Strategie & Management

Unternehmensorganisation I

Das EFQM Modell 2020 – das neue Excellence Leadership

Im Jahr 1991 hat die European Foundation for Quality Management (EFQM) erstmals ein Modell veröffentlicht, das auf der Philosophie ganzheitlicher Unternehmensführung basiert. Jetzt hat die EFQM das Management-Rahmenwerk tiefgreifend überarbeitet und auf aktuelle wie zukünftige Herausforderungen, wie die digitale Transformation, ausgerichtet.
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Letzten Oktober wurde am EFQM Forum in Helsinki das neue EFQM Modell 2020 präsentiert. Auf den ersten Blick wird bereits sichtbar, dass es sich um einen tief­greifenden Relaunch handelt. Das Modell ist in der Gegenwart angekommen, zeigt in die Zukunft und eröffnet neue Chancen in der Entwicklung von Organi­sa­tionen. Das 2020er-Modell nimmt die aktuellen und künftigen Herausforderungen auf, bietet die Möglichkeit, die eigene Organisation an einem zukunftsorientierten Ideal zu challengen und wird damit zur Herausforderung für jedes Führungsteam.

Ganzheitlicher Ansatz  

Nachhaltig erfolgreiche Unternehmensführung ist eine Kunst. Unzählige Einflussgrössen sowie unbekannte, schnell wechselnde Rahmenbedingungen und laufend neue Herausforderungen prägen den Unternehmensalltag. Allgemeingültige Erfolgsrezepte und Vorgehensweisen sind deshalb eine unzulässige Vereinfachung und bringen Führungskräfte nicht weiter. Ein gutes Beispiel ist die aktuelle Corona-Krise, welche die Wirtschaft global lähmt und bei allen Beteiligten Verunsicherung auslöst. Auf dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung ist das auf der ganzen Welt weit verbreitete EFQM Modell ein Führungs- und Leistungssystem sowie ein Denkmodell, das als Orientierungshilfe und Reflexionsinstrument Führungskräften wertvolle Dienste leistet. Es ist eine Annäherung an die ideale Unternehmensführung, in deren Zentrum die systematische Verbesserung der Wettbewerbsstärke auf der Basis der eigenen Strategie steht. 

Mit dem Modell steht dem Führungsteam ein Instrument zur Verfügung, das auf der Basis einer kohärenten Unternehmenskultur zu herausragenden Ergebnissen in allen Bereichen führt. Durch die Anwendung des EFQM Modells arbeitet das Management mit den erfolgsrele­vanten Faktoren und wird in die Lage versetzt, die eigene Organisation nachhaltig auf die Zukunft auszurichten. 

Mehr als Qualitätssicherung

Das EFQM Modell ist kein Qualitätssicherungssystem, sondern eine Philosophie ganzheitlicher Unternehmensführung. Um ein grosses Missverständnis vorwegzunehmen: Ganzheitliche «Qualität» im Sinne von EFQM beschränkt sich nicht nur auf die Leistungserbringung (Herstellung von Produkten und Erbringung von Dienstleistungen) und kann demnach nicht mit einem Qualitätssicherungssystem analog ISO ver­glichen werden. Das Modell 2020 wird von der EFQM heute als Managementrahmen mit integriertem Assessment bezeichnet. Und um das bisherige Modell in den richtigen Kontext zu stellen: Ein Denk-, Lenkungs- und Reflexionsinstrument war das EFQM Modell schon bisher. Das Assessment, die so­genannte Radar-Logik, dient als wert­volles Tool, um die Leistung der Organisation auf dem Hintergrund der eigenen Strategie zu messen und  weiterzuentwickeln. Der Nutzen kann nachfolgend zusammengefasst werden:

  • Eine einheitliche und kohärente Führungskultur, die sich in einer besseren Zusammenarbeit und höheren Wirkung niederschlägt.
  • Höhere Effizienz und Effektivität in der Gesamtperformance (Führungs-, Leistungserbringungs- und Support­ebene)
  • Das Erkennen und Steuern der erfolgsrelevanten Kriterien. Voraussetzung sind das Verständnis für das Ursachen-Wirkungs-Gefüge in der Organisation und dass die wichtigsten Früh- und Spätindikatoren identifiziert sind.
  • Die systematische Verbesserung der Fähigkeiten, um die Wettbewerbsstärke der Organisation laufend den aktuellen und künftigen Anforderungen anzupassen. 

