Strategie & Management

Arbeitswelten

Der Wandel in der Führungs- und Arbeitskultur

Richtig angepackt, bietet die moderne Arbeitswelt Chancen für Angestellte und Unternehmen. Nicht jedoch ohne Umdenken: Das veraltete Arbeitsgesetz ist zu modernisieren, ebenso wie hierarchische Unternehmens- und Arbeitsmodelle. Der Beitrag gibt Einblicke, wie man proaktiv mit diesen Themen umgehen kann.
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Die Arbeitswelt ändert sich so schnell wie nie zuvor. Dies aufgrund der weltweiten Vernetzung und Arbeitsteilung (Globalisierung), der technologischen Verän­derungen (im Zuge der Digitalisierung) sowie der demografischen Entwicklungen und geänderten Werthaltungen (gesellschaftlicher Wandel). Das Zusammenwirken dieser Entwicklungen führt zur Chance, die Arbeit grundlegend neu zu definieren.

Wir alle sind Wirtschaft

Driften Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend auseinander? Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass häufig ein wichtiges Bindeglied in dieser Diskussion vergessen geht, nämlich die Arbeit und der Konsum. Arbeit und Konsum machen gerade deutlich, dass die Wirtschaft eben Teil der Gesellschaft ist, oder anders formuliert: Wir alle zusammen sind die Wirtschaft. Zum einen konsumieren wir und bezahlen für bezogene Produkte und Dienstleistungen, zum anderen produzieren wir, respektive stellen wir unsere Arbeitsleistung einem Arbeitgeber – oder als Selbstständigerwerbende direkt den Kunden – zur Verfügung.

Eine starke Wirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass Arbeitgeber Geld haben, Arbeitnehmende zu entlöhnen, und dass Arbeitnehmende über jene Kompetenzen verfügen, welche arbeitgeberseitig gefragt sind. Zum einen macht dies un­mittelbar klar, dass wir alle von einem starken Schweizer Wirtschaftsstandort profitieren. Zum anderen wird offensichtlich, wie wichtig Bildung, lebenslanges Lernen und die nachhaltige Arbeitsmarktfähigkeit der Erwerbstätigen sind. In diesem Zusammenhang führen moderne Lebensformen auch zu erhöhten Anforderungen an die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit – sei es Familie, Weiterbildung, Hobbys.

Arbeitsgesetz modernisieren

Moderne Lebens- und Arbeitsformen sind heutzutage auf Basis des über 50-jährigen Arbeitsgesetzes aus dem Fabrikzeitalter kaum praktizierbar. So darf man zum Beispiel nicht um 16 Uhr die Kinder bereits aus der Kinderkrippe abholen, mit ihnen spielen und wenn sie dann schlafen, nochmals von 21 bis 22 Uhr eine wichtige Sitzung vorbereiten, welche am Folgetag um 8 Uhr startet. Auch darf man nicht am sonnigen Freitagnachmittag baden gehen und am Sonntag, wenn es regnet, zu Hause noch den verpassten Freitagnachmittag nacharbeiten.

Solche und ähnliche Arbeitsformen sind aber von vielen Führungs- und Fachkräften mit Gestaltungsautonomie (15 bis 20 Prozent der Erwerbstätigen) gewünscht, um Beruf und Freizeit möglichst gut vereinbaren zu können. Selbstbestimmtes Arbeiten soll für diese eingegrenzte Personengruppe auf Basis eines Jahres­arbeitszeitmodells in Kombination mit einem gestärkten Gesundheitsschutz möglich werden. Dies dank einer seit Anfang September 2018 in der Vernehmlassung befindlichen Gesetzesvorlage (Parlamentarische Initiative Graber). Es geht dabei nicht darum, mehr zu arbeiten, sondern selbstbestimmter und flexibler.

Dieses Anliegen wird unterstützt durch die «Allianz Denkplatz Schweiz» (www.allianz-denkplatz-schweiz.ch), welche im Frühling 2016 von Expertsuisse mit anderen Branchenverbänden etabliert wurde. Auch die Angestelltenverbände der «Plattform für Angestelltenpolitik» stehen hinter diesen Überlegungen.

