Strategie & Management

Leadership

Die wichtigsten Einsatzfelder der Führungsintelligenz

Wer von Führungsintelligenz spricht, muss definieren, was darunter zu verstehen ist, ansonsten bleibt es eine inhaltsleere Floskel. Führungsintelligenz meint die Fähigkeit, Führungs- und Unternehmensprozesse so zu gestalten, dass mit ihrer Hilfe die Unter­nehmensziele optimal erreicht werden können.
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Der Bezugspunkt erfolgreicher Führung liegt in der Erreichung der Unternehmensziele. Führungsintelligenz beweist die Führungspersönlichkeit dann, wenn sie bei ihrer Führungsarbeit und vor allem ihren Entscheidungen stets die Gretchenfrage beantwortet: «Tragen meine Arbeit und meine Entscheidungen zur Erreichung der Unternehmensziele, der Abteilungsziele und der Teamziele bei?»


Beispiel «Personalrecruiting»

Führungsintelligent handelt eine Führungspersönlichkeit etwa dann, wenn sie beim Personalrecruiting reflektiert: «Inwiefern kann unser neuer Mitarbeiter in der Entwicklungsabteilung unser Unternehmen, die Abteilung und das Team, in dem er mitwirkt, dabei unterstützen, die festgelegten Ziele zu erreichen? Muss er eventuell Kompetenzen ausbauen oder neue Fähigkeiten aufbauen, damit ihm dies gelingt? Und wie schaut es mit seiner Einstellung aus?»

Das heisst: Der Kandidat mag noch so charismatisch rüberkommen, der «Nasenfaktor» – also das Band der Sympathie, das bei Personalentscheidungen oft eine entscheidende Rolle spielt – mag noch so ausgeprägt sein: Zentral ist der Beitrag, den der Bewerber hinsichtlich der Unternehmensziele leisten kann. Neben dem Personalrecruiting gibt es weitere Bereiche, in denen das führungs­intelligente Verhalten dominieren sollte.

Veränderungsprozesse managen

Die digitale Transformation stellt so gut wie jedes Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen. Disruptive revolutionäre Entwicklungen lassen das, was heute notwendig und richtig ist, morgen als überholt oder gar überflüssig erscheinen. Und wer kann schon mit Sicherheit sagen, was der Kunde übermorgen wünscht?

Die wichtigen Schlagwörter lauten Algorithmen, künstliche Intelligenz und Robotertechnologien, die die menschliche Arbeitskraft und sogar die menschlichen Denkleistungen ersetzen. Das bedeutet, beim Changemanagement sind führungsintelligente Verhaltensweisen ganz besonders gefragt.

Wiederum sind es die Unternehmens­ziele, die in stürmischen und heftig umtosten Veränderungszeiten so etwas wie Orientierung und Stabilität bieten. Die Führungspersönlichkeit fragt sich zunächst einmal, wie es um die Unumgänglichkeit eines Changeprozesses bestellt ist: «Ist er wirklich notwendig? Müssen wir ihn also tatsächlich uneingeschränkt unterstützen?» Denn nicht jede Veränderung bedeutet automatisch eine Verbesserung. Darum hinterfragt und reflektiert die Führungspersönlichkeit den Prozess. 

Kommt sie allerdings zu dem wohlbegründeten Ergebnis, dass er substanziell zur Umsetzung der Unternehmensziele und zur Steigerung der Kundenorientierung und der Kundenzufriedenheit beiträgt, und damit zu mehr Umsatz und
Gewinn, setzt sie sich umso engagierter und leidenschaftlicher für ihn ein.

Kooperative Konfliktlösung 

Viele Führungskräfte interpretieren Konflikte als Störungen der normalen betrieblichen Abläufe, die möglichst rasch entsorgt werden müssen, etwa durch ein «Basta-Machtwort». Die Folge ist eine trügerische Friedhofsruhe. Das kann nicht im Sinn der führungsintelligenten Erreichung der Unternehmensziele sein. Denn der Konflikt schwelt dann meistens unter der Oberfläche weiter und entwickelt sich irgendwann zu einem umso schlimmeren Flächenbrand. Dann muss ein immenser Aufwand betrieben werden, um ihn doch noch auszuräumen – die dafür notwendige Energie fehlt dann bei der Erreichung der Unternehmensziele.

Darum bauen führungsintelligente Führungspersönlichkeiten ihre Konfliktlösungskompetenz kontinuierlich aus und setzen etwa die Konfliktmediation ein, um destruktive Konfliktenergie wieder in konstruktive Leistungsenergie zu transformieren. Ziel ist die kooperative Konfliktlösung. Damit es gelingt, sich vom Sieger-Verlierer-Schema zu verabschieden und eine Sieger-Sieger-Situation herbeizuführen, ist es wichtig, ein neues Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten zu etablieren.

