Strategie & Management

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

Der PDCA-Zyklus: Probleme mit System lösen

Wenn Unternehmen agiler werden und sich kontinuierlich verbessern möchten, müssen ihre Mitarbeiter lernen, eigenständig Probleme zu erkennen und zu lösen. Ein smartes Hilfsmittel hierbei ist der PDCA-Zyklus, auf dem auch der A3-Report basiert.
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Wenn Unternehmen agiler werden und in ihrer Organisation eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung (KVP) verankern möchten, brauchen ihre Mitarbeiter und Arbeitsteams auf der wertschöpfenden Ebene eine Reihe von Fähigkeiten. Sie müssen unter anderem in der Lage sein, eigenständig 

  • Probleme, welche dem Erreichen der Unternehmensziele im Wege stehen, zu erkennen,
  • deren Ursachen zu analysieren,
  • Massnahmen zu deren Beseitigung zu definieren, 
  • diese umzusetzen und 
  • hieraus neue (Verhaltens-)Standards abzuleiten.

Einfache Tools nötig

Viele Projekte, die darauf abzielen, die Agilität von Unternehmen zu erhöhen und eine KVP-Kultur in ihnen zu verankern, scheitern nicht an einer mangelnden Bereitschaft der Mitarbeiter, sich für das Erreichen der Unternehmensziele zu engagieren. Die Ursache ist vielmehr: Den Mitarbeitern und Führungskräften auf der operativen Ebene fehlen neben der erforderlichen Kompetenz Werkzeuge, um parallel zum Tagesgeschäft die angestrebten Veränderungen und Verbesserungen zu realisieren.

Doch solche Instrumente existieren. Eines von ihnen ist der A3-Report, der auf Wirtschaftsingenieur Joseph M. Juran zurückgeht. Er empfahl in den 1950er-Jahren japanischen Topmanagern, Problemlösungen, Entscheidungsgrundlagen und Strategien auf einem Blatt Papier darzustellen – aus Gründen der Übersicht. Toyota folgte diesem Rat und wählte hierfür Papier im DIN-A3-Format: Der A3-Report war geboren.

Der A3-Report gibt den Mitarbeitern sozusagen eine Schablone an die Hand, welche Analyse- und Handlungsschritte beim Lösen eines Problems zu durchschreiten sind. Und diesem Prozess liegt wiederum ein systematisiertes Vorgehen zugrunde: der sogenannte Plan-Do-Check-Act-Zyklus, kurz PDCA-Zyklus genannt. Er wird zuweilen auch als Deming-Rad oder -Kreis bezeichnet – nach dem US-amerikanischen Qualitätsmanagement-Pionier William Edwards Deming, der dieses Vorgehen nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan einführte. Faktisch geht der PDCA-Zyklus jedoch auf Demings Lehrer, den US-Amerikaner Walter Shewhart zurück, der als Vater der Statistical Quality Control gilt und unter anderem als Qualitätsverbesserer beim Konzern Western Electric war.

Die Phasen des PDCA-Zyklus

Von allen zur Qualitätsverbesserung genutzten Werkzeugen ist der PDCA-Zyklus das wichtigste. Er beschreibt die Grundlagen eines Verbesserungsprozesses und gliedert ihn in vier Phasen:

Phase 1: Plan. In ihr werden das Problem und der Ist-Zustand beschrieben sowie die (Kern-)Ursachen des Problems analysiert. Ausserdem wird der Ziel-Zustand formuliert. Zudem werden Messgrössen für das Erreichen des Ziel-Zustands definiert.
Phase 2: Do. In dieser Phase werden die Massnahmen zum Erreichen des Ziel-Zustands fixiert.
Phase 3: Check. In ihr werden die beim Umsetzen der Massnahmen gesammelten Erfahrungen sowie erzielten Ergebnisse reflektiert und die Massnahmen bei Bedarf nachjustiert.
Phase 4: Act. In ihr werden die im Prozess der Problemlösung gesammelten Erfahrungen evaluiert und hieraus Standards für das künftige Vorgehen ableitet. 

