Wenn es darum geht, die Wachstumsstrategie eines Unternehmens substanziell zu beleuchten, zu hinterfragen, zu schärfen, ja vielleicht sogar erstmals zu formulieren, sind potenziell derart viele Irrtümer, Mythen und Vorurteile im Spiel, dass es vielfach eben nicht zu jenem Beleuchten, Hinterfragen, Schärfen oder Formalisieren kommt. Immer noch ist vor allem in mittelständischen Unternehmen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Begriff «Strategie» zu vermerken. Interessanterweise gilt dies auch für erfolgreiche Unternehmen. Nicht nur, dass die Unternehmensführung für sich reklamiert, dass es ihre ureigene Aufgabe sei, die Richtung des Unternehmens zu bestimmen und sich die Zurückhaltung nur gegenüber dem Einsatz eines externen Dritten bezöge. Nein, generell ist das Wort «Unternehmensstrategie» nicht immer positiv besetzt, ganz unabhängig davon, wer daran arbeiten soll.
Das Thema «Strategie» entmystifizieren
Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass keine Klarheit darüber besteht, was eigentlich zu tun ist. Natürlich gibt es auch Unternehmenslenker, welche sich scheuen, die für einen erfolgreichen Strategieprozess erforderliche Transparenz im Unternehmen zu schaffen, und natürlich gibt es auch diejenigen, die einen vermeintlichen Machtverlust befürchten oder Sorge davor haben, dass Mitarbeiter kompetenter sein könnten als sie selbst, aber vielfach erscheint einfach der Faktor Unsicherheit als Verhinderungsgrund: Unsicherheit darüber, wie sinnvollerweise vorzugehen ist.
Ich habe mich seit über 20 Jahren, auch wissenschaftlich im Rahmen meiner Dissertation, mit der Frage beschäftigt, wie Unternehmens- und Marktsegmentstrategien wirksam werden können, ohne dass Ballast entsteht, und in diesem Zusammenhang erlebt, dass die Kunst nicht in der Definition und Konzeption, sondern in der Realisierung liegt. Das mag nicht überraschen, erklärt aber, warum viele Strategien, die auf dem Papier noch gut aussehen, keine Wirkung erzielen, und warum man immer wieder auf Vorbehalte stösst, wenn es um das Thema «Strategie» geht. Wie können wir «Strategie» entmystifizieren sowie dem Mittelstand eine praktische Hilfe an die Hand geben, die Mut macht, die eigene Strategie wachstumsbringend zu schärfen? Wir denken dazu in drei Ebenen: die Vision, die Strategie und die Realisierung. Jawohl, auch an die Vision müssen wir heran, auch wenn dieser Begriff noch mehr Widerstand hervorrufen mag als der Begriff der Strategie.
1. Die Vision
Mitnichten darf unter Vision etwas Esoterisch-Verblümtes verstanden werden. Falsch sind auch jegliche Vorstellungen darüber, dass an der Vision jeder Mitarbeiter mitarbeiten kann, darf oder soll. Weder das eine noch das andere ist der Fall und die Erarbeitung einer Vision bedarf auch keiner Vielzahl an Meetings, die sich über mehrere Monate hinwegziehen. Hier ist eine Arbeitsdefinition: Eine Vision beschreibt ein attraktives Bild einer möglichst erstrebenswerten Zukunft, die vielleicht nie erreicht wird. Damit ist die Vision also eine Beschreibung des Unternehmens in der Zukunft, die für die Eigentümer des Unternehmens attraktiv ist. Wohlgemerkt: für die Eigentümer. Natürlich ist es wünschenswert, dass die Mitarbeiter sich in der Vision wiederfinden, aber wenn das nicht der Fall ist, passen diese Mitarbeiter vielleicht nicht ins Unternehmen. Ein wesentlicher Teil der Vision meines Unternehmens bezieht sich auf das Schaffen gesunden profitablen Wachstums. Bewerber, die Wachstum nicht erstrebenswert finden, sind bei uns eben fehl am Platze.