Strategie & Management

Kolumne

Die Marke als Teil der Unternehmensstrategie

Wer an der Unternehmensstrategie arbeitet, kommt nicht umhin, die Marke einzubeziehen. Wenn man dabei die Strategie als den Weg hin zur Unternehmensvision versteht, kann die Marke zu einem Vehikel für Wachstum werden – oder zu einer Bremse.
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Die Definition oder Weiterentwicklung strate­gischer Festlegung sind häufig zentrale Startpunkte der Zusammenarbeit vieler Klienten mit uns. Ein logischer und richtiger Schritt. Denn wie soll in einem Unternehmen entschieden werden, welches Innovationsprojekt oder welche Vertriebsinitiative jetzt die richtige ist, wenn nicht geklärt ist, welches grundsätzliche Ziel das Unternehmen in Zukunft verfolgt? Immer wieder wird dann an uns herangetragen, die Betrachtung der Marke aussen vor zu halten, da diese noch für zeitgemäss gehalten wird, vor Kurzem erst im Rahmen eines Produktrelaunches erneuert wurde und vielerlei Aspekte mehr, die scheinbar die Annahme schüren, die Marke sei für die Strate­gieentwicklung nicht relevant. 

Die Marke im unternehmensstrategischen Kontext

In diesem Fall liegt es an uns, die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten, denn ein Blick auf die Marke – genauer gesagt auf den Markenkern – ist für die Entwicklung einer wachstumsstarken, 
zukunftsgerichteten Strategie unerlässlich, unabhängig davon, wie gut die Marke gepflegt wird.   Um die Relevanz der Marke für die Strategieentwicklung richtig einordnen zu können, ist es erforderlich, sich die Gesamtzusammenhänge vor Augen zu führen und die Marke in den unternehmensstrategischen Kontext einzuordnen. Vor der Strategieentwicklung steht die Beschreibung der Vision – und zwar mindestens der Unternehmensvision. Gerade bei familiengeführten Unternehmen ist auch die Unternehmervision ein zen­traler Aspekt, der nicht vernachlässigt werden sollte. Hierbei definieren wir die Unternehmensvision als ein möglichst konkretes Bild einer erstrebenswerten Zukunft, das möglicherweise nie ganz erreicht wird. Hier gilt es nicht, messbare, zeitliche oder quantitative Faktoren zu benennen, sondern sich auf qualitative, für das Unternehmen relevante Bereiche zu konzentrieren. Exemplarisch seien der Sinn der Unterneh­mung, die potenziellen Standorte und Expansionsideale, der Kundennutzen, die Art und Weise der Zusammenarbeit und die Kommunikation im Un­ternehmen oder der Wert für die Gesellschaft genannt. Gleichsam ist es nicht entscheidend, ob dieses Bild tatsächlich vollumfänglich realisiert wird oder nicht. Eine Vision ist kein Ziel, sondern sie dient – bildhaft gesprochen – dem Zielen und fungiert als Magnet für das Unternehmen.

Die Vision beschreibt, wohin die Reise gehen soll

Ähnlich wie ein Navigationssystem ein Reiseziel braucht, braucht eine erfolgreiche Wachstumsstrategie eine Richtung, in die sich das Unternehmen entwickeln soll, und zwar in Richtung der Vision. Wofür möchte das Unternehmen stehen? Wie soll das Unternehmen wahrgenommen werden? Kunden interessieren sich dabei in der Regel nicht für die Unternehmensvision, sie profitieren aber von einer klar formulierten und im Unternehmen verstandenen Vision aufgrund von Kontinuität, Sicherheit und Stabilität in den Entscheidungen und Berührungspunkten mit einem Unternehmen, was diese wiederum positiv bewerten werden. Wer jedoch von einer formulierten Vision direkt profitiert, sind die Mitarbeiter. Entwickelt auf Ebene der Gesellschafter, geteilt und besprochen mit der Geschäftsführung ist die Vision nicht nur für alle Führungskräfte im Unternehmen, sondern auch für jeden Mitarbeiter re­levant und hilfreich, um intern eine klare Richtung erkennen zu können, Energien zu bündeln, Entscheidungen transparent und verständlich nachvollziehen zu können und das eigenen Tun zu fokussieren. Erst wenn die Vision definiert ist und das Reiseziel somit verabredet, macht es Sinn, über die Route zu sprechen, die man zu diesem Ziel wählen möchte.