Diesen Prozess durchlaufen die Arbeits-teams stets, wenn sie ein Problem oder eine für die Zielerreichung relevante Verbesserungschance erkannt haben. Dann wird jeweils ein neuer PDCA-Zyklus gestartet, 
mit dem Ziel, einen neuen Standard im Unternehmen zu etablieren, der als Basis für weitere Verbesserungen dient. 

Wie die Arbeit mit dem PDCA-Zyklus funktioniert, sei an einem anonymisierten und vereinfachten Fallbeispiel illustriert.

Ein anonymisiertes Fallbeispiel 

Im Sommer 2016 verabschiedete der Vorstand eines Flaschenherstellers eine neue Strategie. Diese zielte darauf ab, die Qualitätsführerschaft bei der Flaschenproduktion auszubauen und die Kundenzufriedenheit weiter zu erhöhen. Ausgehend von dieser Vision definierte das Managementteam sogenannte Durchbruch-Ziele für das Realisieren der Strategie. Sie lauteten für die Produktion:

  • Die Produktionsverfahren müssen dem neusten Stand der Technik entsprechen.
  • Die Arbeit muss sich am Null-Fehler-Prinzip orientieren. Und: 
  • Das Streben nach Verbesserung muss sich regelrecht «in den Genen» der Mitarbeiter verankern.

Diese Ziele wurden in Meetings auf alle Ebenen heruntergebrochen, sodass Ende 2016 alle Bereiche, Abteilungen sowie Teams ihren Soll-Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele kannten. Ausserdem wurden die Führungskräfte in der Produktion zu Kata-Coaches ausgebildet, die ihre Mitarbeiter nun beim Analysieren und Lösen neuer Aufgaben unterstützen – so auch der Abteilungsleiter der Flaschenfertigung Claus Schmitt und seine Gruppenleiterin Etikettierung Karla Haas. 

Bei einem ihrer Meetings im Januar 2017 wies Abteilungsleiter Schmitt die Gruppenleiterin darauf hin, dass die von ihr betreuten fünf Etikettierlinien weniger als die angestrebten 25 000 Flaschen/Tag produzierten, was zu Lieferengpässen und Unzufriedenheit bei Kunden führte. Er bat sie, dieses Problem zu lösen.

PDCA-Phase 1: Plan

Daraufhin analysierte Frau Haas die Produktionszahlen der zurückliegenden Wochen und stellte fest: Bei der von Team-leiter Heinz May betreuten Etikettierlinie gibt es eine grosse Soll-Ist-Abweichung: Statt der angestrebten 5000 Flaschen pro Etikettierlinie/Tag lieferte sie im Schnitt nur 4200 Flaschen aus. 

Also analysierte die Gruppenleiterin mit Teamleiter May das Problem. Dabei zeigte sich: Die Lieferung sank in den zurückliegenden Wochen kontinuierlich – auf 4000 Flaschen aktuell. Frau Haas bat Herrn May, Vermutungen über die Ursachen zu äussern. Seine Vermutung: Es liegt am hohen Ausschuss. Also schauten sich die beiden im Ausschusslager die aussortierten Flaschen an und registrierten: Bei fast allen Ausschussflaschen sind die Etiketten faltig und schief angebracht. 

Frau Haas fragte Herrn May, was die Problemursachen sein könnten. Seine erste Vermutung: Die gelieferten Etiketten sind nicht okay. Ein Anruf bei der Eingangsprüfung ergab: Sie sind okay. Also war klar: Beim Etikettieren läuft etwas schief. Herr May schaute sich daraufhin in den Schichtberichten die Ausschusszahlen an. Dabei zeigte sich: Über 80 Prozent der Ausschussflaschen werden in der Nachtschicht produziert.

