Strategie & Management

Automobile Trends und Flottenmanagement IV

Die Megatrends im Automobilhandel

Die Transformation hat auch die Automobilbranche erfasst, mit weitreichenden Folgen. Um weiterhin erfolgreich bestehen zu können, müssen Autohäuser ihre Geschäftsstrategie neu ausrichten. Eine Studie zeigt anhand von fünf Megatrends den fundamentalen Wandel auf.
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Das Geschäftsmodell der traditionellen Autohäuser verändert sich grundlegend. Bis zum Jahr 2025 werden voraussichtlich mehr als 30 Prozent der Neuwagen in Europa online verkauft. Gleichzeitig verlieren die Autohändler Erlöse im lukrativen Servicegeschäft. Das bedeutet, ihre Umsatzrendite wird bis zum Jahr 2025 um rund 1,2 Prozentpunkte sinken. Neue Geschäftsmodelle, effizientere Prozesse sowie die stärkere Ausrichtung auf Kundenerlebnis und Kundenbindung können diesem Trend etwas entgegenwirken und bringen den Autohäusern eine zusätzliche Umsatzrendite von bis zu 0,8 Prozentpunkten. Bis zum Jahr 2025 droht ihnen jedoch eine Profi­tabilitätslücke von 0,4 Prozentpunkten. 

Fünf Megatrends

Da die Transformation der Branche rasch voranschreitet, bricht auch für Vertrieb und Handel eine neue Ära an, in der die Autohäuser ihre Rolle, ihre Aufgaben und ihre Vergütung im Verkaufsprozess neu bestimmen müssen. Fünf disruptive Mega­trends, die wir als die «5 Races» (Real Customer Focus, Autonomous Driving, Connectivity, Electric Powertrain, Shared Mobility) zusammenfassen, treiben diesen fundamentalen Wandel weltweit voran und werden auch massive Auswirkungen auf den traditionellen Autohandel haben.

Echter Kundenfokus (Real Customer Focus)

Die Autobranche möchte die Zufriedenheit ihrer Kunden deutlich steigern. Indivi­dualisierbare Daten-Analysen werden es führenden Autoherstellern in Zukunft ermöglichen, deutlich mehr Wissen über ihre Kunden zu generieren und eine ausgereifte digitale Betreuungsstrategie zu entwickeln, die die Autohäuser lokal umsetzen. Sie können den Käufern jederzeit passgenaue Lösungen anbieten – und so den Umsatz steigern. Zugleich lassen sich treue Kunden durch personalisierte Loyalitätsprogramme leichter halten. Für diese neuen Aufgaben sollten die Hersteller ihre Händler jedoch anders vergüten als durch die bisherigen Bonus-Margen-Systeme.

Autonomes Fahren (Autonomous Driving)

Die Zahl der vollautomatisiert oder autonom fahrenden Autos in Europa nimmt bis 2025 auf niedrigem Niveau weiter zu. Das reduziert Unfälle und Bagatell­schäden, aber auch die Auslastung der Werkstätten – ein Kerngeschäft, auf das viele Autohäuser angewiesen sind. Auch den Neuwagenverkauf beeinflussen diese Fahr­zeuge zunehmend, denn sie werden häufig im Flottenbetrieb eingesetzt, etwa als selbstfahrende Taxis. Daher verringern sie den Gesamtbedarf an privat genutzten Autos insbesondere in Ballungszentren. Hinzu kommt, dass die Käufer der autonom fahrenden Fahrzeugflotten häufig Grosskunden sind, die direkt beim Hersteller kaufen und hart verhandeln. Damit bedeuten selbstfahrende Autos für den Handel nicht nur weniger verkaufte Neufahrzeuge, sondern auch eine deutlich veränderte Profitabilitätssituation.

Konnektivität und Digitalisierung (Connectivity)

Die Automobilhersteller werden den Onlinevertrieb ihrer Neuwagen weiter forcieren – vor allem in Ballungsräumen. Nach unseren Analysen können sich bereits 42 Prozent der Kunden in Deutschland vorstellen, ihr nächstes Fahrzeug online zu erwerben. Tendenz steigend. Als Folge sinkt der Neuwagenverkauf im Autohaus. Gleichzeitig können Hersteller und Händler durch die Digitalisierung ihre Kernprozesse effizienter gestalten. So kann sich der Käufer dank individueller Kunden-ID online informieren, im Autohaus beraten lassen, eine Testfahrt machen und am Ende online bestellen, ohne Daten zweimal ein- oder angeben zu müssen. Ein derartig integriertes Omnikanal-Angebot erhöht nicht nur Vertriebseffi­zienz und Kundenorientierung. Es hilft auch, die reinen Internetautohändler auf Abstand zu halten. Für die Hersteller ist es essenziell, die bestehenden Autohändler auch weiterhin als wesentlichen Bestandteil in den Direktvertrieb zu involvieren. Eine Kernaufgabe der Autohäuser wird es in Zukunft sein, vom Kunden online begonnene Interaktionen nahtlos weiterzubearbeiten.

