Strategie & Management

Arbeitgeberattraktivität, Teil 2/2

Employer Branding – Positionierung und Umsetzung im Markt

Employer Branding ist eine strategische Massnahme, um das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und sich im Arbeitsmarkt positiv abzuheben. Nachdem der erste Teil dieser Serie zeigte, wie eine Employer-Branding-Strategie aufgesetzt wird, geht es in diesem Beitrag darum, wie eine erfolgreiche Positionierung im Markt umgesetzt werden kann.
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Ein Unternehmen befindet sich im Dreieck zwischen den eigenen Stärken, den Mitbewerbern im Arbeitsmarkt und den unterschiedlichen Wünschen der Zielgruppen. Ein direkter Vergleich mit Mitbewerbern sollte vermieden werden, da jedes Unternehmen einzigartig ist. Zwar ist es sinnvoll, die Konkurrenz zu beobachten, jedoch führt Nachahmung selten zum Erfolg. Die Kommunikation der Konkurrenz passt zu deren Identität, nicht zur eigenen. 

Stattdessen sollte man sich von Marktbeobachtungen inspirieren lassen und daraus ein individuelles Employer Branding entwickeln. Der Fachkräftemangel lässt sich zwar nicht beseitigen, aber durch eine gezielte Positionierung des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt kann der Recruitingerfolg trotz der bekannten Engpässe auf eine solide Basis gestellt werden.

Stärken und Bedürfnisse

Eine optimale Positionierung wird erreicht, wenn die Stärken des Unternehmens mit den Wünschen der unterschiedlichen Zielgruppen verbunden werden. Deshalb ist es wichtig, die Zielgruppen genau zu kennen. Verschiedene Zielgruppen haben unterschiedliche Bedürfnisse, die angesprochen und abgedeckt werden wollen. Das grundlegende Fundament des Employer Brandings sollte für alle Mitarbeiter gleichermassen gelten. Dennoch ist es wichtig, die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen gezielt anzusprechen. Durch eine differenzierte Kommunikation können Un­ternehmen sicherstellen, dass sie die individuellen Erwartungen und Wünsche ihrer vielfältigen Belegschaft erfüllen.

Im Fachbuch «Praxisleitfaden erfolgreiche Personalgewinnung für KMU» definiert Stefan Scheller die Erfolgsformel für die Personalgewinnung: Erfolg = Attraktivität × Sichtbarkeit. Die Employer Value Proposition (EVP) des Unternehmens ­bestimmt die Attraktivität, während die Sichtbarkeit durch alle Employer-Branding-Massnahmen erzielt wird.

Ansätze zur Positionierung

Um ausgetretene Pfade zu verlassen und Neuland zu betreten, können verschiedene Ansätze verfolgt werden:

  • Überarbeitung von Stellenanzeigen, um sie attraktiver zu gestalten.
  • Neue oder andere Massnahmen zur ­Bewerbung bestimmter Positionen.
  • Nutzung von Offline-Möglichkeiten, wie Präsenz auf Veranstaltungen.
  • Kreative Offline-Präsenz, um positiv im Gespräch zu bleiben.
  • Berücksichtigung der Präferenzen der Bewerbenden, beispielsweise Gespräche mit Fachkollegen als Teil des In­terview-Prozesses.
  • Ernsthafte und zeitnahe Beantwortung von Rückmeldungen auf Plattformen wie Google, Glassdoor und/oder kununu.
  • Gewinnung von Personen, die unbewusst auf der Suche sind und bei passender Gelegenheit zupacken. Diese Gruppe stellt ein grosses Potenzial dar.
  • Präsenz im Netz durch eine Social-­Media-Strategie, die Mitarbeiter zu ­aktiver Teilnahme einlädt.
  • Nutzung von Testimonial-Videos und Alltagseinblicken in der Firma auf ­Social Media.
  • Identifizierung von Mitarbeitern, die als interne und externe Influencer ­fungieren können.

Viele dieser Massnahmen sind mit einem kleinen Budget möglich und eher eine Frage des Mindsets. Für grössere Inves­titionen kann eine Berechnung der «Cost of Vacancy» durchgeführt werden. Dies hilft, das Budget für kostenintensive Massnahmen zu rechtfertigen.

Cost-of-Vacancy-Berechnung

Ohne Mitarbeiter können keine Geschäfte zustande kommen: keine Pro­duktion, keine Verkäufe. Eine Faustregel besagt, dass eine unbesetzte Stelle nach 83 Tagen so viel kostet wie das jeweilige Bruttojahresgehalt. Zur genaueren Berechnung hat die Harvard University eine Formel entwickelt, der in der Fachwelt eine hohe Plausibilität zugesprochen wird:

  • Das Jahresgehalt für das Bruttojahresgehalt, welches in der Position verdient wird.
  • Die durchschnittliche Anzahl an Arbeitstagen pro Jahr.
  • Der Faktor für den Beitrag, den die Stelle zum Unternehmensumsatz leistet (1 = kleiner Beitrag, 3 = grosser Beitrag).
  • Die Time to Hire, der durchschnittliche Zeitraum zur Neubesetzung der Stelle.

Beispiel: Bei 254 Arbeitstagen und einem Gehalt von 90 000 CHF wird die Stelle mit dem Faktor zwei gewichtet und benötigt 100 Tage zur Neubesetzung. Dies bedeutet, dass eine unbesetzte Stelle nach nur 100 Tagen über zwei Drittel dessen kostet, was sie in einem Jahr besetzt kosten würde. Die Formel lautet also:

Beispiele und Erfolgsfaktoren

Einbindung der ganzen ­Belegschaft

Die aktive Einbindung der Mitarbeiter in das Employer Branding stärkt die Au­thentizität und Glaubwürdigkeit der Mar­kenbotschaften. Mitarbeiter, die stolz auf ihr Unternehmen sind und sich mit dessen Werten identifizieren, sind die besten Markenbotschafter.

