Strategie & Management

Automobile Trends und Flottenmanagement II

Elektromobilität weiter im Aufwärtstrend

Die Schweizer haben Interesse an Elektroautos, und es gibt interessante Innovationen in diesem Bereich. Ob sie allerdings tatsächlich umweltfreundlicher sind als Benziner oder Diesel, kann nicht schnell und einfach beantwortet werden.
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Das am häufigsten zugelassene Fahr­zeug im März 2019 war ein reines Elektroauto. Während schweizweit 1094 Tesla Mo­del 3 neu zugelassen wurden, kamen die bisherigen Bestseller Skoda Octavia und VW Golf auf 801 beziehungsweise 546 Neuzulassungen. Obwohl das Tesla Model 3 erst seit Ende Februar in der Schweiz auf dem Markt ist, kann die elektrische Mittelklasse-Limousine bereits 1371 Neuzulassungen im ersten Quartal 2019 verbuchen. 

Dadurch trug das Model 3 dazu bei, dass Tesla in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres schon mehr E-Autos in der Schweiz absetzen konnte als im gesamten Vorjahr. Dies meldete die Plattform «E-Mobilität Online», das neue Branchen- und Informationsportal für die Elektromobilität im deutschsprachigen Raum; darin werden Hersteller und Anbieter präsentiert, darunter auch Schweizer Unternehmen. 

Elektrische Nutzfahrzeuge

Auch als Nutzfahrzeuge werden Elektromobile entwickelt. Suncar HK ist ein Start-up-Unternehmen der ETH Zürich und Tochtergesellschaft der Baumaschinenfirma Huppenkothen. Das Team von rund einem Dutzend Ingenieuren ist auf die Elektrifizierung von Baumaschinen, Nutz- sowie Kommunalfahrzeugen spezialisiert. In der elektrischen Variante bietet das Unternehmen den Geräteträger und Gehwegbearbeiter «Beat.e» sowie den E-Transporter und auch Geräteträger «Reto.e» an, von denen es auch Diesel-­Varianten mit gleichen Funktionen gibt. Nach Angaben der beiden Schweizer Unternehmen stossen die beiden E-Fahrzeuge bereits auf grosses Interesse bei Städten und Gemeinden. Bei Suncar arbeiten jährlich mehrere Studierende von verschiedenen Schweizer Hochschulen. Jedes Jahr kommen neue Studierende dazu, die im ersten Halbjahr Projekt­erfahrung sammeln, um im zweiten Halbjahr ihre Bachelorarbeit im Sun­car-­Projekt zu machen, das heisst, die Studierenden konzipieren und konstruieren ein Objekt. 

Die Flusszellentechnologie

Von den einen als zukunftsweisendes Unternehmen gefeiert, von anderen – wie viele Erfinder – als Spinner belächelt werden die Inhaber der Firma Nano Flowcell. Flusszellen, auch Redox-Flow-Batterie (RFB) genannt, waren früher garagengrosse Konstruktionen zur sta­tionären Energiespeicherung in Windkraft- und Solaranlagen. Die Nano Flowcell hat nur noch die Grösse eines Aktenkoffers, gleichzeitig wurde die Energiedichte der Elektrolyte verzehnfacht. 

So erklärt die Website der Firma die entscheidende Innovation: Anders als bei herkömmlichen Batterien wird die Energie der Nano Flowcell in Form von flüssigen Elektrolyten (Bi-Ion) bereitgestellt, die aus­serhalb der eigentlichen Zelle ge­la­gert werden können. Die positiv und negativ geladenen Elektrolytflüssigkeiten werden getrennt in zwei separaten Tanks gespeichert und in getrennten Kreisläufen durch einen Wandler, die eigentliche Zelle des Nano-Flowcell-Systems, gepumpt. Sobald die positive und die negative Elektrolyt­lösung zu beiden Seiten eine durchlässige Wandler-Membran pas­sieren, findet ein Ionenaustausch statt. Dadurch wird die in Bi-Ion gebundene chemische Energie in Elektrizität umgewandelt, die den elek­trischen Verbrauchern unmittelbar zur Verfügung steht. Die verbrauchten Bi-­Ion- Elektrolytflüssigkeiten können einfach nachgefüllt werden, was eine Wiederaufladung un­nötig macht. Diese Methode kann man für diverse Verkehrsmittel einsetzen, für Autos, Schiffe und Bahnen.