Elektrifizierung des Antriebsstrangs (Electric Powertrain)

Rund 30 Prozent aller verkauften Neuwagen und 6 Prozent des Fahrzeugbestands in Europa werden nach unseren Berechnungen 2025 ganz oder teilweise elektrisch angetrieben, sprich durch Batterie, Range-Extender oder Hybride. Reine Batterieautos müssen deutlich seltener gewartet werden, da weniger bewegliche Teile auch weniger Verschleiss bedeuten. Diese Fahrzeuge verursachen weniger als die Hälfte der Wartungskosten, die für ein Auto mit Verbrennungsmotor anfallen. Mehr Autos mit elektrischem Antriebsstrang bedeuten somit weniger Service-Geschäft für die Autohäuser. Viele Standorte und Werkstätten können nicht mehr rentabel arbeiten, insbesondere in teuren Innenstadtlagen. Eine mögliche Lösung ist, die bestehenden Servicebetriebe zu effizienten Servicefabriken am Stadtrand zusammenzuführen.

Gemeinsam genutzte Mobilität (Shared Mobility)

Insbesondere in Ballungsräumen sinkt durch gemeinsam genutzte Fahrzeuge und vernetzte Mobilität auf Basis mobiler Apps der Neuwagenbedarf. Vor allem junge Menschen verzichten auf ein eigenes Auto wegen der hohen Kosten und der schwierigen Parkplatzsituation in der Stadt. Gleichzeitig bestellen Grosskunden für ihre Carsharing-Flotten mehr Autos direkt beim Hersteller. Autohändler müssen deshalb ihre Geschäftsaktivitäten erweitern. Sie können sich etwa darauf spezialisieren, Carsharing-Flotten zu warten oder zu betreiben, und sich für Mobilitätsdienste fit machen. So bleiben ihre Servicekapazitäten weiterhin ausgelastet und sie können massgeblich vom Carsharing-Trend profitieren.

Neuausrichtung notwendig

Auch wenn Autohäuser an Bedeutung verlieren werden, bleiben sie ein zentraler Baustein im Fahrzeugvertrieb. Die Hersteller müssen sie bei ihrer Neuausrichtung unterstützen, unter anderem durch neue Handelsformate oder ein aktivitätsbasiertes Vergütungsmodell. Dabei wird der Händler etwa nach der Anzahl der Testfahrten oder der Fahrzeugübergaben vergütet und damit zu einer Agentur für den Hersteller. Autohäuser werden aus­serdem dazu motiviert, zwischen den Fahrzeugkäufen Kontakt zu den Kunden zu halten und sie beispielsweise zur Nutzung von Carsharing-Optionen oder Software-Updates zu animieren. So kann es gelingen, die 0,4-prozentige Renditelücke zu schliessen. Eine entscheidende Rolle spielen in Zukunft neue Handelsformate.

Das klassische, städtische Full-Service-Autohaus mit grosser Fläche und hohem Personalbedarf weicht einem Mix aus effizienteren Standorten. Neben Marken-Stores in bester Innenstadtlage entstehen kurzfristige Pop-up-Stores, Testfahrtcenter oder hochspezialisierte Servicefabriken am Stadtrand. Die neue Mobilitätswelt verlangt von den Autohäusern ein rasches Umdenken. In den Städten ist der Handlungsdruck besonders hoch, denn dort sind die Auswirkungen der «5 Races» schon heute spürbar. Der Autohändler von morgen konzentriert sich deshalb einerseits auf die neuen Kernaktivitäten in der Omnikanal-Welt und nutzt andererseits seine lokale Präsenz für ein optimales Kundenerlebnis. Dabei bleibt der persönliche Kontakt die prägendste Art der Kundenkommunikation. Angesichts ihrer lokalen Marktkenntnis und ihres unternehmerischen Denkens sind die Autohändler prädestiniert, eigene Ideen für neue Vertriebs- und Serviceformate zu entwickeln. In enger Zusammenarbeit mit den Herstellern können sie die für die Marke definierten Erlebnisdimensionen am besten umsetzen.