Im Januar 2015 hat die Schweizerische Nationalbank unerwartet entschieden, den Franken nicht mehr an einen Euro-Mindestkurs zu koppeln. Herr Müller, zu welchen Handlungen sahen Sie sich damals veranlasst?
Der SNB-Entscheid traf Schurter mitten in den Transfervorbereitungen eines Teils der Produktion nach Tschechien, die Verlagerung wurde dadurch beschleunigt. Generell rückte das Kostenbewusstsein weiter in den Vordergrund, das Natural Hedging wurde verfeinert. Wir knüpften zusätzliche Lieferantenbeziehungen im Osten und in Asien. Das Bewusstsein nahm zu, noch schneller werden zu müssen in der Umsetzung. Neu aufgebaut wurde das Key-Account-Management, der Fokus auf das Gewinnen potenzieller Kundensegmente gelegt. Auch die vorhandenen Kompetenzen im Mutterhaus in Luzern wurden hinterfragt.
Was hat der Frankenschock denn volumenmässig ausgelöst?
Bei gleichbleibender Auslastung erlitt Schurter einen währungsbedingten Rückschlag von 198 Millionen CHF Umsatz (2014) auf 191 Millionen CHF (2015). Cashflow und Gewinn konnten wir prozentual halten. Die eingeleiteten Massnahmen wirkten also. Bereits 2016 erhöhte sich der Umsatz gegenüber dem Vorjahr signifikant, beflügelt durch die gute Wirtschaftslage und durch getätigte Akquisitionen. Das Investitionsvolumen 2015 wurde aber nicht gekürzt. 2016 und 2017 investierten wir sogar überproportional. Kurzfristig mussten wir in Luzern fünf Personen abbauen. Danach entstanden aber wieder neue Stellen, denn wir befinden uns in einem ständigen Transformationsprozess. Zur Illustration: Der Personalbestand ist nach wie vor gleich gross, aber wir haben mehr Ingenieure, mehr Leute in Finance, Enterprise-Service, Qualität und so weiter. Die Supportaufgaben für die Gruppe nehmen überproportional zu. Der Grund: Wir wollen die Kernprozesse hier in Luzern behalten und dort produzieren, wo der Markt ist. Das verlangt eben der globale Wettbewerb.
Konkret: Wo haben Sie seither «in Neues» investiert?
Der Bereich «Solutions» ist ein markantes Beispiel. Wir hatten schon vorher entschieden, nicht nur Komponenten und Eingabesysteme zu verkaufen, sondern Gesamtlösungen anbieten zu wollen. Das haben wir forciert. Wir wagten uns in neue Märkte. Erstens in den Sektor «Automotive», in dem wir bereits Fuss gefasst haben. Der gewaltige Transformationsprozess dieser Branche hin zu Elektrofahrzeugen kommt uns entgegen, weil wir da viel Know-how aufweisen, etwa im Batterie-Management, mit Sicherungen und anderem mehr. Zweitens können wir unser Potenzial in den Sektor «Mobilkommunikation» einbringen. Das eröffnet uns anspruchsmässig wie auch volumenmässig völlig neue Dimensionen.
In Luzern haben wir deshalb in weitere Montageanlagen investiert. Über sie werden hohe Volumen für die Autozuliefer-Industrie sowie für den Grosskonzern der Mobilkommunikation laufen. Derzeit wird eine erste Zelle installiert für 50 Millionen Stück pro Jahr. Das erfordert 30 neue Stellen − von Operators über Prozess-Spezialisten bis zu Ingenieuren. Schurter ist jetzt gut aufgestellt: Das Automotive-Projekt ist angelaufen, der Sektor «Mobilkommunikation» auf der Zielgeraden. Die Schritte in den Sektor «Automotive» und in den Bereich «Mobilkommunikation» sind richtungsweisend. Es bedurfte aber eines Umdenkens bezüglich der Risikobereitschaft. Und, nicht minder, wir spüren die ausserordentlich hohen Anforderungen dieser Kunden. Der Weg zu «Next Level» ist steinig, fordert uns alles ab. Wir realisieren aber, dass wir vorwärtskommen – punkto Einstellung, aber auch punkto Umsatz.