Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Es gibt mehr als Kostensenkung

Die Kosten zu senken, ist oft der in Unternehmen gewählte Königsweg, um das operative Ergebnis zu verbessern. Natürlich sind angemessene Kosten für den Erfolg eines Unternehmens erforderlich, aber Kostensenkung wird regelhaft überbewertet und übertrieben.
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Oft höre ich Vorträge vor oder nach meinem eigenen Vortrag auf Veranstaltungen und in mindestens der Hälfte dieser geht es um Kostensenkung, um Produktivitätsverbesserungen, Steuerersparnisse und weitere, vor allem in der eigenen Kontroll- und Ausübungsspanne liegende Themen. Wenige Vorträge beschäftigen sich interessanterweise mit den ersten Zeilen der Gewinn-und Verlustrechnung.

Meist sind Unternehmen mit guter Prozessexzellenz, jedoch schlechter Strategieexzellenz ausgestattet

In meinen Vorträgen zeichne ich meist ein Koordinatensystem auf. Die eine Achse ist mit «Strategieexzellenz» bezeichnet und die andere mit «Prozessexzellenz». Beide Achsen mit je einem «Plus» und «Minus», sodass sich vier Felder ergeben. Ich frage die Teilnehmer dann, in welchem der entstandenen Felder sich ihrer Beobachtung zufolge die meisten Unternehmen befinden, die sie kennen – das eigene Unternehmen stets ausgenommen. Sind die meisten Unternehmen den Beobachtungen der Teilnehmer zufolge mit schlechter strategischer Exzellenz und schlechter Prozessexzellenz ausgestattet? Oder mit schlechter strategischer Exzellenz, aber hoher Prozessexzellenz? Oder umgekehrt? Oder sind die meisten Unternehmen gar mit hoher Strategieexzellenz und hoher Prozessexzellenz ausgestattet?

In den meisten Fällen kommen die Teilnehmer zu der Ansicht, dass die meisten Unternehmen, die sie selbst kennen, mit guter Prozessexzellenz und schlechter Strategieexzellenz ausgestattet sind. Es gibt bei der Beantwortung dieser Frage kein «richtig» oder «falsch», schliesslich handelt es sich ja um subjektive Beobachtungen, aber meine Kollegen in meiner Beratungsgesellschaft und ich haben in den letzten fast 30 Jahren genau diese Beobachtung gemacht: Viele Unternehmen weisen inzwischen eine hohe Effizienz und mitunter sogar Exzellenz in den Prozessen und Abläufen auf, dies aber bei einer geringen strategischen Exzellenz.

Warum ist dies so? Ein Erklärungsansatz besteht darin, dass die Optimierung von Prozessen und Abläufen im Unternehmen der eigenen Hoheit unterliegt und dass die Resultate einer solchen Optimierung oder Anpassung unmittelbar messbar und die Auswirkungen unmittelbar erkennbar sind. Soll die Kapitalbindung im Lager gesenkt werden, werden die Bestellfrequenzen erhöht und die Bestellmengen vermindert, vielleicht wird just in time eingeführt. Sollen die Bezugskosten gesenkt werden, erfolgen Verhandlungen mit Lieferanten. Soll die Durchlaufzeit gesenkt werden, werden die entsprechenden Prozesse angepasst. Soll die Produktivität gesteigert werden, werden vielleicht die zu produzierenden Losgrössen erhöht oder es zieht eine Automatisierungsinitiative durch das Unternehmen.

Wie auch immer die Prozessoptimierung aussieht: Sie unterliegt in grossen Teilen dem eigenen Einfluss und der Effekt – ganz egal in welche Richtung er geht – ist direkt erkennbar. Unmittelbares Feedback ist der Lohn für Prozess- und Kostenoptimierungen.