Umstrittenes Unternehmen

Zur Geschäftsleitung gehören laut Moneyhouse Hektor Albert Bertschi, Jens-Peter Ellermann und Nunzio La Vecchia. Letzterer hat nicht nur auf technischem Gebiet für Schlagzeilen gesorgt. Im Bericht «Der Traumfabrikant» erwähnte der Beobachter 2016 eine reiche Witwe, die La Vecchia Kapital zur Verfügung stellte und ihn hinterher wegen Betruges anklagte. Bei der Staatsanwaltschaft ist sie abgeblitzt, weil sie als geschäftserfahrene Frau die Kompetenz zur Beurteilung dieser Firma hätte. Das war wohl eine Privatgeschichte. 

Beim Traum blieb es offensichtlich nicht, die Firma besteht heute noch. Schon 2015 wurden ihre Autos im Autosalon Genf präsentiert. Der Quantino 48 Volt könne über 1000 Kilometer zurücklegen, ohne dass eine Auffüllung nötig sei, berichtet «E-Mobilität Online». Bei Nano Flowcell wird berichtet, dass das Testfahrzeug seit 2016 im realen Dauertest mehr als 200 000 Strassenkilometer und 150 000 Kilometer auf dem Prüfstand zurückgelegt hat. Man musste einige Verschleissteile wie Bremsen und Reifen auswechseln und kleinere Reparaturarbeiten durchführen, der Antrieb arbeitete fehlerfrei. 

Laut Pressebericht des Unternehmens hat das Forschungs- und Entwicklungsunternehmen Nano Flowcell Holdings bereits eine Bestellung über 500 Quant-48-Volt- und 25 000 Quantino-48-Volt-Testfahrzeuge erhalten und bestätigt. Die Geschäftsleitung betrachtet das indirekt als Anerkennung des Geschäftsplanes. Man will eine Pilotanlage für die Serienproduktion (CKD) von Quant-Niedervoltfahrzeugen sowie zur Herstellung von Nano-Flowcell-Flusszellen und Bi-Ion- Elektrolytflüssigkeit errichten.

ÖPV – aus Fehlern lernen

Im Bereich des öffentlichen Verkehrs macht man mit Elektrofahrzeugen nicht immer gute Erfahrungen. Im März 2019 haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gemeinsam mit den Herstellern Solaris und Mercedes-Benz die neuen Elektro-Eindecker vorgestellt. Je 15 Fahrzeuge der Typen Urbino 12 electric (Solaris) und E-Citaro (Mercedes-Benz) sollen noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden. Bis 2030 soll dann die gesamte Busflotte auf E-Antrieb umgestellt sein. So lautet das gemeinsame Ziel des Landes Berlin und der BVG. Elektrobusse kosten mehr als herkömmliche Fahrzeuge, dazu kommen noch die Investitionen für die Ladestationen. 

Nur leider funktionieren die Busse nicht wie erwünscht. Wie die Berliner Morgenpost am 19. Juni gemeldet hat, können sie höchstens einen halben Tag fahren und müssen dann wieder zur Ladestation. Dadurch hätten sie nur eine Reichweite von 125 Kilometern. Herkömmliche Dieselbusse schaffen 600 bis 700 Kilometer am Tag. Solche Misserfolge sollte sich die Schweiz ersparen. Eine ernst zu nehmende Variante, speziell zu den E-Bussen, ist der O-Bus oder Trolley-Bus, wie er noch in vielen Städten in der Schweiz unterwegs ist, zum Beispiel in Zürich. Diese Fahrzeuge sind in der Anschaffung zwar erheblich teurer als Dieselbusse, etwa wegen geringer Stückzahl. Aber sie haben unter dem Strich die Nase vorn. Im ehemaligen Westberlin wurden die Strassenbahnen stillgelegt und Dieselbusse ein­gesetzt – wozu man sämtliche Gleise entfernte. Inzwischen gibt es neue Stras­senbahnstrecken bis zum Hauptbahnhof. Im Moment wird erwogen, O-Busse einzuführen, die benötigen keine Gleise, und Busspuren sind ja schon vorhanden.