Erwerbstätige haben heutzutage meist mehrere Arbeitsorte: Zu Hause (Homeoffice), unterwegs (zum Beispiel im Zug) und im Büro. Selbst im Büro haben viele nicht nur einen fixen Arbeitsplatz, sondern können in unterschiedlichen Raumzonen verschiedene Arbeitssituationen (still, leise, laut) für individuell-konzentriertes oder kollaborativ-kommunikatives Arbeiten nutzen. Dieser Ansatz des «Multi-Space-Office» ist verbunden mit einem Wandel der Führungs- und Arbeitskultur in Richtung eines Miteinanders mit kurzen Entscheidungswegen und hoher Kundenorientierung.

Wandel der Arbeitsräume

In der alten, industriegeprägten Arbeitswelt hat man Büroräume primär als Kostenfaktor betrachtet, mit Fokus auf Produktivität von Boden und Kapital. In der neuen Arbeitswelt treten andere Kenngrössen in den Vordergrund: Produkti-
vität von Zeit und Wissen. Somit werden Büroräume nicht mehr als operativer Kostenblock betrachtet, sondern als strategisches Innovations- und Produktivitätspotenzial. Gute Mitarbeitende können dadurch einfacher rekrutiert und gehalten werden. Es gibt weniger Absenztage. Dafür entstehen mehr unternehmerische Ideen sowie eine erhöhte Umsetzungseffizienz. Darum ist es also letztlich auch finanziell betrachtet der richtige Ansatz.

Expertsuisse hat seit Ende August 2018 einen neuen Standort am Stauffacher 1 in Zürich. Dieser ist gemäss den neusten Erkenntnissen für ein nachhaltig gesundes, kreatives und produktives Arbeiten als Multi-Space-Office konzipiert. Zudem hat Expertsuisse neuerdings eigene Schulungsräumlichkeiten mit modernster Infrastruktur und bietet diese auch Drittorganisation an (www.expertsuisse.ch/campus). Ein Café sowie die Co-Working-Angebote der Firma «Headsquarter» runden das Ökosystem «Neue Arbeitswelt am Stauffacher 1» ab (www.headsquarter.ch).

Heterarchien schaffen

Kein Unternehmen kann im heutigen dynamischen Umfeld langfristig Arbeitsplatzsicherheit garantieren; alle Unternehmen könnten aber die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Angestellten sicherstellen. Hierzu gehört, dass man sich arbeitge-ber- und arbeitnehmerseitig Gedanken macht, wie sich Arbeit und Berufsbilder über die nächsten Jahrzehnte entwickeln, um geeignete organisationale und individuelle Entwicklungen anzustossen.

Oft wird von agilen Unternehmen, Projekten und Mitarbeitenden gesprochen. Es geht dabei darum, dass man in der Lage ist, sich immer wieder von Neuem an sich verändernde Umfeldentwicklungen anzupassen. Hierzu müssen die Unternehmen den Weg gehen von machtorientierten Hierarchien hin zu informationsorientierten Heterarchien, die sich durch rollenbasierte Netzwerke, Selbststeuerung, Koordination sowie Kooperation auszeichnen. Kein Unternehmen funktioniert ohne Entscheidungsmacht; die Frage ist, wie zentral oder dezentral diese Entscheidungsmacht – respektive die Führungskompetenz insgesamt – in einem Unternehmen verteilt ist.

Die Verteilung von Führungskompetenz ist nicht nur eine strukturelle Frage. Das Gelingen dieses Vorhabens wird massgeblich geprägt von der Selbstführungs- und Kollaborationskompetenz der An­gestellten. Es sind genau diese Kompe-
tenzen, welche auch unerlässlich sind mit Blick auf die individuelle Arbeitsmarktfähigkeit und ein nachhaltig gesundes und zufriedenes Leben. Selbstführungs- und Kollaborationskompetenzen haben im Zeitalter der Digitalisierung an Bedeutung gewonnen. Zum einen, weil netzwerkartiges Zusammenarbeiten immer verbreiteter ist, und zum anderen, weil nur genügend Selbstführungskompetenz sicherstellt, dass die digitalen Kanäle und die Erreichbarkeit aktiv gemanagt werden. Letzteres ist entscheidend, damit ungestörtes, konzentriertes Arbeiten ebenso möglich ist wie tiefenentspannte Erholung in der Freizeit.

