Strategie & Management

Unternehmensentwicklung

Die Schwachstellen in der Strategieumsetzung

Eine Studie zum Thema Strategieumsetzung zeigt, dass speziell das bereichsübergreifende Abstimmen und Erreichen zukunftsweisender (Entwicklungs-)Ziele den Unternehmen schwer­fällt – auch, weil den Führungskräften oft Kompetenzen fehlen, die sie heute brauchen.
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Die Studie «Reifegrad der Strategieumsetzung in Unternehmen» der Unternehmensberatung Kudernatsch Consulting & Solutions zeigt unter anderem auf, wie die Verantwortlichen aktuell die Ist-Situation im Bereich Strategieumsetzung in ihren Unternehmen einschätzen und wo sie noch Optimierungspotenzial sehen. Für die Studie wurden 137 für die Strategiearbeit (mit-)verantwortliche Top-Entscheider von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen befragt.

Zu wenig Kommunikation

Die Studie ergab unter anderem: Wenn es um das Managen des Alltagsgeschäfts geht, haben die meisten Unternehmen inzwischen eine recht hohe Professionalität in Sachen (Weiter-)Entwicklung und Umsetzung ihrer Strategie erarbeitet. Anders sieht es bei den strategischen Zielen aus, die mit einem hohen Changebedarf – sei es auf der Kultur-, Struktur- oder Prozessebene – verbunden sind.

Hier beklagen die meisten Befragten, dass eine Vision entweder ganz fehle oder diese nicht ausreichend operationalisiert sei. Über 55 Prozent sind zudem der Ansicht, dass die Vision nicht ausreichend kommuniziert werde, weshalb oft eine unzureichende Kenntnis der Vision – insbesondere bei den operativen Mitarbeitern – bestünde. Zudem verstünden viele Mitarbeiter die Vision nicht.

Ähnlich verhält es sich auf der Ebene der Strategie und der mittelfristigen (Entwicklungs-)Ziele (zwei bis fünf Jahre). Hier gaben fast 77 Prozent der Befragten an, in ihrem Unternehmen gebe es eine klare Strategie – auch wenn diese noch «kleine» (25,6 %) oder «teilweise Lücken» (32,1 %) aufweise. Doch sehen weit über 70 Prozent der Befragten auch hier Defizite bei der Kommunikation. Eine Ursache hierfür dürfte laut Einschätzung von Dr. Daniela Kudernatsch, der Inhaberin der Unternehmensberatung und Initiatorin der Studie, sein: In 48,5 Prozent der Unternehmen ist maximal die zweite Führungsebene in den Strategieentwicklungsprozess eingebunden. Und: In fast 25 Prozent der Unternehmen wird die Strategie allein vom Top-Management erarbeitet.

Schwachstelle Entwicklungsziele

Dessen ungeachtet beurteilen die Befragten die Operationalisierung der Strategie in ihrem Unternehmen bezogen auf die mittelfristigen Ziele eher positiv. Fast 50 Prozent konstatieren hier keinen (grösseren) Handlungsbedarf. Anders sieht das Bild bei den Zielen aus, die bezogen auf die längerfristige Entwicklung der Unternehmen einen «Durchbruch-Charakter» haben – also bei den Zielen,

  • für die signifikante Veränderungen auf der Kultur-, Struktur- oder Prozess­ebene nötig sind,
  • die ein komplettes Umdenken erfordern und
  • die das Unternehmen aus der Komfortzone herausholen.

Bezogen auf diese Ziele geben weniger als ein Viertel der Befragten an, auch bei ihrer Operationalisierung sei ihr Unternehmen bereits «topfit» (9,8 %) beziehungsweise bestünden nur kleinere Defizite (13,8 %). Die restlichen sind der Auffassung: Hier besteht noch ein mehr oder minder grosser Entwicklungsbedarf.

Horizontale Abstimmung

Eine weitere Schwachstelle vieler Unternehmen ist die horizontale Abstimmung der Ziele – also zum Beispiel zwischen den Bereichen und Abteilungen. Sie gewinnt an Bedeutung – unter anderem, weil

  • die Strukturen sowie Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen in den Unternehmen immer vernetzter und komplexer werden und
  • die Kernleistungen zunehmend in bereichsübergreifender Team- und Projektarbeit erbracht werden.

Entwicklungsbedarf

Trotzdem findet eine horizontale Abstimmung der Ziele in mehr als der Hälfte der Unternehmen (53,3 %) nur auf der Managementebene statt; bei 41,6 Prozent zudem auf der ersten Führungsebene. Darunter erfolgt meist keine horizontale Abstimmung.
 
Erfolgt eine horizontale Abstimmung der Ziele, ist damit auch meist kein lebendiger Kommunikationsprozess zwischen den beteiligten Personen und Organisationseinheiten verbunden, der auch eine Diskussion über die Pläne und Mittel zum Erreichen der Ziele umfasst. Nur circa 30 Prozent der Befragten sind der Auffassung, in ihrem Unternehmen bestünde diesbezüglich kein (7,6 %) oder ein geringer Entwicklungsbedarf (24,4 %).

