Viele Unternehmen haben Ziele. Es sind auch unzählige Wege in Sichtweite, aber die wenigsten Unternehmen nehmen sich die Zeit, klar festzustellen, wo sie stehen und sich zu fragen: Wo stehen wir in Bezug auf den Markt, in Bezug auf Kunden, den Wettbewerb? Wie stark ist das Fundament zur Weiterentwicklung des Unternehmens? Wo ergeben sich Chancen für gesundes, profitables Wachstum von innen? Wer allerdings nicht weiss, wo er steht, kann nicht beurteilen, worauf er seine Kräfte richten muss, um ans Ziel zu kommen. Gerade in Zeiten multipler Krisen ist dieses Selbstverständnis allerdings essenziell.
Wachstumscharakteristika
Ein hilfreiches Werkzeug zur Standortbestimmung ist der «Mandat Growth Indicator», über den zudem Ansatzpunkte für profitables Wachstum abzuleiten sind. Erstmals wurden nun die über dieses Werkzeug vermittelten Angaben aller beleuchteten Unternehmen seit 2014 zusammengetragen, nach Mustern analysiert und in einem Whitepaper verdichtet.
Das Ergebnis: Nur wenige Charakteristika der Unternehmen haben deutlichen Einfluss auf die Wachstumsergebnisse. Demnach gibt es vier übergeordnete Bereiche: erstens Zukunftsgestaltung, zweitens Klarheit, drittens Zusammenspiel und viertens Lösungsorientierung. Diesen vier Bereichen wiederum sind acht Wachstumstreiber zuzuordnen.
Wachstumstreiber 1: Bewusste Auseinandersetzung mit der Unternehmenszukunft – qualitativ und quantitativ
Je grösser und komplexer ein Unternehmen ist, umso wichtiger ist eine auf den Punkt gebrachte Strategie – einfach erklärt als Verbindung zwischen dem «Heute» und der unternehmerischen Vision.
Um die Strategie greifbar zu machen, empfiehlt es sich, Ziele, Messgrössen und wesentliche Handlungsfelder entlang der Strategie zu definieren: Woran erkennen wir, ob wir auf dem richtigen Weg sind (das sollte harte und weiche Faktoren umfassen)?
Die Strategie liegt in erster Linie in der Verantwortung der Unternehmensführung. Überlegen Sie, welche wesentlichen Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um in Richtung der Vision zu kommen. Formulieren Sie zudem aus der Vision abgeleitete Ziele auf Unternehmensebene und ggf. Bereichsebene – was konkret wollen Sie erreichen? Diese Klarheit an der Spitze ist notwendig. Hinreichend ist es aber erst, wenn alle Mitarbeiter die Strategie und Ziele verstanden und für sich reklamiert haben (siehe Wachstumstreiber 2).
Wachstumstreiber 2: Systematische Operationalisierung der Strategie
Wenn Strategien scheitern, dann nicht in der Konzeption, sondern in der Umsetzung. Nach der initialen Vorstellung und gegebenenfalls Diskussion der Strategie und Ziele ist es zwingend notwendig, Aktivität zu entfalten – ausdrücklich nicht nur an der Unternehmensspitze. Wachstumsstarke Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass die Mannschaft in der Lage ist, strategische Initiativen in Massnahmen zu überführen und umzusetzen – und damit das Tagesgeschäft weiterzuentwickeln.
Wenn Sie ein klares Bild Ihrer Strategie und Ziele haben, fördern und fordern Sie Ihre Mitarbeiter: Lassen Sie sich einen Plan vorlegen, was die Ziele für den einzelnen Bereich bedeuten und welche (Teil-)Ziele mit welchen wesentlichen Massnahmen erreicht werden sollen.