Zeitgemässe Überarbeitung

Im heutigen Wirtschaftsumfeld als herausragende Organisation in der Branche zu gelten, bedarf nicht mehr der An­forderungen, wie sie noch vor einem Jahrzehnt Gültigkeit hatten. Das EFQM Modell 2013 wurde seinerzeit nur marginal überarbeitet. Unsere Welt ist in der Zwischenzeit komplexer, dynamischer und entgrenzter denn je. Der Umgang mit Komplexität, Volatilität und Dis­ruption fordert Führungskräfte täglich aufs Neue. 

Organisationen, die heute und in Zukunft zu den Besten gehören wollen, müssen nachhaltigen Nutzen für ihre Interessengruppen schaffen, sich aktiv mit ihrer Leistung auseinandersetzen und gleichzeitig die Transformation in die Zukunft  aktiv vorantreiben. Das 2020er-Modell nimmt vorherrschende Megatrends wie die digitale Transformation, kollaborative Wirtschaft oder stärkere Regulierungen, um nur einige zu nennen, auf und stellt dem Management ein dynamisches, in die Zukunft gerichtetes Managementsystem zur Verfügung.

Neue Logik im Modell 2020

Die Logik des neuen EFQM Modells stellt den Erfolg eines Unternehmens gemäss dem Grundsatz «Why – How – What» auf drei zusammenhängende Bereiche und ist neu in sieben Kriterien gegliedert (siehe Abbildung 1).

Ausrichtung (Why)

Warum existiert die Organisation und warum verfolgt sie genau diese Strate­-gie? Hierzu gehören das Kriterium 1 «Zweck, Vision und Strategie» sowie das Kriterium 2 «Organisations­kultur und Organisationsführung».

Realisierung (How)

Wie will die Organisation diese Strategie umsetzen? Hier wird untersucht, wie gut eine Organisation Interessengruppen einbindet (Kriterium 3), nachhaltigen Nutzen schafft (Kriterium 4) sowie die Leistungsfähigkeit und Transformation vorantreibt (Kriterium 5).

Ergebnisse (What)

Was hat die Organisation erreicht und was will sie in Zukunft erreichen? Diese Dimension fragt nach der Wahrnehmung der Interessengruppen (Kriterium 6) sowie nach den strategie- und leistungs­bezogenen Ergebnissen (Kriterium 7).

Insgesamt untersucht das EFQM Modell also, wie eine Organisation Zweck, Vision und Strategie verknüpft und dadurch für ihre Interessengruppen nachhaltigen Nutzen schafft.

Die Änderungen im neuen Modell

Beim Modell 2013 ging es noch mehr darum, innerhalb der Organisation «exzellent» zu sein beziehungsweise im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses eben «besser zu werden». Im neuen Modell verlagert sich der Fokus auf das Ecosystem, in welchem die Organisation eingebettet und vernetzt ist. Das Mana­gement soll also den Blick noch gezielter nach aussen statt nach innen richten und seine Rolle als Teil eines grossen Ganzen wahrnehmen.

Der Schwerpunkt liegt im neuen Modell nach wie vor darin, nachhaltigen Nutzen für die strategierelevanten Interessengruppen zu schaffen. Organisationen, die keinen Nutzen in ihrem Ecosystem beziehungsweise für ihre Interessen­gruppen stiften, verlieren ihre Daseinsberechtigung. Das neue Modell würdigt diesen Umstand dadurch, dass das Kriterium «Nachhaltigen Nutzen schaffen» mit 200 statt mit 100 Punkten in in einem EFQM-Assessment gewichtet wird.