Batterieentwicklung

Konventionelle Batteriesysteme bestehen meist aus mehreren Einzelzellen, die über Kabel miteinander verbunden sind, heisst es in einer Information des Fraunhofer Institutes. Dies ist nicht nur aufwendig, sondern es besteht zudem die Gefahr von Hot-Spots – also Bereichen, in denen die Kabel zu heiss werden. Dazu kommt: Jede einzelne dieser Zellen muss verpackt werden. Ein grosser Teil der Batterie besteht also aus inaktivem Material, das nicht zur Batterieleistung beiträgt. Bipolare Batterien sollen dieses Problem lösen: Bei ihnen werden die einzelnen Zellen mittels flächiger Bipolarplatten miteinander verbunden. Allerdings treten hier andere Herausforderungen auf. Denn die Bipolarplatten bestehen entweder aus Metall und sind somit anfällig für Korrosion, oder sie werden aus einem Kunststoff-Kohlenstoff-Gemisch gefertigt, müssen dann allerdings herstellungsbedingt mindestens mehrere Millimeter dick sein.

Forscher am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht in Oberhausen haben nun eine Alternative entwickelt. Sie stellen Bipolarplatten aus elektrisch leitfähig eingestellten Polymeren her. Auf diese Weise kann man sehr dünne Platten herstellen und – verglichen mit den konventionellen mit Kabeln verbundenen Zellen – über 80 Prozent des Materials einsparen. Das Material korrodiert nicht und lässt sich nachträglich umformen. 

So können beispielsweise Strukturen hin­ein geprägt werden, wie sie für Brennstoffzellen wichtig sind. Die neuartigen Bipolarplatten lassen sich verschweissen, sodass das erhaltene Batteriesystem absolut dicht ist. Muster der neuartigen Bipolarplatten wurden schon gemeinsam mit der Saueressig GmbH + Co. KG produziert und an der Hannover Messe 2019 präsentiert. 

Elektroautos gelten als umweltfreundlich, weil sie beim Gebrauch kein CO2 ausstossen und weil eine Batterie recyclingfähig ist, während Benzin und Diesel verbrannt werden. 

Umweltaspekte

Dabei wird meist die «graue Energie» nicht berücksichtigt, die für Produktion und nicht zuletzt für den Transport gebraucht wird. Nach Ansicht von Fachleuten benötigt die Herstellung eines Autos, inklusive der Herstellung von Rohstoffen wie Stahl, Aluminium und Kunststoffen, einige zehntausend Kilowattstunden; hinzu kommt die Transportenergie. Ein Containerschiff braucht gut 10 000 Liter Schweröl pro Stunde. Ist ein Schiff mit 5000 Autos beladen, macht das pro Auto und Stunde zwei Liter Schweröl, für einen Tag also 48 Liter. Mit dieser Menge könnte das Auto 600 Kilometer fahren. Also wartet man am besten mit der Anschaffung eines Elektroautos, bis der alte Wagen nicht mehr brauchbar ist. 

Bei ARD und Focus erschien im Juni die Meldung, dass bei der Produktion einer normalen Batterie 17 Tonnen CO2 in die Luft gelangen. Ein Mittelklasse-Auto mit einem durchschnittlichen Verbrauch von sechs Litern könnte dafür 100 000 Kilometer fahren. Hinzu kommt, dass die Gewinnung von Batterierohstoffen wie Lithium, Kobalt und anderen seltenen Erden häufig umweltschädlich und menschenfeindlich ist. Sogar Kinderarbeit soll dabei nicht selten vorkommen. Ein Zerti­fikat für Fairness bei Produktion und Handel wäre auch in dem Bereich sehr wünschenswert. 

Bei TCS findet man ein Interview mit Konstantinos Boulouchos, ETH-Professor für Energietechnik. Nach seiner Aussage beträgt der CO2-Ausstoss eines Mittelklas­se-Elektroautos je nach Lebenszyklus­analyse zwischen 20 und 45 Tonnen. 40 Tonnen CO2 entsprechen den Emissionen von 14 000 Liter Benzin oder 12 500 Liter Diesel, damit kann der Diesel zirka 200 000 Kilometer fahren. Solange wir den Strom aus Kern- oder Kohlekraftwerken beziehen, sind auch elektrische Fahrzeuge nicht wirklich umweltfreundlich, ist Professor Boulouchos überzeugt. Erst wenn der Strom nur noch aus erneuerbaren Energien stammt, werden Elektroautos energieeffizient. Aber für eine vollständige Elektrifizierung der Pkws in der Schweiz würde man zusätzlich 25 Prozent vom jetzigen Stromverbrauch benötigen.

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