Wachstumstreiber 3: Zukunftsgerichtetes Vertriebscontrolling
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wirkt die Strategie auch im vertrieblichen Tagesgeschäft, geht also mit veränderter Arbeitsweise im Vertrieb einher. Weil gerade der Vertrieb über Wohl und Wehe des Unternehmens entscheidet, lohnt sich das Abverfolgen und Steuern der Aktivitäten dort besonders. Ein wirksames Controlling beschränkt sich also nicht auf den Finanzbereich, sondern beleuchtet explizit auch die Aktivitäten und Wirksamkeit im Vertrieb.
Das Gespräch über konkrete Chancen, über Wege zum Gewinnen einzelner Kunden/Aufträge lenkt die Aufmerksamkeit auf das Gestaltbare und ermöglicht, Erfolgschancen zu maximieren. Klären Sie deshalb, woran Sie den Erfolg im Vertrieb konkret erkennen können – die Unternehmens-/Vertriebsziele sollten dabei enorm helfen. Ergänzen Sie diese Out-put-Messgrössen allerdings auch um Input-Messgrössen entlang des Vertriebsprozesses (zum Beispiel Anzahl besuchter Kunden, Anzahl gestellter Angebote, …). Erst diese Kombination aus Ergebnis- und Aktivitäts-Kennzahlen schafft Transparenz dazu, was besonders gut läuft und wo Potenziale bestehen.
Wachstumstreiber 4: Klares Bild des idealen Kunden in der gesamten Organisation
Wie sähen Ihre Kunden aus, wenn Sie sie malen könnten? Was zeichnet sie aus? Dieses Bild beschreibt den idealen Kunden und ist deutlich konkreter als die Beschreibung einer Zielgruppe. Dabei geht es nicht bloss um äussere Merkmale (zum Beispiel Demographie bei Personen, Branche oder Grösse bei Unternehmen), sondern auch um nicht direkt ersichtliche Kriterien (zum Beispiel Einstellung zu einem bestimmten Thema bei Personen, Entscheiderstruktur bei Unternehmen).
Die Auseinandersetzung damit lohnt, weil der ideale Kunde beim Selektieren (Welche Massnahme passt am besten? Welche Features soll das neue Produkt auf jeden Fall haben?) und Priorisieren hilft (Welche Zielkunden sprechen wir zuerst an?). Stellen Sie dabei sicher, dass die Klarheit zum idealen Kunden nicht bloss an der Unternehmensspitze besteht, sondern zusätzlich mindestens in den marktgerichteten Bereichen und dem Produktmanagement.
Wachstumstreiber 5: Qualitativ hochwertige Informationsbasis zur Steuerung und Entscheidungsfindung
Wir treffen jeden Tag unzählige Entscheidungen – bei der Führung eines Unternehmens sogar viele davon bewusst. Je weniger ein Unternehmen auf einzelne Personen ausgerichtet ist (zum Beispiel den Gründer), umso breiter sind Entscheidungskompetenzen verteilt. Erfahrungsgemäss besteht ein grosser Abstimmungsaufwand zwischen der Unternehmensführung und den Schlüsselpersonen und ein ebenso grosses Potenzial für Missverständnisse und Enttäuschung. Behilflich bei der Beantwortung solcher Fragen und demnach bei der Entscheidungsfindung können qualitativ hochwertige Informationen sein – im Unternehmensalltag sind Kennzahlen dabei häufig das Mittel der Wahl. Gute Kennzahlen zeichnen sich dadurch aus, dass sie kongruent mit der Strategie sind, dass Handlungen aus ihnen abgeleitet werden können und dass ihre Anzahl überschaubar bleibt.
Gerade in mittelständischen Unternehmen ist die Qualität eventuell vorhandener Daten durchwachsen, wobei auch die Einführung einzelner Kennzahlen schon einen positiven Effekt haben kann. Halten Sie es deshalb pragmatisch und beginnen Sie an der Unternehmensspitze: Anhand welcher wenigen Grössen treffen Sie einen Grossteil Ihrer Entscheidungen? Welche davon sind auch für die Fachbereiche von Bedeutung? Beginnen Sie mit der Umsetzung, bevor Sie ein ausgeklügeltes Kennzahlensystem über viele Monate entwickelt haben – nutzen Sie den Geschwindigkeitsvorteil des Mittelstandes.