Das Modell zielt ausserdem auf die Kultur der Veränderung und der Transfor­mation ab. Diese Neuerung ist essenziell, da man in Zukunft vermehrt davon ausgeht, dass Unternehmen, die sich nicht innovativ beziehungsweise disruptiv entwickeln, früher oder später vom Wett­bewerb weggefegt werden. In diesem Bereich leistet das 2020er-­Modell wertvolle Unterstützung bei der Transformation des «Rückspiegelma­na­ge­ments» zu einer zukunftsorientierten Unternehmensführung, wo Geschwindigkeit und Agilität sowie der Umgang mit Ungewissheit, Komplexität und Vo­latilität im Zentrum der Managementkompetenzen stehen. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache ist nicht mehr entscheidend, welche Methoden in der Vergangenheit zum Erfolg und der entsprechenden Performance geführt haben, sondern vielmehr das Verständnis des komplexen Wirkungsgefüges, der aktuellen und künftigen Anforderungen sowie der globalen Zusammenhänge. 

Dass Unternehmen im künftig veränderten Umfeld und den «neuen» Rahmenb­edingungen ein «neues» Denken und Handeln entwickeln und etablieren müssen, versteht sich von selbst. Der entsprechende Denk- und Handlungsrahmen wurde im neuen Kriterium «Leistungsfähigkeit und Transformation vorantreiben» geschaffen (siehe Abbildung 2).

Übergelagert wird der Fokus im neuen Modell auf die Unternehmenskultur als Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg gelegt. Peter Drucker, US-amerikanischer Ökonom, sagte bereits vor Jahren: «Culture eats strategy for breakfast.» Die Kultur ist der Nährboden für herausragende Organisationen. In Zeiten von Fachkräftemangel und Generationenwechsel müssen sich Organisationen mehr denn je mit ihrer Kultur auseinandersetzen und diese aktiv gestalten und lenken. Die Mitarbeitenden der Zukunft, im Speziellen die jüngeren Generationen, suchen Sinnhaftigkeit und eine Unternehmenskultur, in der sie sich entfalten und entwickeln können. «Kultur» stellt einen der neuen Schwerpunkte im EFQM Modell 2020 dar und ist im Kriterium «Organisationskultur und Organisationsführung» verankert (siehe Abbildung 2 ).

Das 2020er-Modell hat deutlich an Konturen und Dynamik gewonnen. Dies zeigt sich auch im Kriterium «Interessengruppen einbinden». Im bisherigen Modell waren die Interessengruppen in den «Befähigern» weniger stark vertreten und in den Ergebniskriterien klar definiert und gewichtet (Kunden, Mitarbeitende, Gesellschaft). Im neuen Modell legt die Organisation selbst fest, welche Interessengruppen zur Erreichung der Strategie beitragen oder sie daran hindern und wie die Ergebnisse im Rahmen eines EFQM-Assessments zu gewichten sind. Dies schlägt sich entsprechend im Bewertungssystem, der «Radar-Logik», nieder und unterstützt die Dynamik und Flexibilität der Organisation im Wettbewerb um Marktanteile. 

Fazit

Ein Modell ist keine Garantie für Erfolg. Jedoch stellt es Führungskräften, die sich hinterfragen und ihre Organisation auf dem Hintergrund ihrer Strategie am Ideal messen wollen, eine Reflexionsfläche und einen Denkraum zur Verfügung. Auf der Basis des EFQM Modells wird das Management-Team in die Lage versetzt, sich systematisch fit zu trimmen, um die Chancen der Zukunft zu nutzen und Krisen, wie aktuell die Corona-Pandemie, welche ganze Branchen lahmlegt und die Spielregeln in der Wirtschaft verändert, zu überleben und / oder gar gestärkt daraus hervorzugehen.

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