Strategie & Management

Krisenmanagement

Erfolgreiche Unternehmensführung entlang der Krisenkurve

Eine Krise kann jedes Unternehmen treffen. Neben einer Pandemie gibt es zahlreiche andere mögliche Auslöser. Und doch folgt ein Krisenverlauf immer dem gleichen Drehbuch. Der Beitrag beschreibt die Phasen einer Krise und Ansätze, diese erfolgreich zu überwinden.
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Unternehmen erleben immer wieder dramatische Zeiten: Ob sich Kundenbedürfnisse ändern, neue Wettbewerber in den Markt eintreten, Regulierungen dazukommen, die Finanzmärkte Kapriolen schlagen, wichtige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder die Nachfolge im Unternehmen nicht rechtzeitig vorbereitet wird – es benötigt nicht einmal so besondere Effekte wie die Coronakrise, damit ein Unternehmen ins Schlingern gerät. Krisen gab es und wird es auch immer geben. Oft sind sie schleichend und manchmal prallen sie ad hoc auf uns ein. In jeder Krise steckt eine eigene Geschichte, und Unternehmen durchlaufen sie mit unterschiedlichem Ausmass und diversen Auswirkungen. Dennoch gibt es ein verbindendes Element, eine Struktur, die jeder Krise immanent ist: die Krisenkurve. 


Die Phasen einer Krise

Diese Krisenkurve gilt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch menschlich. Nicht nur das Drehbuch der Wirtschaftlichkeit folgt bestimmten Phasen. Auch die menschliche Ebene will Beachtung finden. Nur als Ganzes betrachtet schaffen es Unternehmen in die gewünschte Neuausrichtung und schliesslich zum Erfolg.


Phase 1: Verneinung
Die meisten Krisen kommen schleichend daher, so dass man diese zuerst gar nicht bemerkt. Daher etablieren sich viele neue Technologien wie das Internet oder die digitale Datenverarbeitung erst ganz langsam, ohne dass ein etabliertes Unternehmen sofort davon Kenntnis nehmen beziehungsweise direkt darauf reagieren muss. Oder ein neuer Marktteilnehmer etabliert sich im Markt, der zwar am Anfang noch keine Chancen bei den eigenen Kunden hat, sich aber mit der Zeit über andere Gruppen an die eigenen Kunden des Unternehmens annähert. Man merkt viel zu spät, dass man einen neuen Trend (wie Technologien, Wettbewerb oder Kundenbedürfnisse) mehr oder weniger bewusst ignoriert hat. 

Das einwirkende Ereignis wird schlichtweg abgelehnt. Typische Aussagen in dieser Phase sind: «Das glaube ich nicht. Wir haben es doch bisher immer richtig gemacht.» Oder: «Das stimmt doch gar nicht. So ein Quatsch, das zieht an uns vorbei.» Solche Reaktionen zeigen die Angst, gewohnte Strukturen und eine vertraute Unternehmenskultur zu ver­lassen. Als Antwort werden Anstrengungen im alten Muster verdoppelt, ohne dass sie zu brauchbaren Ergebnissen führen. So wie der Lift nicht schneller kommt, wenn man den Knopf immer und immer wieder drückt. 

Phase 2: Einsicht 
In der zweiten Phase nimmt das Realitätsbewusstsein zu. Denn die ersten Umsatz- und Gewinneinbrüche lassen sich nicht mehr ignorieren, oder es kommt gar zu realen Verlusten. Irgendwann können selbst die offenen Rechnungen gegenüber den Lieferanten und Mitarbeitern nicht mehr rechtzeitig oder in voller Höhe bezahlt werden.

Diese neue Situation und deren Konsequenzen werden schrittweise akzeptiert. Unternehmer und Mitarbeiter erkennen mehr und mehr, dass ihre Ablehnung gegenüber neuen Markttrends und der daraus resultierenden Krise des eigenen Unternehmens nicht den gewünschten Erfolg bringt und dass der Wandel un­vermeidbar ist. 

Üblicherweise werden zuerst nur oberflächliche Veränderungen und kurzfristige Lösungen gesucht. Erst nach der rationalen Akzeptanz folgt die emotionale. Hier sinkt die Einschätzung der eigenen Kompetenz auf den Tiefpunkt. Schnell ist das Repertoire des Handelns erschöpft. Typische Sätze hier sind: «Jetzt habe ich doch wirklich alles versucht, ich weiss nicht weiter.» Oder: «Ich schaffe das nicht.» Das Selbstbewusstsein ist auf dem absoluten Tiefpunkt. 

