Praktische Umsetzung
Unternehmungen, welche die physische Aufbewahrung von Belegen durch eine vollständig digitale Ablage ersetzen wollen, müssen somit eine Vielzahl von gesetzlichen Anforderungen beachten. Das in der Praxis oft anzutreffende Einscannen von Belegen und Ablegen als normales PDF-File im Explorer erfüllt in den seltensten Fällen die gesetzlichen Anforderungen.
Ausgangspunkt für das Gelingen der Umstellung bildet ein Konzept, in welchem die Ziele, Anforderungen und Hilfsmittel definiert werden. Die Umstellung auf eine digitale Archivierung bietet die Chance, bestehende Prozesse zu hinterfragen und zu optimieren, denn «mit dem Essen kommt der Appetit» und umgehend werden auch vorgelagerte Prozesse (zum Beispiel Debitoren-, Kreditorenprozess) in die Analyse miteinbezogen. Das Konzept bildet den Grundstein, um die passenden Hilfsmittel zu evaluieren. Neben der Frage, ob und wie die bestehende IT-Infrastruktur als Basis verwendet werden kann, sind auch weitere Hilfsmittel wie Scanning-Lösungen, ein Archivierungssystem oder ein Daten-Management-System (DMS) einzuplanen.
Ausgehend von den Konzeptzielen und der firmenspezifischen Aufbau- und Ablauforganisation sind dabei die Anforderungen an ein Archivierungssystem oder DMS zu definieren (Datenfluss, Ablagesystematik, Visumregelungen, Logfiles, Schnittstellen usw.). Jeder Bearbeitungsschritt muss in einem sogenannten Logfile protokolliert werden mit Angabe von Zeitpunkt des Vorgangs und Nutzeridentifikation. Eine Umstellung auf elektronische Archivierung und elektronische Datenflüsse wird nur erfolgreich sein, wenn sich die ganze Organisation in ihren Prozessen und in ihrem Denken darauf ausrichtet.
Nach erfolgter Umsetzung sind die Abläufe verfahrenstechnisch in einer Verfahrensdokumentation festzuhalten. Die Verfahrensdokumentation soll einem Aussenstehenden (zum Beispiel einem Revisor der MWST) aufzeigen,
- wie sämtliche Buchhaltungsbelege vom Eingang über die Verarbeitung bis zur Verbuchung und Ablage durch die betrieblichen Prozesse fliessen und welche technischen Hilfsmittel zum Einsatz kommen;
- wie die Integrität der Daten gewährleistet wird und wie die archivierten Belege während der notwendigen Aufbewahrungsfrist verfügbar gemacht werden können.
Weiter enthält diese Verfahrensdokumentation auch Arbeitsanweisungen für die einzelnen Prozessabläufe. Ganz wichtig sind auch jene Anweisungen für Mitarbeitende, welche über Administratorenrechte verfügen. Dies ist notwendig, da Administratoren die Möglichkeit haben, Dokumente bewusst oder unbewusst zu löschen oder Einstellungen zu ändern, welche einem DMS die Revisionstauglichkeit absprechen würden.
Die Datensicherung und die Datensicherheit nehmen eine wichtige Rolle ein. Das erwähnte Konzept soll etwa aufzeigen, wie die Daten
- virtuell und physisch vor unbefugtem Zugriff und Diebstahl geschützt werden können;
- regelmässig mit einem Backup gesichert werden können (georedundant auf zwei verschiedene und ortsunabhängige Server);
- auf dem verwendeten Datenträger innerhalb der benötigten Aufbewahrungsfrist lesbar bleiben.
IT-Outsourcing
KMU lagern ihre IT-Infrastruktur zunehmend an spezialisierte Unternehmen aus. Hier gilt es zu beachten, dass der Servicenehmer (nicht der externe Dienstleister) auch bei einem Outsourcing letztlich in der Verantwortung für die gesetzeskonforme Aufbewahrung von Daten verbleibt. Betreffend Belegablage ist es somit von zentraler Bedeutung, dass auch der Outsourcing-Anbieter die gesetzlichen Vorgaben einhalten kann. Es ist sinnvoll, mit dem externen Dienstleister eine Vereinbarung zu treffen, welche die Arbeiten und Verantwortlichkeiten im Bereich der Buchführungspflichten regelt. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn Daten in einer Cloud gehalten werden. Weiter ist zu prüfen, ob Arbeitsanweisungen im Umgang mit den Systemen und Daten auf den IT-Dienstleister auszuweiten sind. Fällt ein Schweizer Unternehmen unter den Anwendungsbereich der DSGVO, ist bei der Auslagerung personenbezogener Daten eine entsprechende Vereinbarung mit dem externen Dienstleister ausdrücklich erforderlich (die sogenannte Auftragsdatenverarbeitungs-Vereinbarung).
Schlussfolgerung
Will sich ein Unternehmen digital transformieren und den Belegfluss digitalisieren, so wird eine elektronische Archivierung unumgänglich. Die Anforderungen an eine gesetzeskonforme digitale Archivierung in Kombination mit der Einhaltung allfällig relevanter Datenschutzverordnungen sind anspruchsvoll und können nur mit einem ganzheitlichen Konzept erreicht werden. Es ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen, welche bereits jetzt über eine elektronische Archivierung verfügen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht vollständig erfüllen. Eine saubere Planung, Grundlagenarbeit und Prozessbeschreibungen (Verfahrensdokumentation) sind dabei unumgänglich.
Die Einführung einer digitalen Archivierung kann zeitaufwendig sein und dazu sind Mitarbeiterressourcen notwendig. Damit die digitale Archivierung in allen Belangen gelebt wird, braucht es eine Belegschaft, welche dies stützt. Vertrauen der Mitarbeiter ist wichtig und ein griffiges Change-Management allenfalls notwendig. Mit einer digitalen Archivierung lassen sich wesentliche Effizienzsteigerungen erzielen und Kosteneinsparungen realisieren.