Strategie & Management

Nachfolgeregelung

Die komplexen Herausforderungen in Familienunternehmen

Heute sind rund 75 Prozent aller KMU Familienunternehmen. Die Unternehmensnachfolge stellt eine der zentralsten strategischen Aufgaben dar. Aktuell steht jedes fünfte KMU in der Schweiz vor der Aufgabe, die Unternehmensnachfolge zu regeln. Mehr als die Hälfte der KMU werden familienextern übergeben – oft nicht ganz freiwillig.
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Besonders schmerzhaft ist diese schlechte Nachfolgebilanz vor dem Hintergrund, dass Familienunternehmen neben der volkswirtschaftlichen Bedeutung durch ihre Einzigartigkeit der Schweizer Unternehmenslandschaft ein besonderes Profil verleihen. Gleichzeitig stellt die Regelung der Nachfolge Unternehmerfamilien vor besondere Herausforderungen.

Emotionen und Sachthemen

Denn neben den Sachthemen spielen hier die Emotionen eine sehr bedeutende, oftmals auch schwierige Rolle, die ein sowieso schon komplexes Themenfeld noch anspruchsvoller machen. Doch es ist der Einbezug aller Kernbereiche einer Unternehmerfamilie – Unternehmen, Kapital, Familie, Individuum –, der zu den entscheidenden Faktoren für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung gehört. Das zeigen die jahrzehntelangen Erfahrungen der Autorinnen.

Geht es in Unternehmerfamilien um die Planung einer tragfähigen Zukunft mit Weitsicht, liegt der Schwerpunkt oft ausschliesslich auf Unternehmens- und Kapitalseite. Hier wird mit Bedacht und Sorgfalt eine professionelle Struktur gepflegt. Aus dem Blickfeld gerät dabei, der Organisation der Familie sowie den Bedürfnissen der Einzelnen ebenso viel Gewicht einzuräumen. Dabei liegt das eigentliche Vermögen der Familie in der Verbindung aus Human- und Finanz­kapital. Für die nachhaltige Strategie eines Familienunternehmens leiten sich daraus folgende zentralen Fragen ab:

  • In welche Richtung entwickeln wir uns als Familie?
  • Wie richten wir unser Unternehmen für die Zukunft aus?
  • Wo stehen wir mit unserem Finanzkapital?
  • Welche Pläne haben die einzelnen Mitspieler?
  • Wo wollen wir gemeinsam hin?

Zwischen den Generationen

Stimmige Antworten auf diese Fragen zu finden, erfordert von allen Familienmitgliedern den Willen zu Transparenz und Offenheit sowie Respekt und Wertschätzung für das bisher Geschaffene. Dies sowohl auf der familiären wie der unternehmerischen Ebene. Die Entscheidungsfindung steht im Spannungsfeld verschiedener Charaktere, Emotionen und Generationen sowie unternehmens- und marktstrategisch relevanter Aspekte.

Dazu zwei typische Verhaltensmuster im Nachfolgeprozess:

«Ungeduldige Junioren»

Nachkommen, die willig sind, ins Unternehmen einzutreten, zeichnen sich durch eine höhere Bildung aus. Sie packen die Aufgaben durch ihr Wissen anders an als die ältere Generation, die auf ihre Erfahrung setzt. Anstatt sich geduldig gegenseitig zu befruchten, geht es den Jungen nicht schnell genug. Oft spitzt sich die Situation zu und es steht gegenüber Vater oder Mutter die Frage «Ich oder Du» im Raum. Je nachdem kommt es dann z. B.  zu einer Versöhnung, Streit, konstruktiver Trennung auf Unternehmensebene oder einem echten Loslassen der «alten» Generation.

«Egoistische Senioren»

Senioren können durch egoistische Ziele, wie zum Beispiel Steuer- und/oder Gewinnoptimierung, Besitzstandswahrung, Machterhalt, weit über die Pensionierung hinaus eine einvernehmliche Nachfolgelösung verhindern. Nicht alle Nachkommen können sich aus solchen finanziellen Abhängigkeiten und undurchsichtigen Familiensystemen lösen.

Komplexität reduzieren

Die potenzierte Komplexität aus Familie und Unternehmen, die hinter solchen Szenarien steht, ist die grundlegendste Herausforderung für Unternehmerfamilien, die es gemeinsam in einem fairen Prozess zu meistern gilt. Dieser Prozess gelingt, wenn Unternehmerfamilien bereit sind, die separate und oft unvollständige Betrachtung der vier relevanten Kernbereiche Unternehmen – Kapital – Familie – Individuum aufzuheben. Der Zugang zu reduzierter Komplexität, mehr Leichtigkeit und einer tragfähigen Zukunftsplanung liegt in der Verknüpfung und Synchronisierung dieser vier Bereiche (siehe Abbildung).