Systematisches Lernen

Ein weiteres Manko in vielen Unternehmen ist: Die Reviews des Umsetzungsgrads der Zielerreichung basieren fast nie auf einem System oder Regelkreis wie dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), der ein systematisches Lernen ermöglicht. Das heisst, dass es bei Plan-Abweichungen keinen definierten Prozess zur Ursachenanalyse gibt. Diesbezüglich sehen mehr als Hälfte der Befragungsteilnehmer entweder noch «grosse» (31,7 %) oder gar «sehr grosse Lücken» (25 %) in ihrer Organisation.

Da eine systematische Ursachenanalyse meist nicht erfolgt, ist es laut Aussagen von Kudernatsch «naheliegend, dass den Unternehmen auch das Ergreifen der erforderlichen Gegenmassnahmen und das nachhaltige Eliminieren der Problem-Ursachen häufig Schwierigkeiten bereitet».

Organisatorische Verankerung

Dass in diesem Bereich noch ein grosser Bedarf an Entwicklung besteht, hat der Strategieumsetzungsexpertin zufolge vermutlich auch den folgenden Grund: In 58 Prozent der Unternehmen gibt es zwar einen Bereich, der für die Strategieentwicklung verantwortlich ist, ein entsprechender Bereich für die Strategieumsetzung existiert jedoch nur bei 33,4 Prozent von ihnen.

Die Hauptaufgabe dieses Bereichs ist zumeist das Organisieren und Vorantreiben des Strategieumsetzungsprozesses (85,7 %). Nur in 59,5 Prozent der Unternehmen zählt auch das Coachen der Führungskräfte in diesem Prozess sowie in 52,4 Prozent das Durchführen von Schulungen zur Strategieumsetzung zu den Aufgaben dieses Bereichs.

Hierin artikuliert sich nach Einschätzung von Daniela Kudernatsch «eine tendenzielle Unterschätzung der Bedeutung der Führungskräfte beim Realisieren der Vision eines Unternehmens und beim Erreichen von dessen strategischen Zielen» – unter anderem, weil es zu deren zentralen Aufgaben im Betriebsalltag zählt, die Vision und die Ziele des Unternehmens den Mitarbeitern zu vermitteln und diese als Mitstreiter bei deren Realisierung beziehungsweise Erreichung zu gewinnen.

Kompetenz der Führungskräfte

Aufgrund dieser Mittlerfunktion sollten die Führungskräfte unter anderem eine hohe (Methoden-)Kompetenz im Übersetzen und Kaskadieren, also Herunterbrechen der Ziele, haben. Diesbezüglich sehen die meisten Teilnehmer der Befragung bei den Führungskräften in ihren Unternehmen noch «teilweise» (31,1 %), «grosse» (35,2 %) oder gar «sehr grosse» Kompetenzlücken (21,3 %). Nicht selten weigern die Führungskräfte sich sogar, sich mit diesem Thema zu befassen und mit ihren Mitarbeitern hierüber zu kommunizieren – speziell dann, wenn es um die Durchbruch-Ziele, also die zukunftsweisenden Ziele, geht.

Einen grossen Entwicklungsbedarf konstatieren die Befragten auch im Bereich der horizontalen Führung – zum Beispiel bei Themen, die einer abteilungs-, bereichs- oder standortübergreifenden Abstimmung bedürfen. Hier sehen fast 80 Prozent der Befragten bei den Führungskräften ihrer eigenen Organisation einen mehr oder minder grossen Entwicklungsbedarf.

Ähnlich verhält es sich bei den Führungskräften auf allen Ebenen bezüglich

  • ihrer Kompetenz, standardisierte Reviews zur Zielerreichung durchzuführen,
  • ihrer Kenntnis von Problemlösungsmethoden sowie
  • ihrer Fähigkeit, diese anzuwenden und ihren Mitarbeitern zu vermitteln.

Kernaufgabe

Entsprechend unsicher sind viele Führungskräfte oft, wann sie im Mitarbeiterkontakt die Rolle des Coaches (Befähiger) und wann die Rolle der Führungskraft (Wegzeiger) einnehmen sollten. Die diesbezügliche Kompetenz der Führungskräfte in ihrer Organisation weist nach Auffassung von über 50 Prozent der Befragten noch «grosse» (33,9 %) oder gar «sehr grosse Lücken» (24 %) auf.

Fazit

Diese Unsicherheit trägt laut Daniela Kudernatsch mit dazu bei, dass die Führungskräfte in der Regel eine eher geringe Offenheit für unterjährige Veränderungen zeigen und wenig flexibel hierauf reagieren. Diesbezüglich konstatierten denn auch über zwei Drittel der Studienteilnehmer bei den Führungskräften in ihrer Organisation noch einen mehr oder minder grossen Entwicklungsbedarf. Das heisst, sie sehen diese primär noch als Lernende – also als Personen, die sich noch auf dem Weg befinden, zu den Führungspersönlichkeiten heranzureifen, welche Unternehmen in der von permanenter Veränderung oder geringer Planbarkeit geprägten Vuca-Welt brauchen.

Porträt