Strategie & Management

Weiterbildung

Just in time, digital und bedarfssynchron vermitteln

Die Digitalisierung, neue Erfahrungswerte sowie Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft wandeln die Weiterbildungslandschaft. In welche Richtung sich die berufliche Weiter­bildung entwickelt, zeigt der Autor dieses Beitrages anhand von fünf Thesen und leitet daraus Kernforderungen ab.
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These 1: Die Weiterbildung entwickelt sich immer mehr zur Just-in-time-Weiterbildung

Just-in-time-Weiterbildung – was ist das? Die Erwartung, dass Trainer spontan und kompetent auf die individuell ge­­stellten Fragen, Wünsche und An­­for­derungen eingehen, wächst rasant. Selbstverständlich haben es gute Weiterbildner schon immer verstan­den, auf die Spontan­forderungen ihrer weiterbildungshungrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer einzugehen. Darum muss ein Seminarkonzept einen Rahmen bieten, der vom Trainer in aller Freiheit den aktuellen 
Erwartungen angepasst werden kann, ohne dass die mit dem Auftraggeber vereinbarten Ziele dabei untergehen und nicht erfüllt werden.

Bedarfssynchrones Seminardesign: 

Letztendlich brauchen wir in der Weiterbildung einen mentalen 3-D-Drucker: Der Trainer sollte in der Lage sein, auf spezifische Erwartungen hin sein Seminardesign zu verändern und bedarfssynchrone, also den Teilnehmerwünschen angepasste weiterbildungslösungen zu kreieren und spontan «auszudrucken». Darauf kann der Trainer sich einstellen, indem er – auch aufgrund seiner Erfahrungen – vorausplant, welche Seitenwege das Seminar nehmen könnte, wobei eben diese Seitenwege wiederum immer auf die eigent­lichen Weiterbildungsziele zurückführen müssen. Die Personalchefs wie auch die  Entscheider in den Unternehmen sollten darum primär mit solchen Weiterbildnern koo­perieren, welche die Fähigkeit besitzen, solche indi­viduellen bedarfssynchronen Seminar­abläufe zu gewährleisten.

These 2: Die digitalen Lern­medien müssen in den Dienst der Weiterbildung gestellt werden

Viele Seminarteilnehmer, vor allem die internetaffinen Digital Natives, sind oft geradezu verliebt in ihre digitalen Spielzeuge. Sie wollen sie auch für ihre Weiterbildungsaktivitäten nutzen. Das ist richtig und gut so, jede Generation hat «ihr» Medium, mit dem sie gern und effektiv lernt. Jedoch darf die Nutzung der di­gitalen Lernmedien nicht zum Selbstzweck verkommen. Denn sie eignen sich vor allem zur Wissensvermittlung, weniger zur Verhaltensveränderung. Die in­novativen Lernmöglichkeiten, die sich durch sie eröffnen, müssen in den Dienst der Seminarziele gestellt werden. Und zwar von den Weiterbildnern.

Mit Online-Learning Umsetzungsphasen optimieren: 

Es gibt aber mittlerweile auch die Möglichkeit, mit Online-Learning zu Verhaltensveränderungen zu gelangen. Ein konkretes Beispiel aus eigener Erfahrung: Seminarteilnehmer erhalten die Hausaufgabe, einen Elevator Pitch (eine 30-
Sekunden-Präsentation) zu entwerfen und diese Zusammenfassung ihrer Kern­kompetenzen in einer Mini-Präsentation überzeugend vorzutragen. Dabei kommt ihr Tor zur Welt zum Einsatz, das Smartphone: Die Teilnehmer nehmen ihren Elevator Pitch auf und senden die Videosequenz an ihren Trainer, der sie auswertet und zielorientiertes Feedback gibt – zuerst zwischen den Präsenzphasen des Trainings, dann im Seminarraum. So entstehen Lernspiralen mit sich selbst verstärkenden Effekten, die zu nach­­halti­geren Transfererfolgen und Ver­haltens­­veränderungen führen. Die Umsetzungsphasen erfahren eine Aufwertung, weil die Lernprozesse zwischen den Live­trainings intensiviert werden. Durch Online-Learning und Video-Technologie lassen sich Seminarziele noch effektiver und nachhaltiger erreichen – die Technik dient der Weiterbildung.

These 3: Ohne Emotionen im Seminarraum geht gar nichts

Neurowissenschaftler liefern immer neue Beweise, dass menschliches Verhalten ent­scheidend von den Emotionen gesteuert wird. Dies hat Konsequenzen für die Weiterbildung: Wer als Trainer nachhaltige Lernerfolge für und mit seinen Teilnehmern generieren möchte, sollte sich genau überlegen, wie er das Seminargeschehen emotionalisieren kann. Wie also gelingt es, die Teilnehmer mitzureissen, sie an ihren emotionalen Wurzeln zu packen, sodass die Behaltens- und Umsetzungswahrscheinlichkeit wächst, weil sie sich mit allen Sinnen in den Lernprozess vertiefen und in ihm einbringen?