Also beobachteten die Gruppenleiterin und der Teamleiter in der folgenden Nachtschicht den Etikettierprozess. Dabei stellten sie fest: Das Etikettierband staut sich zuweilen in der Spenderstation und deshalb werden die Etiketten schief aufgebracht. Als Ursache vermutete Herr May: Das Etikettierband wird von einigen Mitarbeitern beim Wechseln falsch eingefädelt – und zwar von den beiden neuen. Damit stand für ihn die Kern­ursache des Problems fest.

Also bat Frau Haas Herrn May, ein Ziel für Gegenmassnahmen zu formulieren. Die Antwort: Das Ziel sei doch klar, den Ausschuss zu reduzieren. Seine Vorgesetzte erinnerte ihn daran, dass Ziele «smart» – also auch messbar und terminiert – sein sollten. Daraufhin formulierte May das Ziel neu: Die Ausschussquote der Nachtschicht soll in acht Wochen, am 31. März, 50 Prozent niedriger sein – und dieses Ziel wolle er durch ein Schulen der neuen Mitarbeiter erreichen. Damit war die Sache für ihn erledigt.

PDCA-Phase 2: Do 

Anders für Frau Haas. Sie fragte den Teamleiter, ob er genau wisse, wie die Mitarbeiter beim Rollenwechsel vorgingen; ausserdem, ob es eine schriftliche Beschreibung gebe, wie dieser zu erfolgen habe – auch zum Einarbeiten neuer Mitarbeiter. Mays Antwort auf beide Fragen lautete: Nein. 

Also schauten sich Haas und May in einer weiteren Nachtschicht den Rollenwechsel durch erfahrene und unerfahrene Mitarbeiter an. Dabei registrierten sie Unterschiede: Die erfahrenen Mitarbeiter achteten darauf, dass das Band beim Wechsel den Boden nicht berührte, sodass kein Schmutz in den Spender kam; bei den unerfahrenen hingegen schleifte das Etikettenband oft auf dem Boden. So sammelte sich allmählich Schmutz im Etikettenspender, sodass sich das Band von Zeit zu Zeit verhakte, und dies führte zu den Ausschussflaschen. 

Frau Haas bat den Teamleiter daraufhin, sich mit seinem Team mögliche Gegenmassnahmen zu überlegen, diese zu priorisieren und einen Aktionsplan zu erstellen. Das tat Herr May mit seinem Team. Als mögliche Gegenmassnahmen formulierten sie unter anderem:

  • Der Boden wird alle zwei Stunden gereinigt. Und:
  • Auf dem Boden vor dem Etikettenbandabwickler wird ein Gitterrost montiert, durch den eventueller Schmutz fallen kann. Und:
  • Herr May definiert den idealen Prozess­ablauf beim Rollenwechsel in schriftlicher Form und schult seine Mitarbeiter diesbezüglich.

Aufgrund der Priorisierung erstellten die Teammitglieder einen konkreten Massnahmenplan – nebst Verantwortlichkeiten. Ausserdem vereinbarten sie: Der aktuelle Status des Projekts wird bis Ende März stets an der Shopfloor-Tafel der Etikettierlinie dokumentiert, und hierüber wird regelmässig in der täglichen Shop­floor-Runde des Teams gesprochen.

PDCA-Phase 3: Check

In den folgenden Wochen trafen sich Frau Haas und Herr May wöchentlich, um die Entwicklung der Ausschusszahlen zu studieren. Zudem definierten sie aufgrund der bisher im Projekt gesammelten Erfahrungen und erreichten Zwischenergebnisse weitere Massnahmen – zum Beispiel, dass die Maschine stets gestoppt wird, wenn das Etikettenband den Fussboden berührt. Das führte dazu, dass am 31. März der Ausschuss um fast 70 Prozent gesunken war. Das geplante Ziel wurde somit übertroffen. 