An diesem tiefsten Punkt der Kurve fällt dem Unternehmer die wichtigste Rolle zu. Nur als ehrliches Vorbild mit Selbstdisziplin, Selbsterkenntnis, Selbstvertrauen und Selbstfürsorge kann er sich und seine Mitarbeiter Schritt für Schritt aus dem Tal der Tränen führen. Dabei helfen Techniken wie das Opfer-Gestalter-Modell, indem man sich bewusst wird, in welchen Bereichen man selbst etwas ändern kann, sowie der Visionsdreiklang. Gegenüber den Mitarbeitern geht es ferner um den Spagat einer offenen, ehrlichen Kommunikation, ohne allerdings noch mehr Ängste zu schüren, und um den Start in zielorientierte Massnahmen mit dem Horizont schneller Erfolge.  

Phase 3: Aufbruch 
Phase 3 ist die Phase des Annehmens. Die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter sagen jetzt «Ja» zur Krise und den damit verbundenen Veränderungen. Sie fangen an, mit der Situation konstruktiv umzugehen, und dabei entwickeln sie Neugier auf das Neue und die damit verbundenen Handlungen. Anspannung und Angst sind gewichen, die Trauer ist so weit bewältigt, dass erste Ideen entwickelt werden können und die Betroffenen wieder offen für Vorschläge sind. Sie beginnen neue Fähigkeiten, (Produkt-)Lösungen oder (Kunden-)Märkte auszuprobieren. Der Prozess des bewussten Lernens von neuen Geschäftsmodellen und Verhaltensweisen schreitet voran. Durch Erfolge und Misserfolge lernen Unternehmer und Mitarbeiter, welche innovativen Erfolgsmodelle angebracht sind. 

Eines der wichtigsten Prinzipien in dieser Phase ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei gibt es nur zwei Strategien, die einer Firma langfristig das Überleben sichern: Entweder ist ein Unternehmen Kostenführer oder es ist Nutzenführer. Man ist entweder so günstig in seinen Leistungsprozessen und Strukturen, dass man selbst bei niedrigen Preisen gute Renditen erwirtschaftet. Oder man bietet als Nutzenführer seinen Kunden qualitative und /oder emotionale Mehrwerte, für die diese freiwillig einen Preisaufschlag akzeptieren. 

Wer jedoch weder reale Kosten- noch Nutzenvorteile liefert, befindet sich im Sumpf der Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit. Diese Unternehmen repräsentieren den Durchschnitt, haben eine niedrige oder sogar negative Rentabilität und können sich nur noch durch preisaggressive Verkaufsstrategien vermarkten. Und es kommt noch schlimmer: In diesen Zeiten des digitalen Wandels treten auf einmal neue Wettbewerber auf den Markt, die gleichzeitig Kosten- und Nutzenführer sind. Deutsche Transportfirmen wie Flixbus oder Handelsplattformen wie «wirkaufendeinauto.de» generieren Kosten- und Nutzenvorteile – mit einer neuen Dimension der Wettbewerbsvorteile. 

Phase 4: Erfolg
Das Handlungsspektrum der Unternehmer und Mitarbeiter hat sich inzwischen erweitert. Erfolge stellen sich ein und damit auch die Erkenntnis, wann neue Geschäftsmodelle und Verhaltensformen angemessen sind und wo die alten Handlungsmuster noch Platz haben. Das neue Verhalten wird von den Betroffenen vollständig in den Alltag integriert und als selbstverständlich betrachtet. Die Bedeutung der Krise und der damit verbundenen Veränderungen für das Unternehmen und für die persönliche Entwicklung wird deutlich, und die neue Energie beginnt langsam Früchte zu tragen. Aus dieser Energie entwickeln sich Produktivitätssteigerung, Unternehmensgewinne und Zufriedenheit der Mitarbeiter, aber auch die der Kunden, Lieferanten, Banken und Gesellschafter. Das neue Verhalten wird zur angenehmen Gewohnheit.

Doch Vorsicht: Der Erfolg kann auch negative Konsequenzen haben. Ganz nach dem Motto «Erfolg killt Innovation» reden wir hier von der Arroganz des Erfolgs. Denn wie in Phase 1, der Verneinung, verkennen so manche erfolgreichen Unternehmen, dass sich die Märkte ändern. Nur wer sich kontinuierlich mit dem sich immer wieder wandelnden Markt, dem Kundennutzen und seinen Finanzen beschäftigt, kann nachhaltig erfolgreich sein. 

Das Leben ist ein Auf und Ab – und das gilt auch für Unternehmen als lebendige Organisationen. Krisen wird es immer geben, das «Stirb und werde» ist normal. Wenn wir einen hohen Reifegrad erlangt haben, können wir es schaffen, flexibel auf Krisen zu reagieren und besser und vielleicht auch schneller mit ihnen umzugehen. Bei genauer Betrachtung ist die Krisenkurve daher ein Kreislauf.

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