Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung

Gendergerechte Talentförderung auf dem Vormarsch

Noch immer scheinen stereotype Rollenbilder Karriereentwicklungen zu beeinflussen. Warum genderspezifische Aus- und Weiterbildungsangebote für Frauen und Männer solche Barrieren abbauen können, zeigt dieser Beitrag.
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Regelmässige Aus- und Weiterbildungen sind wichtig und ein massgeblicher Erfolgsfaktor für die berufliche Karriere – und das über alle Hierarchiestufen hinweg. In diesem Punkt sind sich sehr wahrscheinlich die meisten aktiv am Berufsleben Teilnehmenden, insbesondere die Verantwortlichen für HR und Personalentwicklung, einig. Dementsprechend umfassend werden die Angebote des nach wie vor boomenden Weiterbildungsmarktes genutzt. 

Dies belegt unter anderem die Trendstudie 2017 des Instituts für Qualitätsmanagement und angewandte Betriebswirtschaft (IQB) der FHS St. Gallen, die die Entwicklung der Weiterbildungsthematik auf Managementstufe analysiert. Bemerkenswert ist, dass die Stärkung der Sozial- und Selbstkompetenz von vielen Arbeitgebern als wichtigstes Ziel der Weiterbildung angesehen wird, und weniger die Methodenkompetenz.


Stereotype Rollenbilder 

Geht es allerdings um genderspezifische Aus- und Weiterbildungsangebote, vorzugsweise solche, welche für berufstä-
tige Frauen konzipiert sind, steht häufig beinahe stereotyp die Frage im Raum, ob dies denn tatsächlich «nötig» sei respektive etwas «bringen» würde. Dass Frauen und Männer mittlerweile für zahlreiche Berufe gleichermassen qualifiziert sind, bestreitet niemand. Doch wenn es um Karriere geht, haben es Frauen aufgrund stereotyper Rollenbilder im beruflichen Umfeld und damit einhergehender Erwartungen an ihr Verhalten schwer. 

Aufschluss darüber gibt unter anderem eine Studie zum «Image resp. Rollenbild von Businessfrauen in der deutschsprachigen Schweiz», erhoben im Rahmen einer Masterthesis an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Für die  Studie wurden 566 Personen sowohl quantitativ (Online- Befragung) wie auch mittels IAT (Implicit Association Test) befragt. Die Grundgesamtheit umfasste 62 Prozent Frauen und 38 Prozent Männer des unteren, des mittleren und des obersten Kaders. Die «Businessfrau» steht in diesem Fall für eine Frau, die in ihrer Position im Unternehmen Verantwortung trägt und zielorientiert Einfluss nimmt. 


Frauenförderung

Über die letzten Jahrzehnte hinweg hat sich der soziale Status der Frauen in vieler Hinsicht massiv verändert. Sie haben heute weitgehend die politische und zivilrechtliche Gleichstellung erlangt. Auch die Qualität der (Berufs-)Bildung gleicht sich stark jener der Männer an. Die «Leitfigur» des 21. Jahrhunderts ist die selbstbewusste, unabhängige Frau, welche auf ihre eigenen Kräfte vertraut und ihre eigenen Ziele verfolgt. Zudem untermauern diverse Studien, dass gemischte Teams mit beiden Geschlechtern zu einer besseren Gesamtleistung, höheren Gewinnen und besserem Risikomanagement führen. Viele Unternehmen haben eigene Diversity-Programme, die frauenfördernde Massnahmen gezielt umsetzen.


Wunsch und Wirklichkeit

Die Frage, die sich allerdings stellt, ist, ob sich die Wahrnehmung und die Akzeptanz berufstätiger Frauen im gleichen Masse verändert haben. Fühlen sich heute die Frauen im Berufsalltag den Männern gleichgestellt? Ist im Zeitalter von neuen Technologien und Kinderkrippen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirklich besser geworden? 

Diese Fragen standen im Zentrum der Studie zur Selbst- und Fremdwahrnehmung einer Businessfrau und des von «Female Business Seminars» durchge-führten letztjährigen Praxisdialogs. Dieser Anlass wird jährlich durchgeführt und nimmt im Dialog mit Unternehmen aktuelle Themen zu der  gendergerechten Weiterbildung und Karrieremöglichkeiten in einer modernen Arbeitswelt auf.   

Unterschiedliche Sichtweisen

Die Studie brachte einige interessante Aspekte hervor: Obwohl sich das Image der Businessfrau respektive der berufstätigen Frau in den letzten Jahren verändert hat, herrscht bei einem Teil der befragten Personen noch ein traditionelles Rollenbild vor. Als «traditionell» wird das Rollenverständnis bezeichnet, wenn eine Frau zu Hause bleibt, sich um die Erziehung der Kinder und den Haushalt kümmert und ihre eigene berufliche Karriere einen geringen Stellenwert hat. Geht die Frau hingegen einer Erwerbstätigkeit nach, wird ihre Rolle als «modern» bezeichnet. 

Laut der Untersuchung entspricht die Realität noch nicht der einer echten Gleichberechtigung von Mann und Frau im Erwerbsleben. Ausserdem tendieren Männer dazu, die aktuelle Gleichstellungssituation in der Schweiz besser einzustufen als Frauen. Möglicherweise hat diese unterschiedliche Sichtweise von Frauen und Männern ihre Ursache darin, dass sich Frauen im Erwerbsleben nach wie vor benachteiligt fühlen. Das belegt die zugrunde liegende Studie deutlich. Egal um welche Themen es sich handelt, geschlechtsbedingte Diskriminierung, Entlohnung, Kompetenzzuschreibung oder Mobbing, Frauen geben weitaus häufiger an, von einer dieser Situationen einmal oder mehrmals betroffen gewesen zu sein, als ihre männlichen Kollegen. 