  • Botschafterprogramme: Einrichten von Programmen, bei denen engagierte Mitarbeiter als Markenbotschafter agieren und auf Karriere-Events oder in sozialen Medien ihre positiven Erfahrungen teilen.
  • Feedback-Kultur: Förderung einer offenen Feedback-Kultur, in der Mit­arbeiter ihre Meinungen und Ideen einbringen können. Dies verbessert nicht nur die internen Prozesse, sondern zeigt auch potenziellen neuen Mitarbeitern, dass ihre Stimme gehört wird.

Perspektiven bieten

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Em­ployer Brandings ist die Betonung der Weiterbildung und der Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens. Dies zeigt potenziellen Bewerbern, dass das Unternehmen in seine Mitarbeiter ­investiert und ihnen langfristige Persektiven bietet.

  • Karrierepfade: Klare und transparente Karrierepfade aufzeigen, die den Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen bieten.
  • Schulungsprogramme: Regelmäs­sige Schulungs- und Weiterbildungsprogramme anbieten, die sowohl fachliche als auch persönliche Entwicklung fördern.

Arbeitsumgebung und Kultur

Eine positive Arbeitsumgebung und eine starke Unternehmenskultur sind Schlüsselfaktoren für ein erfolgreiches Employer Branding. Diese Aspekte tragen wesentlich dazu bei, die Mitarbeiterzufriedenheit und
-bindung zu erhöhen.

  • Arbeitsplatzgestaltung: Schaffung einer ansprechenden und ergonomischen Arbeitsumgebung, die das Wohlbefinden und die Produktivität der ­Mitarbeiter fördert.
  • Teambuilding-Aktivitäten: Regelmässige Teambuilding-Aktivitäten und Veranstaltungen, die den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit im Team stärken.

Diversity und Inklusion

Die Integration von Diversity- und In­klusionsmassnahmen in das Employer Branding ist ein wichtiger Schritt, um ein vielfältiges und integratives Arbeitsumfeld zu schaffen. Dies zeigt potenziellen Bewerbern, dass das Unternehmen Vielfalt schätzt und fördert.

  • Vielfaltsstrategien: Entwicklung und Umsetzung von Vielfaltsstrategien, die auf die Förderung einer inklusiven Unternehmenskultur abzielen.
  • Schulungen zur Sensibilisierung: Durchführung von Schulungen zur Sensibilisierung für Vielfalt und Inklusion, um das Bewusstsein und das Verständnis innerhalb der Belegschaft zu erhöhen.

Langfristige Erfolgsstrategien

Langfristiger Erfolg im Employer Branding erfordert kontinuierliche Anstrengungen und Anpassungen an die sich ­ändernden Marktbedingungen und Mitarbeiterbedürfnisse. Regelmässige Überprüfung und Weiterentwicklung der ­Employer-Branding-Strategien sind entscheidend, um relevant und attraktiv zu bleiben.

  • Marktanalyse: Regelmässige Analyse der Entwicklungen und Trends auf dem Arbeitsmarkt, um die Employer-Branding-Strategien entsprechend anzupassen.
  • Mitarbeiterbefragungen: Durchführung regelmässiger Mitarbeiterbefragungen, um Feedback zu sammeln und die Zufriedenheit sowie die Bedürfnisse der Mitarbeiter besser zu verstehen.

Die Unternehmensgeschichte 

Donald Miller beschreibt in «Story Brand», wie eine Firma oder Marke in ­sieben Schritten erfolgreich gemacht werden kann. Es ist entscheidend, dass die gesamte Belegschaft die Story (Corporate Brand und/oder Employer Brand) versteht und verinnerlicht. Geschieht dies nicht, entsteht eine «narrative Leere», die gemäss Donald Miller durch die sogenannte «Thoughtmosphere» gefüllt wird – eine Mischung aus Überzeugungen und Vorstellungen, die das Verhalten und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter beeinflusst.

Die Mission

Dies gelingt durch regelmässige Veranstaltungen, bei denen die gemeinsame Mission und die dahinterstehenden Geschichten klar kommuniziert werden. Dies ist eine klare Aufgabe für das Management-Team: ein Top-down-Ansatz. Eine echte Mission ist kein blosses Sta­tement, sondern eine Art zu leben und zu sein. Eine Mission geht über Symbole und Rituale hinaus und betrifft alles, was den Mitarbeitern am Herzen liegen sollte. Eine Mission ist eine Story, die die Geschäftsleitung mit jeder Strategie, jedem operativen Detail und jeder einzelnen Kundenerfahrung bekräftigt.

Zusammenfassung

Employer Branding ist ein umfassender und strategischer Prozess, der weit über einfache Marketingmassnahmen hinausgeht. Es geht darum, eine authentische, attraktive und konsistente Arbeitgebermarke zu schaffen, die sowohl potenzielle als auch bestehende Mitarbeiter anspricht und begeistert. Durch gezielte Massnahmen, regelmässige Evaluation und Anpassungen sowie die aktive Einbindung der gesamten Belegschaft kann ein Unternehmen seine Position im Arbeitsmarkt stärken und sich klar von der Konkurrenz abheben. 

Eine starke Employer Brand führt nicht nur zur Gewinnung neuer Talente, sondern auch zur Steigerung der Zufriedenheit und Bindung der bestehenden Mit­arbeiter. Mit einer klaren Mission, authentischer Kommunikation und kontinuierlichen Inves­titionen in die Unternehmenskultur wird das Unternehmen zu einem begehrten ­Arbeitgeber, der für Qualität, Innovation und Mitarbeiterzufriedenheit steht.

Porträt