Der Begriff «Unternehmensnachfolge» oder «Führungsnachfolge» sagt schon viel über die Einstellung der Betroffenen aus: Jemand soll einem anderen nachfolgen, es ihm gleichtun, in seine Fussstapfen treten, so führen und handeln, wie es vor ihm schon üblich war. Doch dieser Ansatz ist zum Scheitern verurteilt. Denn wer nachfolgt, geht nicht voraus, kann keine Verantwortung übernehmen und keine neuen Impulse setzen. Zudem wird von ihm oder ihr verlangt, eine Verhaltensweise an den Tag zu legen, die der eigenen Persönlichkeit nicht entspricht.
Nachfolge als Change-Projekt
Meist entstammt der Neue einer anderen Generation, wurde anders sozialisiert und bringt neue Erfahrungen mit. Auch ist es nicht ungewöhnlich, dass der Vorgänger bestimmte Themen nicht mehr angegangen ist, um dem Nachfolger nicht vorzugreifen. Wenn es klar ist, dass der eigene berufliche Werdegang zu Ende geht, greift man keine Ziele an, deren Verwirklichung die nächsten Jahre beansprucht. Diese Aufgabe wird fairerweise dem Nachfolger überlassen, der dann im wortwörtlichen Sinne nicht nachfolgen darf, sondern neue Wege gehen muss.
Allein dieser Aspekt unterstreicht, dass der Prozess der Führungsübergabe meist ein Wandelziel ist – also ein Change-Projekt –, dessen Umsetzung häufig die Unternehmenskultur verändert und alle Mitwirkenden betrifft. Hinzu kommt, dass der Übergebende und der Nachfolger gemeinsam ein Stück des Weges gehen, um die Einarbeitung sicherzustellen. Diese gemeinsame Zeit stellt eine grosse Herausforderung für alle Parteien dar:
- Der Nachfolger will frühzeitig eigene Spuren hinterlassen, indem er neue Wege geht.
- Der Übergebende ist gewohnt, allein zu entscheiden, und ihm fällt es schwer, Macht zu teilen oder Verantwortung abzugeben.
- Das Team muss nun mit zwei Chefs arbeiten, die sich nicht immer klar darüber sind, ob sie beide das Gleiche wollen.
Wesentliche Erfolgsfaktoren
Dies sind meistens auch die Ursachen, wenn der Prozess des Führungsübergangs schwieriger und langwieriger (und damit auch teurer) ist, als ursprünglich gedacht, in Ausnahmefällen sogar die Existenz des Unternehmens gefährdet. Je eher sich die Betroffenen diesem Thema stellen, strukturiert vorgehen und von vornherein drohenden Gefahren begegnen, desto mehr Zeit, Geld und Ärger bleiben erspart. Die folgenden wesentlichen Erfolgsfaktoren einer gelungenen Unternehmensnachfolge verschaffen einen ersten Überblick.
Unternehmensnachfolge ist Teil der mittelfristigen Planung
Unternehmensnachfolge dauert länger als ein bis zwei Jahre. Es ist zu empfehlen, sich rechtzeitig Gedanken zu machen und den Prozess bereits fünf Jahre vorher anzustossen. Damit ist die Nachfolgeregelung Teil der mittelfristigen Planung (Periodenzielplanung) und sollte in der Strategieentwicklung und der Unternehmensausrichtung, die sich meist auf vier bis sieben Jahre bezieht, berücksichtigt werden. Falls ein Strategiewechsel angestrebt wird, ist es essenziell, den Nachfolger rechtzeitig ins Boot zu holen, da er ja massgeblich für dessen Umsetzung verantwortlich sein wird.
Die Nachfolge wird von den wichtigsten Stakeholdern mitgetragen
Anteilseigner wie die Unternehmerfamilie, die Führungsmannschaft, Mitarbeiter, wichtige Kunden, wesentliche Lieferanten und Fremdkapitalgeber wie Banken, all diese Stakeholder haben Ansprüche an das Unternehmen und damit an den Nachfolger. Diese sind sehr verschieden und stehen teilweise im Widerspruch zueinander. Damit eine Nachfolge gelingen kann, gilt es zu prüfen, welche Betroffenen mit welchen Ansprüchen erfolgskritisch für den Prozess sind. Dann muss abgewogen werden, wie die Ansprüche zu erfüllen sind und welche Möglichkeiten es gibt, die Betroffenen für die Nachfolgeentscheidung zu gewinnen, auch wenn sie ihre eigenen Vorstellungen nicht umsetzen können. Insbesondere der Senior-Chef ist hier gefordert, die wichtigen Personen und deren Ansprüche schriftlich festzuhalten. Anschliessend gilt es, einen Massnahmenplan inklusive Kommunikationskonzept zu entwickeln:
- Was ist wann zu tun?
- Wer ist wie zu informieren?
- Welche Gespräche sind zu führen?
- Wie können die wichtigsten Betroffenen in den Nachfolgeprozess eingebunden werden, sodass sie bewusst mitgestalten und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden?
Die Lebensplanungen der Beteiligten werden berücksichtigt
Wichtig für die Nachfolgeregelung ist, dass der Senior-Chef und sein Nachfolger jeweils eine klare Zielvorstellung haben: Der Übergebende braucht ein Zielbild für die Zeit nach seiner Führungstätigkeit, das ihn emotional anspricht und das er mit Leidenschaft verfolgen will. Nur so kann er loslassen. Der Übernehmende sollte sich bewusst und selbstbestimmt für die Unternehmensführung entscheiden. Seine Lebensziele müssen mit seinen neuen Herausforderungen im Einklang stehen. Zudem sind die Vorstellungen der Lebenspartner zu berücksichtigen. Deren Einfluss auf eine erfolgreiche Übergabe wird häufig unterschätzt. In den Nachfolgeprozessen unserer Kunden, die wir begleiten, wird uns immer wieder vor Augen geführt, wie wichtig das private Umfeld ist: Es kann Motivationsquelle und Förderer sein – es kann aber auch den gesamten Prozess zum Scheitern bringen.