Die Bedeutung der IT für den Erfolg von M&A-Projekten wird oft unterschätzt. Regelmässig verzögern sich Unternehmensübernahmen und -integrationen, weil
- die IT-Systeme noch separiert,
- redundante Strukturen noch beseitigt
- und Service-Vereinbarungen für IT-Dienstleistungen, die der Käufer noch einige Zeit beziehen möchte, noch ausgehandelt werden müssen.
Komplexe Aufgaben
Die IT-Verantwortlichen stehen nach dem Zukauf von Unternehmen in der Regel vor einer grossen Herausforderung, auch weil sie meist mit zu niedrigen Budgets und zu knapp bemessenen zeitlichen Ressourcen operieren müssen. Zugleich wissen sie: Schlagen nur einige Workstreams, also Teilprojekte im Rahmen der IT-Integration, fehl, hat dies vermutlich fatale Konsequenzen. Ein «Augen zu und durch» ist hierbei nicht möglich, denn
- zu gross ist heute in fast allen Unternehmen die Abhängigkeit der Geschäftsprozesse von der IT und
- entsprechend komplex ist der Prozess, neue Abläufe mit den bestehenden abzugleichen und am Laufen zu halten.
Hinzu kommt: Manche Funktionsbereiche, zum Beispiel das Rechnungswesen, die Kommunikationssysteme und die IT-Sicherheit, müssen nach dem Unternehmenskauf sofort umgestellt oder integriert werden, andere können warten. Aufgrund der Komplexität und Vielfalt der Aufgaben kommt es dabei immer wieder zu folgenschweren Fehlern.
Die vier Kernprobleme
Bei der IT-Integration im Rahmen von M&A-Projekten gibt es vier Themenbereiche mit einem hohen Konfliktpotenzial, die eine hohe Interdependenz aufweisen. Diese sollten die Entscheider kennen, denn dann lassen sich typische Fallstricke umgehen und der Integrationsprozess läuft stressfreier. Der zentrale Problembereich ist meist die Komplexität der IT-Systeme und -Lösungen. Diese lässt sich oft nur schwer vereinbaren mit dem Wunsch nach
- niedrigen IT- und Integrationskosten,
- geringen Integrationsrisiken und
- einer hohen Umsetzungsgeschwindigkeit.
Problembereich 1: Komplexität der IT-Systeme und -Lösungen
Werden bei der Due Diligence – also dem Prüfungsprozess bei einer M&A-Transaktion, bei dem das Zielunternehmen alle wichtigen Dokumente, Prozesse und Güter offenlegt – die Soft- und Hardware-Standards abgeglichen, zeigt sich meist schnell: Es gibt viel zu tun. Redundante Systeme und Softwarelösungen müssen konsolidiert, Daten übertragen und die Benutzer auf die jeweils unbekannte Software geschult werden.
Kompliziert wird die IT-Integration speziell dann, wenn das Zielunternehmen beziehungsweise erworbene Unternehmen für wichtige Prozesse eine selbstentwickelte Software nutzt, während beim Käufer hierfür eine Standardsoftware zum Einsatz kommt. Dann erhöht die mit der IT-Anpassung an die Geschäftsprozesse verbundene Datenmigration die Komplexität um ein Vielfaches.
Allgemein gilt: Eine Reduzierung der System- und Applikationskomplexität geht oft zu Lasten der Lösungsvielfalt und -freundlichkeit. Die Stärken beziehungsweise Kernkompetenzen eines Unternehmens können durchaus in seinen
Prozessen und IT-Systemen liegen beziehungsweise sich darin widerspiegeln. Diese gilt es in der Regel zu bewahren. Deshalb sollten Konsolidierungen mit Bedacht geplant werden.
Tipp: Verschaffen Sie sich im Rahmen der Due Diligence einen fundierten Überblick über die unterschiedlichen Systeme und Applikationen. Richten Sie neue Anforderungen gemäss der Integrationsstrategie und dem Operating Model (also dem Plan, wie künftig zusammengearbeitet wird) des neuen, gemeinsamen Unternehmens aus. Identifizieren Sie die kritische Software und Infrastruktur, die zum «Day One» bereitstehen muss.
Problembereich 2: IT- und Integrationskosten
Bis zu zwei Drittel der Kostensynergien, die bei einer M&A-Transaktion erzielbar sind, hängen von der IT ab. Zentrale Synergietreiber sind die Konsolidierung der Systeme, Prozesse und Dienstleistungen sowie die Zentralisierung der sogenannten Shared Services. Um diese Synergien zu erzielen, benötigt man die entsprechenden personellen Ressourcen. Diese werden im Vorfeld meist zu niedrig kalkuliert, auch um den Deal möglichst attraktiv erscheinen zu lassen.
Als Faustregel kann gelten: Die IT-Kosten machen 30 Prozent und mehr der Gesamtintegrationskosten aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn ERP-Systeme konsolidiert werden müssen und externe IT-Berater involviert sind.
Auch die Lizenzkosten sorgen oft für unangenehme Überraschungen. Wurde zum Beispiel im Rahmen der Due Diligence nicht geklärt, wer die Besitzrechte an den Lizenzen hält oder um welche Art von Lizenzen es sich handelt (sind zum Beispiel Wartungen ausgeschlossen), müssen eventuell neue Lizenzen erworben werden.
Knappe Budgets gehen meist mit einer Reduktion des IT-Supports einher; das steigert die Unzufriedenheit der Mitarbeiter. Wer im Integrationsprozess produktive und motivierte Mitarbeiter haben möchte, sollte vermeiden, dass diesen System- und Softwareprobleme die Arbeit erschweren.
Tipp: Bauen Sie in die Kostenplanung Puffer für unvorhergesehene Probleme und unerwartete Kosten ein. Diese entstehen bei der IT-Integration immer – auch bei einer guten Planung. Legen Sie Widerspruch ein, wenn die Kosten unrealistisch niedrig budgetiert werden, denn: Sie und Ihr Team müssen die Suppe später auslöffeln.