Unsicherheitsfaktoren verhindern Engagement für strategische Arbeit

Gänzlich anders verhält es sich, will ein Unternehmen an seiner strategischen Exzellenz arbeiten. Hier befinden wir uns in einem Feld mitunter enormer Unsicherheit und Ambiguität, mit der nicht wenige Unternehmenslenker interessanterweise weder umgehen können noch umgehen wollen, was sich natürlich auf die Zukunftsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens nicht notwendigerweise positiv auswirkt. Die Auswirkungen der strategischen Arbeit sind oft nicht messbar, zumindest nicht mit direkter Zuordnungsmöglichkeit von Massnahmen zu Wirkungen. Und das macht die strategische Arbeit weniger belohnend, zumindest direkt.

Nun wissen wir natürlich, dass zu einem mittelständischen Unternehmen auch die Arbeit an der Strategie gehört, heute ist dies vermutlich noch wichtiger als in der Vergangenheit. Mehr noch: Heute muss die Entwicklung der Strategie oder ihre Weiterentwicklung wesentlich schneller gehen und auch die Realisierung des Beschlossenen hat heute weniger Zeit zur Verfügung, als es in der Vergangenheit der Fall war. Alles ist und wird schneller. Dennoch, obwohl das Wissen über den Wert der strategischen Arbeit bekannt ist und obwohl intellektuell klar ist, dass der Gewinn aus profitablem Umsatz und nicht aus einer Kostensenkung kommt, wird der Kostensenkung, der Prozessoptimierung, der Effizienzsteigerung und auch der steueroptimierenden Modellierung wesentlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Strategieentwicklung. Profitable Kundenentwicklung? Oder Preiserhöhungen? Kundenportfoliobereinigung? Bereinigung des Angebots an Produkten und Dienstleistungen? Zu kompliziert, zu unsicher, ob der Kunde da mitspielt? Da beschäftigen wir uns doch lieber mit Dingen, die sicher und direkt wirken.

Wachstum lässt sich nicht ersparen

Hier kommen nun wichtige Nachrichten: Prozesse können nicht bis in die Perfektion hinein optimiert werden. Erstens gibt es so etwas wie Perfektion nicht, zweitens sinkt der Wirkungsgrad bei zugleich erforderlicher höherer Energiezufuhr, drittens müssen wir aufpassen, dass wir schlank bleiben und uns nicht magersparen oder mageroptimieren. Mager zu sein, das ist für die Unternehmensgesundheit dramatisch. Nein, das Wachstum kann man sich buchstäblich nicht ersparen. Natürlich müssen die Kosten angemessen sein und natürlich plädiere ich an dieser Stelle auch nicht für eine Verwahrlosung der Prozesse-Landschaft. Aber wichtiger als der permanente Blick auf die Kosten, wichtiger als der permanente Blick auf die optimierten Prozesse ist der Blick auf den Markt. Die Kernfrage, die es zu stellen gilt, ist: «Wie erzielen wir profitablen Umsatz?». Damit ist impliziert, dass der getätigte Umsatz beim Durchlauf durch die Organisation nicht aufgefressen wird und damit sind effiziente Prozesse von vorneherein gefordert – je nach Preis und Marge mal stärker, mal weniger stark. Aber auch der oben bereits erwähnte Preis und die richtige Adressierung der richtigen und gewünschten Kunden ist relevant für jenen profitablen Umsatz, den wir erzielen wollen.

Nebenbei bemerkt: Auch wenn die aus der Strategie resultierenden Aktivitäten sich nicht direkt in messbare Auswirkungen übersetzen lassen, macht es wesentlich mehr Freude, sich mit der Eroberung weiterer Märkte und Marktanteile, mit der Beglückung weiterer Kunden zu beschäftigen, als sich permanent um das Herausquetschen weiterer Effizienzvorteile zu kümmern. Ich spreche hier wohlgemerkt – und da möchte ich richtig verstanden werden – nicht von der Tolerierung von Verschwendung, aber ich spreche von dem angemessenen Einsatz der wertvollen Ressource «Zeit». Man schaue einmal auf erfolgreiche Unternehmen der eigenen Branche. Wodurch zeichnen sie sich aus? Richtig: Durch tolle Produkte und Leistungen, die an die richtigen Kunden für den richtigen Preis auf die richtige Weise verkauft werden.

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