Dynamische Arbeitswelt

Viele Menschen gehen davon aus, dass Roboter nie in bedeutendem Masse in den Arbeitsmarkt vorstossen werden. Noch mehr Leute denken, dass Roboter den Menschen ersetzen und die Vorherrschaft übernehmen werden, was zu einer technologisch bedingten Massenarbeitslosigkeit führen würde. Eine unheilige Allianz von Technologie-Enthusiasten und Kapitalismus-Kritikern beschwört das Ende der menschlichen Arbeit herauf. Nüchtern betrachtet ist aber weder Stillstand noch Untergang das, was in den kom­menden Jahrzehnten hinsichtlich der menschlichen Arbeit geschehen wird.

Künstliche Intelligenz wird zunehmend wichtig. Was in Wirtschaftszweigen wie der Prüfungs- sowie Beratungsbranche aber besonders zählt, ist die natürliche Intelligenz. Diese braucht es nämlich, um komplexe Sachverhalte zu beurteilen und um Routinetätigkeiten erfolgreich zu automatisieren. Im Sinne eines nachhaltig komparativen Vorteils gegenüber Robotern gilt es, sich gerade auf menschenspezifische Eigenheiten und Vorteile zu fokussieren. Dabei entstehen neue Berufe (zum Beispiel Social-Media Therapeut, Cyber-Soldat), während bisherige Berufe verschwinden (zum Beispiel Taxifahrer, klassischer Buchhalter) oder sich weiterentwickeln (zum Beispiel Dipl. Wirtschaftsprüfer, Steuerexperten und Treuhandexperten). Die Weiterentwicklung umfasst auch einen verstärkten Aufbau von Führungs-, Sozial- und Digitalkompetenzen für das erfolgreiche Führen von Personen, Projekten und ganzen Firmen. Expertsuisse hat das Aus- und Weiterbildungsangebot dahingehend ergänzt.

Bewusster Berufseinstieg

Früher hatte man einen Arbeitgeber fürs Leben. Heute sind es mehrere Arbeitgeber hintereinander. Neu werden es für Portfolio-Worker auch mehrere Arbeitgeber parallel sein. Zudem ist davon aus­zugehen, dass Jugendliche heute einen
Beruf erlernen, den es so in ein paar Jahrzehnten gar nicht mehr geben wird. Das heisst, sie werden in ihrer weiteren beruflichen Laufbahn nicht nur verschiedene Arbeitgeber, sondern auch verschiedene Berufe haben. In Zeiten von Unsicherheit sind eine möglichst solide Ausbildung und eine kontinuierliche Weiterbildung im Sinne des lebenslangen Lernens empfehlenswert.

Eine Ausbildungs- und Berufslaufbahn ist nicht im Detail planbar. Deshalb auf Weitsicht und Planung zu verzichten, wäre der grösste Fehler. Planung in Szenarien und das Wählen von Schritten, welche einem das Tor öffnen zu mehreren Folgeschritten, ist ein wichtiges Prinzip. Ein zweites wichtiges Prinzip ist das Arbeiten am eigenen Kompetenzprofil und dessen Positionierung. Junge Leute wählen Ausbildungsfächer, Praktika et cetera zu oft noch zufällig. Umgekehrt sieht man vereinzelt Jugendliche, die sehr zielgerichtet vorgehen und bei denen nach wenigen Jahren ein klarer roter Faden im Lebenslauf und eine überzeugende Positionierung am Arbeitsmarkt ersichtlich ist.

Mit www.startyourcareer.ch zeigt Expertsuisse die heutige und künftige Attrak­tivität der Berufsbilder in Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand für den Nachwuchs auf und bietet für Interessierte konkrete Angebote wie Bachelor­arbeitsthemen, Praktika und Festanstellungen. Bei Mitgliedunternehmen wird man mit einer berufsbegleitenden Ausbildung Experte in Wirtschaftsprüfung, Steuern oder Treuhand. Berufe, wo es darum geht, Entscheider zu verstehen, zu unterstützen und zu beraten, um später selbst ein Entscheider zu werden. Eine steile Lernkurve und attraktive Karrieremöglichkeiten machen diesen Berufseinstieg besonders interessant. Die Berufseinsteiger von heute werden prägend sein, für die Abeitswelten von morgen.

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