Wachstumstreiber 6: Stabile Mannschaft
Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Dementsprechend verwundert es nicht, dass einer der acht Wachstumstreiber sich darauf bezieht, wenig Aufwand mit neuem Personal zu haben – mit der Suche und dem Onboarding neuer Mitarbeiter.
Ein Patentrezept zum Binden von Mitarbeitern existiert nicht. In vielen Wachstumsprojekten erprobte Massnahmen beziehen sich vor allem darauf, ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Um zu erkennen, welche Massnahmen in Ihrem Unternehmen spürbare Effekte haben, empfiehlt sich sowohl der Dialog in der Führung als auch das Gespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – letzteres dient dem Validieren und gegebenenfalls Ergänzen von Ansatzpunkten. Gerade im Mittelstand muss allen Beteiligten bewusst sein: Es wird immer andere Unternehmen mit besseren Benefits geben. Das Gesamtpaket muss für die neuen und bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv sein.
Wachstumstreiber 7: Schlanke Organisation mit sauberen Schnittstellen
Wenn Unternehmen wachsen, verändern sich die Anforderungen an die Abläufe und das Zusammenspiel zwischen den Beteiligten. Diese Veränderungen geschehen häufig schleichend, sodass Wachstumsschmerzen mit der Zeit auftreten – ein ganz natürlicher Vorgang. Es lohnt sich nicht, Wachstumsschmerzen komplett zu vermeiden: Der Aufwand zum Aufbau vermeintlich perfekter Prozesse und einer perfekten Organisation steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Denn die Anforderungen wandeln sich weiterhin, sodass die perfekte Lösung nur sehr kurz wirken könnte.
Ein zentrales Erfolgsmuster besteht darin, die Analyse des Ist-Zustandes auf ein Minimum zu reduzieren. Setzen Sie stattdessen auf die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter und klären Sie in einer strukturierten Diskussion (mit Vertretern aller relevanten Bereiche), wo aktuell die grössten Handlungsbedarfe bestehen. Der bereichsübergreifende Austausch, die verschiedenen Perspektiven tragen dafür Sorge, dass auch ohne wissenschaftliche Präzision oder detaillierte Prozessanalysen wesentliche Wirkhebel erkannt werden.
Wachstumstreiber 8: Offener und konsequenter Umgang mit Innovation
Es ist nicht überraschend, dass diejenigen Unternehmen überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen, in denen Ideen frei diskutiert werden, aus Fehlern gelernt wird und stets die Möglichkeit zur Weiterentwicklung gesucht wird. Diese kontinuierliche Weiterentwicklung «aus der Mitte» ermöglicht ein schnelleres (und dennoch gesundes) Wachstum als Weiterentwicklung, die bloss durch die Unternehmensführung angestossen ist. Neben diesem kulturellen Aspekt ist ein schlanker Innovationsprozess ein Turbo für die Umsetzungsgeschwindigkeit neuer Produkte/Leistungen.
Definieren Sie für Ihr Unternehmen, wer Ideen zur (Weiter-)Entwicklung von Produkten/Dienstleistungen an welche Stelle geben soll und welche Stelle/welches Gremium über diese Ideen befindet. Bleiben neue Produkte/Leistungen hinter den Erwartungen zurück, schauen Sie insbesondere darauf, ab wann der Vertrieb eingebunden ist (Hinweis: idealerweise von Beginn an). Wenn Fehler auftreten, achten Sie darauf, dass einerseits über Ursachen statt über Schuldige gesprochen wird und dass andererseits diese Herausforderungen als Chancen zur Weiterentwicklung verstanden werden.