Strategie & Management

Unternehmensentwicklung

Die Parameter für gesundes Wachstum

Wachstum kennt mehrere Wege: Es gibt gesundes Wachstum, gehemmtes Wachstum, krankes Wachstum – und den Zustand «Game over». Mithilfe eines Wachstumsquadranten können Unternehmer und Führungskräfte analysieren, wo sie sich auf ihrem Entwicklungsweg befinden, was falsch oder richtig läuft.
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Damit ein Unternehmen gesund wachsen kann, müssen viele Parameter stimmen. Der «Wachstumsquadrant» kann dabei helfen, zu ermitteln, welche Aktivitäten hierfür angestossen werden müssen. Doch wie können Unternehmer dieses Instrument nutzen, um zu einem nachhaltigen Wachstum zu gelangen? Das ist mit ein wenig Arbeit verknüpft. Zunächst braucht es das Verständnis, dass es äus­sere und innere Wachstumsparameter gibt (siehe Abbildung 1).

Von innen nach aussen

Gesundes Wachstum entsteht aus dem komplexen Zusammenspiel dieser Faktoren, wobei es immer nur von innen nach aussen möglich ist. Ein Beispiel: Sie können einem Unternehmen zwar etwas von aussen überstülpen, doch wenn die Mitarbeiter dies abwehren, wird der mit der Einführung des Neuen verknüpfte Veränderungsprozess kläglich scheitern.

Sobald die Entwicklung von aussen nach innen verläuft, besteht die grosse Gefahr, dass das Wachstum aufgesetzt ist und nicht lange getragen werden kann. Darum ist ein ständiger Abgleich gefordert, sobald ein Unternehmen von besonderen Ausseneinflüssen bestimmt wird. Deshalb wird häufig davon gesprochen, dass alle relevanten Einheiten und Faktoren in einem Unternehmen entsprechend mitwachsen müssen. Konkret heisst das: Wenn die Auftragslage explodiert, müssen die Strukturen, die Kompetenzen, der Mitarbeitereinsatz, die Verantwortlichkeiten, die Berichtswege sowie die Personal- und Finanzausstattung so schnell wie möglich auf diese Veränderung abgestimmt werden. Hilfreich für ein gesundes Wachstum ist es, wenn die entsprechenden Pläne dann bereits in der Schublade liegen und rasch in die Umsetzung gelangen können.

Die Wachstumsarten

Bei den inneren Parametern handelt es sich überwiegend um Faktoren, bei denen die Hebel, das heisst die Möglichkeiten zur Anpassung, innerhalb des Unternehmens liegen. Die äusseren Parameter bedingen meistens einen oder mehrere innere Parameter und können auch durch die anderen Marktteilnehmer stark beeinflusst werden. Alle Faktoren können grundsätzlich einen positiven oder negativen Zustand einnehmen. Aus dem Zusammenspiel von inneren positiven beziehungsweise negativen Wachstums­parametern einerseits und den äusseren positiven beziehungsweise negativen Wachstumsparametern ergibt sich der Wachstumsquadrant (siehe dazu die Abbildung 2).

Was ist mit den Wachstumsarten I bis III und dem Zustand «Game over» gemeint?

  • Bei Unternehmen, die gesund wachsen, stehen das innere und das äussere Wachstum im Einklang miteinander.
  • Beim gehemmten Wachstum ist zwar eine gesunde Basis vorhanden, doch es gibt einschränkende Faktoren, die das Wachstum ausbremsen. Das innere Wachstum ist im Plus, das äussere im Minus. Unternehmen dieser Kategorie bekommen «ihre PS einfach nicht auf die Strasse».
  • Krankes Wachstum findet sich bei Unternehmen, die nach aussen hin (noch) «gut dastehen» und über erfreuliche Ertrags- und Gewinnzahlen sowie weitere unbedenkliche klassische betriebswirtschaftliche Parameter verfügen, aber im Inneren bereits krank sind. Innovationen sind Mangelware, die Mitarbeiterfluktuation ist hoch, ein nicht konstruktiver Flurfunk an der Tagesordnung, die Fehlzeiten und Krankenstände sind bedenklich.
  • Zuletzt gibt es die Unternehmen, bei denen das äussere und das innere Wachstum im Minus sind. Hier heisst es dann bald «Game over».