Frauen äussern häufiger ein modernes Rollenbild als Männer, wobei auch bei einem Teil der Frauen ein traditionelles Rollenbild durchaus verbreitet ist. Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen Bildung und Rollenbild. Unabhängig vom Geschlecht ist das Rollenbild von Menschen mit höherem Bildungsstand moderner geprägt. Das Alter hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Moderni­tät des Rollenbildes. Widerlegt werden konnte die These, dass Männer grundsätzlich ein anderes Rollenbild der berufstätigen Frau haben als Frauen. Ihre Vorstellungen überschneiden sich in weiten Teilen mit denjenigen der Frauen. 

Fazit: Die Befragung weist zwar auf eine wachsende Offenheit und fortschrittliche Einstellung bezüglich der Rolle einer Businessfrau hin, im Hinblick auf spe­zielle Fördermassnahmen und gezielte Massnahmen zum Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen besteht hingegen Nachholbedarf. Was sich stark nachteilig für Frauen auswirkt, ist die Tatsache, dass Führungskräfte Männern immer noch mehr zutrauen als Frauen, und Frauen sich selbst oft unterschätzen. Das zeigte auch der Female-Business-Praxisdialog deutlich. Befördert werden jedoch meist diejenigen, die am lautesten «Ich will, ich kann!» schreien. Zu diesen gehören in den wenigsten Fällen Frauen. 


Individuell fördern

Statt «lean in», was bedeutet, Frauen das Gefühl zu vermitteln, noch mehr Leistung bringen zu müssen, braucht es ein «lean forward». Letzteres versteht sich als Appell an die Führungskräfte, Führungsqualifikationen zu überdenken, damit Frauen im Business ihre Stärken ein­bringen können. Es besteht die Notwendigkeit, besser zuzuhören und sie bei Bedarf zu ermutigen, den nächsten Schritt in einer Karriere zu wagen. Zur Überwindung der identifizierten Benachteiligungen bedarf es daher, neben dem auf Gleichstellung ausgerichteten Wandel der Unternehmenskulturen, unbedingt einer individuellen Förderung von weiblichen Führungskräften.

Vor diesem Hintergrund können genderspezifische Aus- und Weiterbildungs­angebote ein erster entscheidender Beitrag sein für eine Sensibilisierung, die Aufklärung und den transparenten Umgang mit den geschilderten Barrieren. Auch die Männer gilt es zu sensibilisieren in puncto stereotyper Vorstellungen und wie sie bei Bedarf die richtigen Schlüsse aus dem jeweiligen Verhalten ziehen können. Weiterbildungen zu genderbedingten Unterschieden können die Basis für eine konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Frauen und Männern sein, bei der vor allem Fähig­keiten wie Sozial- und Selbstkompetenz eine wesentliche Rolle spielen. Auf die engagierten und weiter­bil­dungs­be­wus­sten Berufsfrauen ausgerichteten Seminare und Workshops, die solche Inhalte bieten, wird eine gute bis zunehmende Nachfrage verzeichnet. Frauen, die entsprechende Aus- und Weiterbildungen besuchen, kehren ausgestattet mit Skills, die ihnen mehr Selbstvertrauen geben, in die Berufswelt zurück. Es gelingt ihnen dadurch, für sich und ihre Ziele besser einzustehen und sich sichtbarer zu machen. Dies ist dringend erforderlich in einem Arbeitsumfeld, in dem Wettbewerb und vielfach männlich geprägte Verhaltensmuster vorherrschen. Dort brauchen Frauen aus zwei Gründen mehr Biss als Männer: Erstens müssen sie sich teilweise mehr beweisen und mehr für 
ihre Karriere tun. Zweitens geben sie tatsächlich manchmal zu schnell auf oder wollen sich nicht unnötig exponieren. Daher ist Dranbleiben angesagt, idealerweise an den «Dingen» und Möglichkeiten, für die es sich wirklich lohnt. Umso wichtiger, diese klar identifizieren und differenzieren zu können.


Dranbleiben führt zum Erfolg

Gleichzeitig ist Dranbleiben für Frauen schwieriger, wenn sie zum einen beruflich weniger ernst genommen werden und zum anderen das berufliche Umfeld für Frauen zu wenig vorbereitet ist. Es braucht beispielsweise andere Denkweisen, andere Karrieremodelle und andere Führungsstile sowie ein Umfeld, das offen genug ist, gleichermassen männliche wie auch weibliche Talente zu fördern. Ebenso hilfreich sind berufliche Vorbilder, die eine solche Entwicklung repräsentieren. Diese fehlen Frauen oftmals. Darum ist es kaum verwunderlich, dass Frauen in technischen Berufen und der IT unterrepräsentiert sind, obwohl es sich um gut bezahlte Berufe mit vielversprechenden Perspektiven handelt. Für weitreichende Veränderungen in diesem Bereich müsste frühzeitig angesetzt werden und bereits in den Schulen entsprechendes «Lobbying» stattfinden. Aktuell sind insbesondere die jeweiligen männlichen CEOs und Vorgesetzten gefordert, denn sie haben massiv Einfluss darauf, den Boden für gendergerechte Karrieren besser zu bereiten. Auch hier könnten genderspezifische Aus- und Weiterbildungen diesen Prozess unterstützen und beschleunigen.