Vertrauenskultur etablieren

Voraussetzung für die kooperative Konfliktlösung ist, dass sich die Beteiligten vertrauen können. Darum versucht die Führungspersönlichkeit, Sicherheit und Transparenz durch die Etablierung einer Vertrauenskultur zu gewährleisten. Es geht ihr dabei um Ehrlichkeit und Herzlichkeit, um eine nondirektive, mithin wertschätzende Gesprächsführung sowie eine offene Kommunikations- und Informationspolitik, bei der auch heikle Punkte und unangenehme Wahrheiten ungeschminkt angesprochen werden können.

Allerdings: Wer immer und voraussetzungslos vertraut, handelt an den Realitäten ebenso vorbei wie eine Führungskraft, die Misstrauen und «Kontrollitis» zum Leitfaden ihrer Führungsarbeit erhebt. «So viel Vertrauen wie möglich, so viel Kontrolle wie nötig» – vielleicht ist dies der altmodische, aber goldene Mittelweg, der es der Führungspersönlichkeit erlaubt, Kontrolle und Vertrauen auszubalancieren und so Konflikte konsens- und kompromissorientiert zu lösen.

Nun wird vielleicht der eine oder andere die Frage stellen: Muss nicht auch eine Führungspersönlichkeit ab und zu kontrollieren? Natürlich – aber sie sollte dabei ihre Bewertungsmassstäbe transparent machen und begründen. So wissen die Mitarbeiter, dass es ihr weniger um die Kontrolle an sich geht, sondern um deren Ergebnisse, die häufig die Grundlage für die Verbesserung von Arbeitsprozessen und -abläufen bilden.

Stress-Belastungen reduzieren

Führungsintelligente Führungspersönlichkeiten wissen, dass Mitarbeiter, die unter Stress und Hektik arbeiten, nicht die Leistungen erbringen und die Ergebnisse erzielen können, zu denen sie angesichts ihrer Kompetenzen imstande wären. Darum sehen sie ihre Mitarbeiter nicht als Funktionsträger, blosse Erfüllungsgehilfen oder gar Kostenfaktoren an, sondern als Begleiter auf dem Weg zu gemeinsamen Zielen. 

Diese Haltung ist allein schon deswegen führungsintelligent, weil sich viele Mitarbeiter in Zeiten des Fachkräftemangels und des Stellenangebotsüberschusses unter mehreren Angeboten ihre Traumposition aussuchen können. Das gilt insbesondere für die motivierten und qualifizierten Mitarbeiter. Wichtig ist darum, Demotivation zu vermeiden und erbrachte Leistungen begründend zu loben und anzuerkennen. Die Führungspersönlichkeit sollte den Mitarbeitern Entscheidungsspielräume gewähren, es ihnen ermöglichen, am Arbeitsplatz ihre Kompetenzen zu ent­falten und zu entwickeln, und überdies die Frage nach dem «Warum» beantworten. Sie darf nicht nur Leistung fordern, sie muss Sinn bieten.

Natürlich liessen sich an dieser Stelle viele weitere führungsintelligente Verhaltensweisen anführen. Stressige Belastungen lassen sich kompensieren, indem die Mitarbeiter zwischen Phasen der Anspannung und Phasen der Entspannung wechseln und ihre Widerstandskräfte stärken können, und zwar direkt am Arbeitsplatz. Im Rahmen eines kognitiven Stressmanagements kann ein Mitarbeiter mit der Unterstützung der Führungspersönlichkeit etwa Einstellungen und Gewohnheiten, die Stress nach sich ziehen, verändern. 

Konkret heisst das: Wenn sich der Marketingexperte Max Müller als Kontrollfreak ständig selbst unter Druck setzt, sollten Team und Führungspersönlichkeit überlegen, wie sie ihm partnerschaftlich und kollegial helfen können, sich vom übertriebenen Perfektionismus zu befreien. Dabei gilt: Jede Führungspersönlichkeit muss situations- und personenspezifisch agieren. 

Entscheidend ist hier die selbstkritische Selbstreflexion: Die Führungspersönlichkeit fragt sich, ob und inwiefern ihr Führungsstil dafür verantwortlich ist, dass ein Mitarbeiter nicht den optimalen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leistet. Und dann leitet sie die entsprechenden Verhaltensveränderungen bei sich ein.

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