Strategie & Management

Nachfolgeregelung (Teil 1 von 4)

Das eigene Lebenswerk sicher übergeben

Für zehntausende Schweizer KMU steht in den nächsten Jahren ein Generationenwechsel ins Haus. Nachfolgeprozesse sind oft komplex, langwierig und emotional. Umso wichtiger ist ein professionelles Vorgehen. Die Beitragsserie skizziert Anhaltspunkte.
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Kaum ein Thema brennt Unternehmern so unter den Nägeln wie die eigene Nachfolge. Vor allem dann, wenn sie kurz bevorsteht. Über 570 000 KMU gibt es in der Schweiz. Laut einer aktuellen Studie der Universität St. Gallen steht bei mehr als 70 000 dieser Unternehmen bereits in den nächsten fünf Jahren ein Generationenwechsel an. Betroffen sind vor allem inhabergeführte sowie Familienunternehmen.

Steht kein Familienmitglied in den Startlöchern, müssen die Unternehmer einen Verkauf oder sogar eine Liquidierung ins Auge fassen. Besonders wenn das persönliche Netzwerk das Haupt-Asset darstellt – wie zum Beispiel bei Beratern oder einem Arzt –, ist die Übergabe des Lebenswerks über das eigene Wirken hinaus problematisch. Urs Gauch, der Leiter des Departements Firmenkunden bei Raiffeisen Schweiz, rät deshalb, sich schon fünf bis zehn Jahre vor der geplanten Übergabe die ersten Gedanken über das für die eigene Firma richtige Nachfolgemodell zu machen.

Denn neben der familieninternen Vererbung der Firma kommt auch der Verkauf an einen externen Dritten oder einen Investoren oder an eine andere Unternehmung infrage. Häufig übernehmen auch Mitarbeitende den Betrieb (Management-Buy-out) oder ein externes Management steigt mit ein (Management-Buy-in). Und natürlich ist auch die Fusion mit einem anderen Unternehmen eine praktizierte Nachfolgelösung.

Praxisbeispiel Stewi AG

Ein Familienunternehmen, das einen Käufer gefunden hat, ist die Stewi AG in Winterthur. Vor 70 Jahren gegründet, ist das traditionsreiche Unternehmen heute ein Synonym für etwas, das jeder Haushalt braucht. Wer sagt schon «Wäscheständer»? Die Wäsche hängt man selbstverständlich über den «Stewi» auf dem Balkon oder im Garten.

Die Zeichen für eine erfolgreiche Nachfolge standen zu Beginn nicht gut, denn der Zahn der Zeit hatte bei Stewi Spuren hinterlassen. Trotz der starken Marke gingen die Verkaufszahlen seit Jahren zurück. Ursprung der Baisse war auch der eigene Erfolg in den 1960er- und -70er- Jahren. Der damals von der Gründerfamilie Steiner (Steiner Winterthur) entworfene Wäscheständer aus Aluminium mit Plastikseilen wurde über Nacht zum Kassenschlager. Der Haken daran: Das Produkt war Schweizer Qualität vom Besten – praktisch unzerstörbar.

Wie kommt man also an neue Kunden, wenn das Produkt für die Ewigkeit hält? Und so ging es mit der innovativen Stewi über die Jahrzehnte langsam bergab. «Die Produktion schrumpfte zusammen, von den einst 120 Mitarbeitenden waren zuletzt noch 21 beschäftigt», erzählt Rolf Steiner, eines von fünf Kindern des Firmengründers und Vertreter der Erben­gemeinschaft: Die Besitzer wussten nicht, wie sie den Negativtrend stoppen sollten, es fehlte ein Konzept für Investitionen und Innovationen. Und schliesslich wurde ihnen klar: «Wenn wir der Stewi AG eine Zukunft ermöglichen wollen, müssen wir jetzt verkaufen.»

