Strategie & Management

Beschaffungsmanagement

Ein Zehn-Punkte-Plan für den Einkauf in der Corona-Krise

Die Massnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus legen grosse Teile der Wirtschaft lahm und sorgen damit auch für Versorgungsengpässe. In der Folge kommt in vielen Unternehmen dem Einkauf eine Schlüsselrolle zu. Wie diese den damit verbundenen Herausforderungen gerecht werden können, zeigt dieser Beitrag.
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Veranstaltungen werden abgesagt, Schulen sind geschlossen und selbst der Fussball rollt nicht mehr. Der Corona-Virus hat die Welt fest im Griff und beeinflusst die gesamte Wirtschaft, wie man an der negativen Entwicklung an den Aktienmärkten weltweit erkennen kann.


Für die Unternehmen bedeutet das einerseits Bedrohungen durch den Einbruch von Umsätzen, wie zum Beispiel in der Touristik- und Gastronomiebranche und andererseits Versorgungsengpässe aufgrund von Unter­brechungen von Lieferketten, zum Beispiel in der Nahrungs­mittelindustrie.


Für viele Unternehmen nimmt in der Corona-Krise gerade der Einkauf in doppelter Hinsicht eine Schlüsselrolle ein: 

  • Durch aktives Risikomanagement zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit und 
  • durch Sicherstellung der Liquidität, um die Folgen von Umsatzeinbussen schnellstmöglich abzumildern.

Der nachfolgende Zehn-Punkte-Plan zeigt, wie der Einkauf diese doppelte Schüsselrolle bestmöglich ausfüllen kann:

1. Bilden Sie eine Corona-Einkaufs-Taskforce

Das Ausmass der Krise ändert sich täglich. Damit Ihr Unternehmen schnell und agil auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren kann, ist die Bildung einer Einkaufs-Taskforce notwendig. Stellen Sie ein funktionsübergreifendes Team aus Einkaufs- und Fachbereichsvertretern, die in täglichen Meetings aktuelle Herausforderungen und sofortige Gegenmassnahmen im Einkauf und entlang der gesamten Lieferkette bewerten und anstossen. Achten Sie darauf, dass sich in der Taskforce Teilnehmer mit der nötigen Fachexpertise in Bezug auf Einkauf, Logistik, Produktion et cetera befinden und diese mit entsprechenden Handlungs­befugnissen befähigt sind.

2. Sorgen Sie für eine persönliche und gleichzeitig risikofreie Kommunikation

Corona ist im direkten Kontakt hochansteckend und hindert den persönlichen Austausch enorm. Sich jedoch nur via E-Mail oder Telefon abzustimmen und die Zusammenarbeit auf ein Minimum zu reduzieren, ist gerade in der aktuellen volatilen Marktlage keine sinnvolle Alter­native. Sichten Sie daher den Markt nach entsprechenden digitalen Lösungen und beschaffen Sie die geeigneten Tools für Ihr Unternehmen, um einen kontinuierlichen Austausch mit Kollegen und Lieferanten beispielsweise über Videokonferenzlösungen, digitale Lieferantenaudits etc. weiterhin sicherzustellen.

3. Bewerten Sie Ihre Gefährdungssituation durch ein Lieferanten- und Warengruppen-Screening

Bevor Sie in Aktionismus verfallen, behalten Sie die Ruhe und verschaffen Sie sich einen Überblick. Es gilt systematisch zu bewerten, in welchen Warengruppen beziehungsweise bei welchen Lieferanten ein erhöhtes «Corona-Risiko» vorhanden ist und welche einkaufsrelevanten Auswirkungen bei Lieferausfall für Ihr Unternehmen entstehen können. Klären Sie im Rahmen des Warengruppen-Screenings daher folgende Fragestellung je Warengruppe:

  • In welchen Ländern produzieren meine Lieferanten? (Geografisches Risiko: etwa der «Shutdown» ganzer Industriesektoren, wie aktuell in Italien)
  • Wie ist die Lieferkette meiner Lieferanten ausgestaltet? (Logistisches Risiko: beispielsweise bei Containerfracht über asiatische Häfen)
  • Wie lange reichen meine Lagerbestände?
  • Habe ich Lieferantenalternativen in weitestgehend «Corona-freien» Ländern oder bin ich an meinen Liefe­ranten gebunden? («Single Source»-Risiko: beispielsweise Verlust von  produktionswichtigen Teilen oder Rohstoffen aufgrund von fehlenden Ausweichoptionen)
  • Wie stark trifft ein Lieferantenausfall unsere Produktion beziehungsweise gefährdet das Geschäftsergebnis? 