Durchblick statt Aktionismus

Oft sind die Übergänge zwischen den Quadranten fliessend. Und fast alle Unternehmen pendeln im Laufe ihrer Historie zwischen verschiedenen Quadranten hin und her. Zudem lässt der Wachstumsquadrant nicht nur Aussagen zur Entwicklung des gesamten Unternehmens, sondern auch zu einem Unternehmensbereich oder einer Abteilung zu. Letztendlich können Sie ihn sogar auf das individuelle und persönliche Wachstum einer Person beziehen. Wenn ein nach aussen hin erfolgreicher Mensch innerlich von Selbstzweifeln befallen ist und kurz vor dem Burnout steht, liegt bei ihm wohl ein krankes Wachstum vor, das in den «Game over»-Zustand einzumünden droht.

Doch bleiben wir beim unternehmerischen Wachstum. Vielleicht können Sie schon intuitiv sagen, wo Ihr Unternehmen, Ihre Abteilung oder Ihr Team steht? Zielführender ist es, wenn Sie alle inneren und äusseren Parameter, die für Ihr Unternehmen und Ihr Geschäft relevant sind, klar definieren und kritisch betrachten, um sich schliesslich in dem Wachstumsquadranten zu positionieren.

Empfehlenswert ist es, dabei den unabhängig-objektiveren Blick von jemandem zu nutzen, der nicht Ihrem Unternehmen angehört und darum eher als Sie in der Lage ist, zum Beispiel den Ausprägungsgrad und Habitus Ihrer Unternehmenskultur und Führungskultur zu beurteilen. Und wahrscheinlich fällt es einer unbeteiligten Person leichter als Ihnen, etwa die Zufriedenheit der Mitarbeiter einzuschätzen oder diese mithilfe von Gesprächen oder einer onlinegestützten Mitarbeiterbefragung auf Basis der Antriebsmotive und Werte festzustellen.

Zum gesunden Wachstum

Nach der Analyse stellen sich die Fragen, was zu tun ist, um den Weg des gesunden Wachstums beizubehalten, und welche Massnahmen Ihnen helfen, ein gehemmtes oder ein krankes Wachstum schnellstmöglich in Richtung gesunden Wachstums zu verlassen. Dies lässt sich natürlich nur bezogen auf das individuelle Unternehmen sagen und nicht verallgemeinernd darstellen. Meistens aber gilt: Beim Übergang vom gehemmten zum gesunden Wachstum ist entscheidend, in allen Unternehmensbereichen die nicht vollständig genutzten Potenziale zu identifizieren, weil diese das Unternehmen daran hindern, seine PS auf die Strasse zu bringen.

Die brachliegenden Potenziale bilden die Ausgangspunkte für notwendige Wachstumshebel, mit denen Sie eine kontinuierliche Weiterentwicklung in Gang setzen. Dabei nutzt es wenig, punktuell Einzelmassnahmen zu ergreifen. Zielführender ist die Entwicklung eines systemischen Gesamtkonzepts, denn neben den Kompetenzen könnte es auch an der Wahrnehmung und dem Ruf des Unternehmens im Markt liegen oder auch an veränderten Wettbewerbsstrukturen, die die Erfolge im Aussen verhindern.

Alle Potenziale nutzen

Nehmen wir an, das gehemmte Wachstum ist auf ungenutzte Potenziale im Vertrieb zurückzuführen. Das Topmanagement hat zwar eine klare Vision, die daraus abgeleitete Markenbotschaft ist allerdings nicht bis in den Vertrieb durchgedrungen. Einige der fatalen Folgen davon sind: Die Vertriebsmitarbeiter finden keinen emotionalen Zugang zu den Kunden, sie trauen sich nicht zu, auf Entscheider-Ebene zu verkaufen, und werden darum nicht als strategische Lieferanten anerkannt, sondern lediglich als operative Zuarbeiter geduldet.