Das emotionale Warum erläutern:

Es ist wichtig, nicht nur die Ratio, sondern auch die Emotio anzusprechen. Wenn ein Trainer beurteilen kann, welches Emotions- und Wertesystem bei den Teilnehmern jeweils dominiert, kann er das Seminargeschehen konsequent darauf abstellen, eine typgerechte Ansprache wählen, ein teilnehmerorientiertes Lernumfeld schaffen und die Lerner persönlichkeitsorientiert motivieren, sich aktiv und konstruktiv am Seminargeschehen zu beteiligen.

Je mehr sich die Teilnehmer mit Herz und Verstand, mit Leidenschaft und Vernunft mit den Seminarthemen beschäftigen, desto effektiver verläuft ein Training. Darum müssen Trainer verdeutlichen, welchen konkreten Nutzen ihre Teilnehmer durch die Weiterbildung haben, und zudem das «emotionale Warum» erläutern: Welchen Sinn und Nutzen hat es, sich mit einem Thema intensiv zu beschäftigen? Wiederum gilt: Die Personalchefs und Entscheider in den Unternehmen sollten darauf achten, dass die Weiterbildner die Kompetenz haben, das Seminargeschehen zu emotionalisieren, um so Lernerfolge zu optimieren.

These 4: Neurodidaktische Prinzipien führen zu Nachhaltigkeit

Zu den Widersprüchen, die die Weiterbildung prägen, gehört die Erwartung vieler Unternehmer und Personalchefs, dass die Weiterbildner in immer kürzerer Zeit immer mehr Wissensinhalte vermitteln – und das zu immer günstigeren Preisen. Allerdings belegen neurodidaktische Forschungen, dass nachhaltiges Lernen vor allem eines braucht, nämlich Zeit. Zeit, um Inhalte zu wiederholen und diese tiefer im Gedächtnis zu verankern, Zeit zur Reflexion, Zeit, das Gelernte im Arbeitsalltag und im jeweiligen Tätigkeits- und Verantwortungsbereich einzusetzen. Das Lernzentrum Gehirn darf nicht überfordert werden. Und Menschen lernen besser, wenn der Trainer aktivitätenbasierte Übungen mit reflexionsorientierten Feedbackphasen kombiniert.

Gute Weiterbildung kostet – und rentiert sich:

Gelungene Weiterbildung ist mithin nicht im Sekundentakt möglich. Die Seminar­abläufe sollten darum so strukturiert sein, dass der Denkapparat die Zeit und die Mus­se hat, Verbindungen zwischen neu­em und vorhandenem Wissen her­zustellen. «Lernen ist ein physiologischer Vorgang», so die Lernpsychologin Renate N. Caine. Die Teilnehmer müssen die Möglichkeit haben, das neue Wissen mit ihrem Erfahrungsschatz zu verknüpfen – vor allem dann erfolgt ein Kompetenzzuwachs. Die Verantwortlichen in den Unternehmen sollten sich darum mit dem Gedanken vertraut machen, dass erfolgreiche und nachhaltige Weiterbildung, die dazu beiträgt, dass die Mitarbeiter die Unternehmensziele realisieren können, die entsprechenden finanziellen und zeitlichen Ressourcen erfordert.

These 5: Unternehmensinternen Akademien gehört die Zukunft 

Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, eine unternehmensinterne Weiterbildungsakademie zu gründen. Sie wollen Weiterbildung aus einer Hand und – siehe These 1 – die Möglichkeit nutzen können, rasch bedarfssynchrone Weiterbildungen durchzuführen.

Eine Lösung besteht in der Gründung einer unternehmensinternen Weiterbildungsakademie, in der die Weiterbildungsaktivitäten gebündelt werden. So hat das Management die Option, die Schulungen und Kurse dediziert auf den Weiterbildungsbedarf der Führungskräfte und Mitarbeiter punktgenau abzustimmen. Dafür brauchen die Unternehmen ein Expertennetzwerk aus Dozenten, Trainer und Coaches. Aber selten ständig, eher bei Bedarf, weswegen die entsprechenden Dienstleistungen eingekauft werden sollten. Dies gelingt etwa durch die Kooperation mit Weiterbildnern, die ressourcenmässig in der Lage sind, zeitnah die erforderliche Anzahl an kompetenten Dozenten, Trainern und Coaches zur Verfügung zu stellen.

Mit Akademie gute Mitarbeiter halten und anlocken:

Die Unternehmen nutzen das Expertennetzwerk nur so lange, bis das angestrebte Weiterbildungskonzept umgesetzt worden ist. Die Personalchefs und Entscheider tendieren nicht zuletzt deswegen zu solchen Akademielösungen, weil sie es mit dieser Massnahme schaffen, ihre besten Mitarbeiter zu halten. Diese sind oft begeistert, wenn ihnen der Arbeitgeber tolle Weiterbildungsoptionen bietet, direkt vor Ort, in der eigenen Akademie.

Zudem erzeugen die Unternehmen so einen Sog auf hoch qualifizierte Mitarbeiter, die sich angesichts der überzeugenden Weiterbildungsmöglichkeiten bei solchen Firmen gern bewerben. Ein weiterer Vorteil: Die Weiterbildungen finden auf der Grundlage der Werte, Leitsätze und Prinzipien des Unternehmens statt. Auch das trägt zur Effektivitäts­steigerung und Nachhaltigkeit bei.

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