Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Die wirksame Wachstumsstrategie

Viele erfolgreiche Unternehmen, vor allem im Mittelstand, scheuen immer noch davor zurück, ihr Wachstum formaler anzugehen, als es in der Vergangenheit erforderlich war. Eine gewisse Hemdsärmeligkeit hat Charme, genügt aber heute nicht mehr.
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Wenn es darum geht, die Wachstumsstrategie eines Unternehmens substanziell zu beleuchten, zu hinterfragen, zu schärfen, ja vielleicht sogar erstmals zu formulieren, sind potenziell derart viele Irrtümer, Mythen und Vorurteile im Spiel, dass es vielfach eben nicht zu jenem Beleuchten, Hinterfragen, Schärfen oder Formalisieren kommt. Immer noch ist vor allem in mittelständischen Unternehmen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Begriff «Strategie» zu vermerken. Interessanterweise gilt dies auch für erfolgreiche Unternehmen. Nicht nur, dass die Unternehmensführung für sich reklamiert, dass es ihre ureigene Aufgabe sei, die Richtung des Unternehmens zu bestimmen und sich die Zurückhaltung nur gegenüber dem Einsatz eines externen Dritten bezöge. Nein, generell ist das Wort «Unternehmensstrategie» nicht immer positiv besetzt, ganz unabhängig davon, wer daran arbeiten soll.

Das Thema «Strategie» entmystifizieren

Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass keine Klarheit darüber besteht, was eigentlich zu tun ist. Natürlich gibt es auch Unternehmenslenker, welche sich scheuen, die für einen erfolgreichen Strategieprozess erforderliche Transparenz im Unternehmen zu schaffen, und natürlich gibt es auch diejenigen, die einen vermeintlichen Machtverlust befürchten oder Sorge davor haben, dass Mitarbeiter kompetenter sein könnten als sie selbst, aber vielfach erscheint einfach der Faktor Unsicherheit als Verhinderungsgrund: Unsicherheit darüber, wie sinnvollerweise vorzugehen ist.

Ich habe mich seit über 20 Jahren, auch wissenschaftlich im Rahmen meiner Dissertation, mit der Frage beschäftigt, wie Unternehmens- und Marktsegmentstrategien wirksam werden können, ohne dass Ballast entsteht, und in diesem Zusammenhang erlebt, dass die Kunst nicht in der Definition und Konzeption, sondern in der Realisierung liegt. Das mag nicht überraschen, erklärt aber, warum viele Strategien, die auf dem Papier noch gut aussehen, keine Wirkung erzielen, und warum man immer wieder auf Vorbehalte stösst, wenn es um das Thema «Strategie» geht. Wie können wir «Strategie» entmystifizieren sowie dem Mittelstand eine praktische Hilfe an die Hand geben, die Mut macht, die eigene Strategie wachstumsbringend zu schärfen? Wir denken dazu in drei Ebenen: die Vision, die Strategie und die Realisierung. Jawohl, auch an die Vision müssen wir heran, auch wenn dieser Begriff noch mehr Widerstand hervorrufen mag als der Begriff der Strategie.

1. Die Vision

Mitnichten darf unter Vision etwas Esoterisch-Verblümtes verstanden werden. Falsch sind auch jegliche Vorstellungen darüber, dass an der Vision jeder Mitarbeiter mitarbeiten kann, darf oder soll. Weder das eine noch das andere ist der Fall und die Erarbeitung einer Vision bedarf auch keiner Vielzahl an Meetings, die sich über mehrere Monate hinwegziehen. Hier ist eine Arbeitsdefinition: Eine Vision beschreibt ein attraktives Bild einer möglichst erstrebenswerten Zukunft, die vielleicht nie erreicht wird. Damit ist die Vision also eine Beschreibung des Unternehmens in der Zukunft, die für die Eigentümer des Unternehmens attraktiv ist. Wohlgemerkt: für die Eigentümer. Natürlich ist es wünschenswert, dass die Mitarbeiter sich in der Vision wiederfinden, aber wenn das nicht der Fall ist, passen diese Mitarbeiter vielleicht nicht ins Unternehmen. Ein wesentlicher Teil der Vision meines Unternehmens bezieht sich auf das Schaffen gesunden profitablen Wachstums. Bewerber, die Wachstum nicht erstrebenswert finden, sind bei uns eben fehl am Platze.