Frau Haas gratulierte Herrn May zu dem Erfolg und bat ihn, eine Einschätzung von dessen Wirkung hinsichtlich der Kunden, der Flaschenfabrik und seiner eigenen Person vorzunehmen; ausserdem ihr die Gründe für den Erfolg zu nennen. Herr May antwortete: Der Rollenwechsel sei nun prozesssicher. Das führe zu weniger Reklamationen und einer höheren Kundenzufriedenheit und die Flaschenfabrik spare wegen des geringeren Ausschusses Geld. Und er selbst? Sein Selbstvertrauen sei durch die Problemlösung gestiegen, was ihn dazu animiere, auch andere Probleme aktiv anzugehen – zum Beispiel um den Ausschuss gemäss dem Null-Fehler-Prinzip noch weiter zu senken. 

Als Gründe für den Erfolg nannte Herr May: Durch das sehr strukturierte Vorgehen bei der Problemanalyse sei nicht nur die Kernursache des Problems ermittelt, sondern auch eine pragmatische sowie eine nachhaltige Lösung gefunden worden – auch weil alle Mitarbeiter ihre Erfahrungen in den Verbesserungsprozess eingebracht haben.

PDCA-Phase 4: Act

Nach dieser Einschätzung fragte Frau Haas den Teamleiter, was er hinsichtlich einer Standardisierung tun wolle. Er erwiderte, er werde eine schriftliche Beschreibung des optimalen Prozesses «Wechsel der Etikettenrolle» erstellen – auch für das Einarbeiten neuer Mitarbeiter. Ausserdem werde er fortan täglich eine Prozesskontrolle durchführen, um Soll-Ist-Abweichungen und Verbesserungschancen früher zu erkennen. Frau Haas lobte Herrn May hierfür und bat ihn, im nächsten Teamleiter-Meeting die Teamleiter der vier anderen Etikettierlinien über den neuen Standard und die Erkenntnisse in dem PDCA-Problemlösungsprozess zu informieren, damit sie von den Erfahrungen lernen könnten. Sie selbst informierte ihren «Chef» – den Abteilungsleiter Flaschenfertigung: Das Problem «zu geringe Flaschenproduktion» ist gelöst.

Die Führungsaufgaben

Das Bearbeiten und Lösen von Problemen mit dem PDCA-Zyklus, wie in dem Fallbeispiel beschrieben, erfordert von allen Beteiligten spezielle Fähigkeiten – insbesondere von den Führungskräften. Sie müssen sich unter anderem als Coach und Lernbegleiter ihrer Mitarbeiter verstehen und bereit sein, sich intensiv mit ihnen und den wertschöpfenden Prozessen zu befassen. Hierfür gilt es sie wie im Fall-beispiel zu schulen. Sonst zeigt sich rasch ein Problem, das man häufig bei Unternehmen registriert, die den PDCA-Zyklus ohne eine Schulung ihrer Führungskräfte einsetzen: Sie sind zwar ziemlich gut in den Phasen «plan» und «do» des PDCA-Prozesses, haben aber Schwierigkeiten bei den Phasen «check» und «act» – also dann, wenn es darum geht, 

  • aus den ersten Initiativen die erforderlichen Schlüsse zu ziehen und eventuell das geplante Vorgehen zu variieren sowie 
  • aus den Erfahrungen in dem Projekt neue Standards abzuleiten und diese im Unternehmen zu etablieren. 

Die zentrale Ursache hierfür: Die Führungskräfte haben noch nicht ausreichend das erforderliche Selbstverständnis verinnerlicht, dass sie primär Coaches und Lernbegleiter ihrer Mitarbeiter sind. Deshalb geben sie ihnen aufgrund ihrer fachlichen Expertise in den Phasen «plan» und «act» oft noch (unbewusst) die Lösung des Problems vor. Darum finden bei den Mitarbeitern auch nicht die gewünschten Lernprozesse statt – weshalb auch ihre Problemlöse-Kompetenz nicht steigt. Dies verhindert wiederum, dass sie im Arbeitsalltag mit der gewünschten Agilität und Flexibilität auf Probleme und neue Herausforderungen reagieren.

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