Die Route zum Reiseziel entspricht der Unternehmensstrategie

Nachdem Klarheit über die Vision herrscht, sollte man sich dann der grundstrategischen Ausrichtung des Unternehmens nähern, wie sie bereits Michael E. Porter im Jahr 1980 definierte. Strebt das Unternehmen eine Leistungsführerschaft, eine Kostenführerschaft oder eine Innovationsführerschaft an? Wer sind die relevanten Wettbewerber im Markt und wie positionieren sich diese im Vergleich zum eigenen Unternehmen? Dies lässt sich am einfachsten im Rahmen von Positionierungsportfolios bewerten und eintragen, sodass sich recht leicht erkennen lässt, welche Bereiche im Markt interessant sind, welche Wettbewerber bereits Alleinstellungsmerkmale aufweisen und sich etwas abgesetzt haben und welche Wettbewerb sich in ähnlicher Position sammeln. Leistungsführer sind dabei diejenigen im Markt mit der höchsten Orientierung am Kundennutzen und einem zentralen Fokus auf die Bedürfnisse des Kunden. Sie agieren flexibel und bieten individuelle Lösungen an. Innovationsführer dagegen bieten deutlich weniger Lösungsmöglichkeiten an, sondern nehmen vorweg, welche Lösungen jetzt attraktiv sind. Sie verfügen verglichen mit dem Wettbewerber über die höchste Innovationsrate und Markteintrittsgeschwindigkeit, sie verfolgen optimale Produktleistungen und werden häufig kopiert. Kostenführer hingegen legen ihren Schwerpunkt auf die niedrigsten Kosten der Leistungserstellung mit schnellen und natürlich auch schlanken Prozessen. Die Marke als ein Vehikel für Wachstum auf dem Weg hin zur Vision Wer die Strategie als Route versteht, kann die Marke als entsprechendes Vehikel, als Fahrzeug, auf dieser Route nutzen. Wobei hier ein zentraler Einbezug des Markenkerns, der wesentlichen Markencluster und Attribute zu verstehen ist, die man der Marke zuschreibt und zutraut, denn Marke und Strategie sollten zueinanderpassen. Wer sich dafür entscheidet, zu fliegen und ein Tretboot vor der Tür stehen hat, ist schlecht beraten. Oder anders ausgedrückt: Ein Kostenführer wie «Dacia» hat keine guten Voraussetzungen, um massgefertigte Veränderungen am Design vorzunehmen, wie es ein Leistungsführer im Luxussegment wie beispielsweise «Rolls-Royce» tun könnte. Gleichermassen wären seltene Delikatessen von «Harrods» bei «Aldi» oder «Hofer» nicht gut aufgehoben. Die Marke lässt diese Dehnung nicht zu, sie ist für diesen Weg kein gutes Vehikel. Und auch wenn Marke und Strategie grundsätzlich miteinander harmonieren, ist ein detaillierter Blick notwendig, um mit einem möglichst klaren Markenbild auf Basis der strategischen Entscheidungen später auch operative Massnahmen konsequent umsetzen zu können. In welchen Abteilungen handelt ein Unternehmen heute schon gemäss seiner Grundausrichtung und völlig markenkonform? In welchen Prozessen handelt es konterkarierend? Welche Produkte, welche Dienstleistungen und welche Geschäftsbereiche passen möglicherweise nicht mehr zum Unternehmen? Einer unserer Klienten hat im Rahmen seiner Vision niedergeschrieben, stets den nachhaltigsten Betrieb der Region zu führen – beliefert aber gleichzeitig Kreuzfahrtschiffe. Ein Aspekt, den es zu hinterfragen galt und für den es vertriebliche Lösungsalternativen braucht. Genauso gibt auch die Marke Restriktionen vor, die ein Unternehmen entweder anerkennen und bestmöglich nutzen kann oder deren Konsequenzen sich die Führung dringend bewusst machen muss, bevor man sich auf die Reise begibt. Eine strategische Grundausrichtung, die niemand der Marke authentisch und glaubhaft zutraut, macht keinen Sinn – hier wäre zunächst nachhaltige Arbeit an der Markenwahrnehmung erforderlich.

Linda Vollberg ist Senior-Beraterin und Prokuristin der Mandat Managementberatung. 
linda.vollberg@mandat.de, www.mandat.de 

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