Die Vision enthält keinerlei Zahlen, Daten, Fakten. Sie gibt die inhaltliche Richtung vor für die später zu definierende Strategie, mehr nicht. Sie ist der Grund, dessenthalben das Unternehmen jeden Tag sein Bestes gibt. Auch wenn der Vergleich hinkt, weil eine Vision kein Ziel ist, kann man die Vision doch vergleichen mit dem Navigationssystem im Auto: Gibt man dort ein Ziel ein, führt das Navi dorthin, sagt man «Führe mich irgendwohin», sagt das Navi «Wie bitte? Ich habe Sie nicht verstanden». Ein Unternehmen funktioniert genauso. Und übrigens: Eine Vision muss so knapp formuliert sein, dass man sie sich merken kann, das wird gern vergessen.

2. Die Strategie

Wir wollen an dieser Stelle nicht die Unternehmerstrategie vertiefen, sondern wollen auf der Ebene des Unternehmens verbleiben und hier vor allem die Marktsegmentstrategie näher betrachten. Festzulegen gilt: Was ist unsere Grundstrategie und welche sollte es sein? Drei sinnvolle Grundstrategien kommen dabei infrage: die Kostenführerschaft, die Innovationsführerschaft sowie die Leistungsführerschaft. Idealerweise wird der relevante Wettbewerb mit berücksichtigt. Nicht selten wird an dieser Stelle bereits die mangelnde strategische Differenzierung deutlich. Auch das Ringen um die Kriterien zur Beurteilung der Position in diesem dreidimensionalen Raum ist ein wichtiger Prozess, der innerhalb der Unternehmensführung geführt werden muss.

Die weitere Frage ist die nach den wirtschaftlichen Zielen, welche zumeist dem jährlichen Planungsprozess entnommen werden können. Ebenfalls zur Marktsegmentstrategie gehört die Festlegung des Markenkerns. Wonach sonst soll sich der innere und äussere Auftritt des Unternehmens richten? Wohlgemerkt: Wir sprechen hier nicht von «Marketing», das ist eine andere Baustelle, «Marke» ist ein strategisches Element und hat nichts mit «bunten Bildchen» zu tun.

Über welches Marktsegment sprechen wir überhaupt, wie ist es bezeichnet? Welche Wettbewerber versuchen, unser Kuchenstück zu verkleinern? Wer sind unsere (idealen) Kunden, wie finden wir sie, welche echten Bedürfnisse haben sie? Was genau ist unser (gestaffeltes) Produkt- und Leistungsangebot, das auf die Bedürfnisse einzahlt? Welche Kernkompetenzen befähigen uns dazu und welche fehlen? Was sind Barrieren? Wie ist unsere preisliche Positionierung? Wie sieht unser Vertriebsansatz heute und in Zukunft aus und welche Prozesse, Systeme, Organisation benötigen wir, um unsere Strategie zu realisieren? All dies sind Fragen, welche in der Entwicklung der Marktsegmentstrategie zu beantworten sind.

3. Die Realisierung

Gerne vergessen, weil Papier so schön geduldig ist, wird die Realisierung, aber ohne Realisierung waren alle vorherigen Überlegungen intellektuelles Stretching, mehr nicht. Der Clou dabei ist die Definition genau eines einzigen Umsetzungsprojektes, das nicht nur sauber geplant wird, sondern auch permanent die Aufmerksamkeit der Unternehmensführung erhält. Also: nicht viele einzelne Projekte, sondern ein einziges, eventuell begleitet durch einen erfahrenen externen Partner, der dabei helfen kann, wie das Beschlossene in die Tat umgesetzt werden kann, der eventuelle Stolpersteine antizipieren kann und der mit Erfolgsmustern Erfahrung in den Realisierungsprozess bringt.

Vielleicht traut sich das eine oder andere Unternehmen mit diesem Dreisatz aus Vision, Strategie, Realisierung etwas näher an die Definition der eigenen Zukunft heran.

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