmenden einen schwerwiegenden Einwand, kommt es zu keinem Entscheid, sondern das Team definiert die nächsten Schritte, um im nächsten Meeting einen Entscheid treffen zu können. In diesem Fall ist der schwerwiegende Einwand ein Geschenk an das Team, weil wirklich etwas Schwerwiegendes übersehen wurde.

Doch in der Regel wird die Entscheid­findung durch diese Methode erleichtert, da nicht alle «dafür», sondern nur keiner «dagegen» sein muss. Dies nennt man auch: «seinen Konsent» geben.

Beispiel: Da mit der geänderten Beschlussvorlage beide gemeinsamen Ziele erreicht werden, sind zwar nicht alle Teilnehmenden begeistert, doch es gibt keinen sachlichen Grund, warum ein Teilnehmer nun seine Zustimmung – seinen Konsent – verweigern sollte. Daher stimmen alle dafür, wohl wissend, dass bei einer sich verändernden Sachlage das Thema erneut auf die Tagesordnung kommt. 

Vorteile der Konsent-Methode

  • Durch den sehr strukturierten Ablauf kommt Ruhe in die Diskussion.
  • Durch den vorher definierten Mode­rator kann dieser das Wort geben und nehmen, daher wird diese Methode auch «sternförmige Kommunikation» genannt. Diese Methode eignet sich auch hervorragend für eine Video-Konferenz, in der eine klare Worter­teilung die Kommunikation deutlich erleichtert.
  • Durch die gemeinsame Ziel-Definierung findet eine starke Fokussierung aller Teilnehmenden auf das Thema statt. Zusätzlich wird die Diskussion «versachlicht». Persönliche Befindlichkeiten oder Machtspiele werden so ausgebremst.
  • Durch die Gleichbehandlung erhält jeder Teilnehmende die gleiche Wertigkeit: Keiner ist wichtiger und auch die Stillen erhalten gleich viel Sprechzeit.
  • Durch die zweite Runde kommt mehr Qualität in die gemeinsame Lösungsfindung.
  • Dadurch, dass die «Gegner» der Beschlussvorlage sagen müssen, was sie benötigen, um nicht weiterhin dagegen zu sein, wird ein lösungsorientiertes Mindset begünstigt.
  • Es wird Zeit gespart, weil nicht alle Teilnehmenden «dafür» sein müssen, sondern nur nicht «dagegen». Dadurch kommt es schneller zu einer Einigung.


Die Herausforderungen 

  • Es braucht eine Zuhören- und Rede-Disziplin.
  • Die meisten Unternehmen haben noch Zielvereinbarungen, die mit einer Bonus-Zahlung verbunden sind. Sind in dieser Zielvereinbarung individuelle Ziele vereinbart, dann kollidiert möglicherweise das individuelle Ziel mit dem gemeinsamen Ziel. Daher sind reine Teamziele besser geeignet.
  • Das Gelingen dieser Methode hängt auch vom Grad der Selbstverantwortung ab. Wie sehr sind es die Mit­arbeitenden gewöhnt, im Sinne eines übergeordneten Ziels zu denken und handeln?
  • Weiterhin wird oft geglaubt, dass ein Abkürzen im Ablauf Zeit spart (zum Beispiel die zweite Meinungsfindungsrunde einsparen), doch dies ist ein Trugschluss.
  • Anhänger von Wohlfühl-Atmosphären können vielleicht nicht so gut damit leben, dass nicht alle Teilnehmenden «dafür», sondern nur nicht «dagegen» sind. Dies gilt es auszuhalten. 
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