Wissen als Entscheidungsbasis

Das Ziel eines konstruktiven Nachfolgeprozesses ist eine auf die Unternehmerfamilie abgestimmte Strategie und Taktik, die die Beteiligten «mitnimmt» und eine gemeinsame Richtung festlegt – ganz im Sinne Senecas: «Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.» Der Weg dorthin führt über einen strukturierten Prozess. Dabei geht es in einem ersten Schritt darum, «internes Wissen» zu allen vier Kernbereichen zu etablieren. Das bedeutet beispielsweise, über die jeweilige unternehmerische Zukunftsvision der Einzelnen, über die privaten Pläne, über die Bereitschaft, eine Nachfolge anzutreten, etc. gegenseitig informiert zu sein. Denn solide und für alle stimmige Entscheide im Sinne eines fairen Prozesses setzen dieses Wissen von allen Beteiligten voraus. Im Vordergrund steht daher das Finden von Antworten auf relevante Fragestellungen und weniger die Antwort selbst. Dafür ist es sinnvoll, in Optionen zu denken; etwas, das manche vielleicht erst (wieder) lernen müssen.

Spielerisch zu neuen Einsichten

Eine spielerische Herangehensweise kann die nötige Initial-Motivation bieten und die Barrieren senken, um das Thema Zukunfts- und (familieninterne) Nachfolgeplanung mit ganzheitlicher Perspektive anzupacken. Dafür eignet sich beispielsweise der «Family Business Compass». Ein humorvoll illustriertes Set mit 44 Kompasskarten. Es verschafft Unternehmerfamilien wissenschaftlich fundiert mit treffenden Fragen und einfacher Ergebnisauswertung erste Orientierung über den Weg vom Ist- zum Soll-Zustand in den vier relevanten Kernbereichen. Das Setting eines Spiels hilft, die möglicherweise etwas spröde gewordenen Familienbande in der Unternehmerfamilie wieder geschmeidiger zu machen und so den Boden für den Familiendialog zu bereiten.

Fakten schaffen

Für den gemeinsamen generationenübergreifenden Weg zu einem vertrauensvollen und zuversichtlichen Loslassen sowie der erfolgreichen Übergabe an die nächste  Generation gibt es darüber hinaus drei bewährte Grundsätze:
 

Wollen

Perspektive Senior: Es gilt, tatsächlich und echt loslassen zu wollen. Man muss ein klares Bekenntnis machen, sich am Datum X verbindlich zurückzuziehen. Das kann zum Beispiel der 65. Geburtstag, ein Firmenjubiläum etc. sein.

Perspektive Junior: Grundsätzlich muss es der Junior als seine Aufgabe sehen, das Familienunternehmen weiterzuführen. Es muss eine innere Überzeugung sein im Sinne von: «Ja, ich will diese Aufgabe übernehmen.»
 

Können

Perspektive Senior: Die Unternehmensstruktur und die Familie sind vorzubereiten, um die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Das bedeutet zum Beispiel die Bündelung der Aktien, wenn diese in der Verwandtschaft «verstreut» sind. Darüber hinaus sind gegebenenfalls Verträge wie Aktionärsbindungsverträge anzupassen. Perspektive Junior: Sie müssen über die relevanten Fähigkeiten verfügen und die entsprechende Ausbildung absolvieren. Idealerweise sollten sie externe Führungserfahrung sammeln und sich die nötige Fachkompetenz aneignen.

Dürfen

Perspektive Senior: Die Devise heisst: Chancen geben und auch bewusst ein «Fehlermachen» zulassen. Perspektive Junior: Es muss der Spielraum vorhanden sein, nach eigenem Ermessen handeln zu dürfen.

Fazit

Die Dynamik in Familienunternehmen birgt eine aussergewöhnliche Komplexität. Ihr kann die Unternehmerfamilie mit einem fairen Prozess begegnen, der den Blick auf die Vernetzung von Familie und Unternehmen richtet. Im Vordergrund steht die gemeinsame Entwicklung von Optionen, was bedeutet:

  • Wissen zu etablieren
  • Verantwortung zu übernehmen
  • Nachhaltige Entscheide zu verankern

Das erfordert aktives Engagement, bei dem alle mitreden sollten – was nicht heisst, dass alle mitentscheiden. Idealerweise nehmen mindestens ein Vertreter der «NextGen» und ein Vertreter der «SenGen» zusammen die Zügel in die Hand. Last, but not least reduziert sich so das strukturelle Risiko und das Risiko einer Familienwertverminderung.

Porträt