Potenzial erkannt

Mit diesem Entscheid begaben sich Rolf Steiner und seine Geschwister auf einen nicht weniger fordernden Weg, nämlich die Nachfolge ihrer Firma erfolgreich zu lösen. Der Übergabeprozess war langwierig und intensiv, denn die Erben hatten verschiedene Interessen. Martin Jeker, Firmenkundenberater von Raiffeisen, hat die Transaktion begleitet: «Es war eine der anspruchsvollsten Transaktionen, die ich bis jetzt begleitet habe – aber schliesslich auch eine der erfolgreichsten.» Die beiden Übernehmer Stefan R. Ebnöther und Lorenz M. Fäh geben zu: «Es gab Momente, in denen wir ans Aufhören dachten. Man braucht schon Durchhaltevermögen bei so einer Übernahme.»

Heute sind sich alle am Tisch einig: Zum Glück hat es geklappt. Rolf Steiner ist begeistert von seinen Nachfolgern, während die Augen von Ebnöther und Fäh leuchten, wenn sie von ihren Plänen sprechen. Dass die zwei erfahrenen Zürcher Investoren just dann in Kauflaune waren, als Steiner verkaufen wollte, war ein Glücksfall. «Wir hatten als Zielobjekt einen etablierten Schweizer Brand definiert, inhabergeführt und schon etwas in die Jahre gekommen, sodass wir etwas daraus machen können», erinnert sich Lorenz M. Fäh. Die Verkaufsabsichten der Stewi AG seien zum perfekten Zeitpunkt gekommen. «Eine Firma mit einem gewaltigen Potenzial.» Nach mehreren Verhandlungsrunden wurde vor gut einem Jahr die Firmenübernahme besiegelt. Rolf Steiner ist glücklich darüber, hatte er in seine Stewi AG doch über die Jahre viel Herzblut gesteckt. Von den beiden neuen Inhabern ist er überzeugt. Als Zeichen seines Vertrauens liess er seinen Anteil des Verkaufserlöses als Darlehen in der Firmenkasse.

Von KMU zu KMU

«Wir möchten Übergeber und Übernehmer bei sämtlichen Schritten, Entwicklungen und Entscheidungen begleiten. Das Thema Nachfolge hat bei Raiffeisen eine hohe Priorität», erklärt Urs Gauch, Leiter Departement Firmenkunden bei Raiffeisen Schweiz. Die enge Verflechtung mit der Wirtschaft liegt in der DNA von Raiffeisen. Das genossenschaftliche Modell mit den über 250 eigenständigen Banken sorgt für eine starke Bindung zum lokalen Gewerbe, welches erklärtermas­sen gestärkt werden soll. Um Firmen gerade beim delikaten Nachfolgethema eine ganzheitliche Unterstützung zu bieten, hat Raiffeisen innerhalb der Gruppe ein Netzwerk an Spezialisten aufgebaut, die alle wichtigen Fragen zum Thema mit den entsprechenden Kompetenzen abdecken.

Innerhalb des Raiffeisen-Netzwerks begleitet das Raiffeisen Unternehmerzentrum (RUZ) familien- oder betriebsinterne Nachfolgeregelungen. Auch bei externen Nachfolgeregelungen kommen Unternehmer immer wieder auf das RUZ zu, insbesondere dann, wenn es emotionale Aspekte zu klären gibt. Alle Experten im RUZ sind selber Unternehmer und haben das nötige Verständnis und die Sensibilität, die es braucht, um einen Nachfolgeprozess zu begleiten.

Findet eine Nachfolgeregelung über den Verkauf an Dritte statt, kann Raiffeisen auf die zehnjährige Erfahrung der Business Broker AG zurückgreifen, eine Tochterfirma der Bankengruppe. Die Business Broker AG hat über 500 Firmenverkäufe erfolgreich begleitet und betreibt in der Schweiz die grösste Käuferplattform mit über 25 000 Kaufinteressenten. Geht es darum, die Vorsorge von Unternehmern zu planen für die Zeit nach der Übergabe oder für die Mitarbeiter vorzusorgen, greift Raiffeisen auf die Expertise der zur Gruppe gehörigen Vorsorge Partner AG zurück. Aktuell betreut Vorsorge Partner über 350 KMU-Kunden insbesondere in den Bereichen Personalvorsorge und Personenversicherungen.

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