Im Kern von Design Thinking steht das Nachdenken über neue Lösungen aus Anwendersicht – und das ist richtig. Aber wie steht es um Maschinenkomponenten, chemische Verbindungen oder komplexe Anlagen? Bei vielen Produkten oder Prozessen gibt es keine Anwender (oder Konsumenten). In diesen Fällen kommen Ideen für verbesserte oder neue Lösungen meistens aus Brainstorming Workshops. Dabei haben zahlreiche Studien bewiesen, dass dies nicht zielführend ist.
Mögliche Ansätze
Eine neue Methode muss her. Wenn es um Innovation geht, gibt es zwei wichtige Herausforderungen:
- Wo kommen gute Ideen her?
- Wie verwandle ich die richtigen Ideen in Mehrwert?
Ein Ansatz, der insbesondere für technische Innovationen zuverlässig Ergebnisse liefert, ist der sogenannte «Bold Way» – vom Englischen «bold» («mutig»). Ein System zur Problemlösung und Ideengenerierung durch systematisches und radikales Andersdenken. Der Bold Way vereint eine wissenschaftliche Herangehensweise mit co-kreativen Methoden. Wissenschaftlich deshalb, weil erfolgreiche Innovationen auf gemeinsame Muster untersucht wurden und diese nun proaktiv angewendet werden können. Ähnlich wie eine Formelsammlung in der Physik, hilft der Bold Way, bei Innovationsprojekten Zeit zu sparen und bessere Ergebnisse zu produzieren. Die vier Säulen des Bold Way:
1. Systematik
Diese Methodik nutzt die mithilfe der Wissenschaft gewonnenen Erkenntnisse, um diese zielgerichtet anzuwenden. Ein Beispiel: Kontaktlinsen und Tütensuppe sind gleichartige Ideen – in beiden Fällen wurde von einer bestehenden Ausgangssituation (der Brille beziehungsweise der Suppe) einfach eine essenzielle Komponente weggelassen (der Rahmen beziehungsweise die Flüssigkeit). Dieses und andere solche Muster wurden erkannt und in einfach anwendbare Werkzeuge gegossen.
2. Validation
Ob erarbeitete Lösungen wirklich funktionieren und Mehrwert liefern, weiss man in der Regel erst spät. Zu spät, um Änderungen vorzunehmen. Genau diesen Widerspruch gilt es zu lösen – und zwar indem kritische Aspekte eines Konzeptes möglichst früh getestet werden. Durch frühzeitiges Testen von Lösungen oder deren Teilaspekte kann das Risiko massiv reduziert werden, da Unwägbarkeiten rechtzeitig geklärt werden.
3. Co-Creation
Interdisziplinäre Workshops mit einer klaren Struktur können die besten Ergebnisse hervorbringen. Dabei ist einiges zu beachten: Arbeitsgruppen sollten idealerweise aus drei bis vier Personen bestehen, denn mehr ist hier nicht besser. Die investierte Zeit sollte bestmöglich genutzt werden, das heisst, es braucht einen genauen Plan und präzise Aufgabenstellungen für die Teilnehmer. Im Idealfall wird auf eine professionelle Moderation zurückgegriffen.
4. Provokation
Das menschliche Gehirn ist eine effiziente Denkmaschine. Auch deshalb, weil es Abkürzungen schafft und bevorzugt. Das nennt sich Expertise und ermöglicht uns erstaunliche Leistungen. Dieselben Abkürzungen sind uns aber im Weg, wenn wir etwas neu denken wollen. Wir sprechen in diesem Fall von mentalen Fixierungen – eingefahrene Denkmuster, welche nur schwer zu verlassen sind. Um auf neuartige Lösungen zu kommen, müssen bestehende mentale Fixierungen gebrochen werden. Genau dabei helfen provokante Fragen, denn sie zwingen uns zum Nachdenken über ungewohnte Situationen.
Kommen wir auf die eingangs genannten Herausforderungen um die Herkunft und die Umsetzung von Ideen zurück. Bei beidem hilft ein Blick in die Wissenschaft. Es mag zwar überraschen, dass Kreativität mit einer strukturierten Methode besser funktioniert als freiem Denken, aber so ist unser Gehirn verdrahtet. Demnach ist es empfehlenswert, sich auf nachgewiesene Kreativitätsmuster zu verlassen, um die Ideenfindung voranzutreiben.