4. Priorisieren Sie Ihre Ausgaben neu

Es ist noch nicht absehbar, wie lange die Krise andauert und welche Umsatzeinbussen die verschiedenen Wirtschaftssektoren hinnehmen müssen. Was jedoch sicher ist, ist, dass die Liquidität vieler Unternehmen stark beeinträchtigt wird. Priorisieren Sie daher schon heute Ihre Ausgaben und fokussieren Sie sich auf die Produkte und Dienstleistungen, die Sie zur Aufrechterhaltung des Geschäfts unbedingt benötigen. Im Gegenzug verschieben Sie nicht unbedingt notwendige Investitionen und verschärfen Sie Ihre Bedarfsrichtlinien und Bedarfskontrolle.

5. Verlängern Sie die Zahlungsziele mit Ihren Lieferanten

Ein weiterer Ansatz zur Absicherung des Cashflows ist die Verlängerung der Zahlungsziele mit Ihren Lieferanten. Auch der vorübergehende Verzicht auf Skontoerträge zugunsten längerer Nettozahlungsziele kann ein Mittel sein, die Liqui­dität im Unternehmen sicherzustellen. Sprechen Sie mit Ihren Lieferanten über die Möglichkeiten, schliesslich sind diese in den meisten Fällen genauso von dem gegenseitigen Geschäft abhängig und entsprechend kompromissbereit. 

6. Passen Sie Ihre Spezifikationen an und versorgen Sie sich mit Rest­beständen

Neben dem Erhalt der Liquidität ist die Absicherung der Versorgung mit kritischen Materialien und Dienstleistungen für Unternehmen die oberste Priorität im Einkauf. Da das Angebot in vielen Märkten bereits sehr eng ist, überprüfen Sie, ob Sie durch Anpassungen an Spezifikationen den Markt wieder ein Stück über alternative Lieferanten öffnen können. Prüfen Sie zudem, ob Sie sich beispielsweise über Händler mit Restbeständen eindecken können, um kurzfristige Lieferschwierigkeiten zu überbrücken.

7. Erhöhen Sie gezielt Ihre Lagerbestände 

Um auf eine Unterbrechung Ihrer Lieferkette vorbereitet zu sein, sollten Sie zudem gezielt die Sicherheitsbestände für wichtige Artikel erhöhen. So können Lieferausfälle kompensiert beziehungsweise verzögert und die eigene Produktion abgesichert werden. Natürlich sind die Lagerkapazitäten begrenzt. Auf Basis des Warengruppen- und Lieferanten-Screenings (vgl. Tipp 3) können Sie systematisch die Artikel identifizieren, deren Ausfallrisiko sowie deren Bedeutung für Produktion und Vertrieb am höchsten sind. 

8. Führen Sie Nachver­hand­lungen mit Ihren Lieferanten 

Nutzen Sie Nachverhandlungen, um die letzten Kostenreserven in der Krise zu heben. Hierbei ist ein Hebel die intelligente Neuverteilung bzw. Konsolidierung Ihres Einkaufsvolumens. So kann bei Artikeln, die von mehreren Bestandslieferanten bezogen werden, die Lieferfähigkeit durch die intelligente Umverteilung der Bestellmengen und des Bestellzeitpunktes erhöht werden. 


Fallweise kann kleineren Lieferanten ein Zusatzgeschäft ermöglicht sowie ihre Leistungsfähigkeit getestet werden oder durch Konsolidierung des Einkaufsvolumens auf einen Hauptlieferanten dessen Lieferfähigkeit abgesichert werden. Neben der erhöhten Versorgungssicherheit werden im Rahmen der Nachverhandlungen konditionelle Einsparungen realisiert. 

9. Stimmen Sie sich mit Produktion, Vertrieb und Logistik ab 

Sollte sich die Pandemie im gleichen Tempo weiter ausbreiten, wird der Einkauf keine 100 Prozent Lieferfähigkeit sicherstellen können. Stimmen Sie sich daher eng mit Ihren Kollegen aus Produktion, Vertrieb und Logistik ab, um Ihre Bereichsstrategien zu synchronisieren und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Beachten Sie dabei unsere Tipps 1 und 2 zu der Corona-Taskforce und dem risikofreien, persönlichen Austausch. 

10. Prüfen Sie Ihre Transportwege

Neben der Produktion Ihrer Lieferanten sind auch die Transportwege gefährdet. So kann zum Beispiel Ihr Lieferant in China noch produzieren, doch die Lieferkette über Flugzeug oder Schiff durch Ausfälle unterbrochen sein. Daher sollten Sie prüfen, über welche Transportwege aktuell Ihre Produkte beschafft werden, und alternative Lösungen zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit prüfen. Weiterhin sollten Sie einen grösseren Puffer für die Kontrolle durch den Zoll et cetera einplanen, diese ist durch die Krise teilweise verzögert.

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