Zudem gibt es keine wachstumsorientierte Vertriebssteuerung, sondern nur ein plumpes Abfragen von Zahlen, was auf Mitarbeiterseite zu Demotivation und Unzufriedenheit führt. Diese Ausgangssituation macht es notwendig, im Management genauso wie im Vertrieb auf den Ebenen der Vertriebsleiter und der Verkäufer mehrere Hebel zu betätigen, welche in einem Gesamtkonzept, das auf Ergebnisorientierung und Messbarkeit basiert, aufeinander abgestimmt werden sollten.

So kann ein langfristig angelegtes Weiterentwicklungsprogramm entstehen, das auf den vorhandenen Stärken basiert und mit der Unternehmensvision, dem Leistungsangebot, der Vertriebsmethodik und den technischen und methodischen Kompetenzen verzahnt ist. Es entsteht so keine isolierte Schulungsmassnahme, sondern ein umfassendes Wachstumskonzept mit massgeschneiderten stärkenfokussierten Bausteinen für den Aussendienst und die Topführungskräfte.

Krankes Wachstum

Während das Unternehmen nach aussen glänzend dasteht, fängt es intern an zu wuchern. Wie ein Krebs frisst sich krankes Wachstum von innen nach aussen durch. Häufig findet sich diese Situation bei alteingesessenen Firmen einer Branche, also ehemaligen Marktführern und heutigen Dinosauriern. Diese Unternehmen zeigen nach aussen gern eine spiegelblank geputzte und glitzernde Hochglanzfassade, doch aus der Presse erfahren wir von Skandalen, Rücktritten unzufriedener Mitarbeiter, Betrugsfällen und Marktproblemen. Die Problematik wird intensiviert, weil es den Verantwortlichen oft sehr schwerfällt – und an ihrem Ego kratzt –, angesichts der strahlenden äusseren Wachstumsparameter die Situation selbstkritisch zu reflektieren und sich die Notwendigkeit von umfassenden Veränderungen einzugestehen.

Ein abschreckendes Beispiel für krankes Wachstum, das in den Untergang führen kann, ist das Drogerie-Imperium Schlecker. Firmengründer Anton Schlecker verpasste den Strategiewechsel komplett und hatte jahrelang ignoriert, dass sein Konzept mit niedrigen Durchschnittsumsätzen pro Filiale und vergleichsweise hohen Kosten und Preisen nicht mehr funktionierte. Während die Drogeriekette noch reihenweise neue Läden in umsatzschwachen Gebieten eröffnete – und so anscheinend und nach aussen hin wuchs – setzten die Konkurrenten «DM» und «Rossmann» längst auf grössere und attraktiv gestaltete Filialen.

Als dann Schlecker endlich umschwenken wollte, fehlte das Geld für den dringend nötigen Umbau, und Investoren wurden abgeschreckt, weil der Aufbau des Unternehmens nicht zukunftsorientiert war. Die Tante-Emma-Laden-Strategie führte zwar noch zu Wachstum, aber eben nur zu einem kranken. Also: Was tun, um ein krankes Wachstum zu vermeiden und einen Arbeitsort zu schaffen, an dem mit den Mitarbeitern und im
Einklang mit den Ressourcen Wachstum sichtbar wird?

Fazit: Die Wachstumsformel (siehe Abbildung 3 und den Beitrag «Der Wachstumsmanager» in der Ausgabe 8/2018) umzusetzen, hilft, ein gesundes Wachstum zu generieren. Teams, Abteilungen und damit Unternehmen wachsen, wenn Mitarbeiter in ihrem Verantwortungsbereich Raum haben zu wachsen.

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