Strategie & Management

Unternehmensführung

Chancen und Herausforderungen zeitgemässer Führung

Unternehmen sehen sich heute vermehrt damit konfrontiert, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu binden. Bei Fachkräften sieht das nicht anders aus als bei Führungskräften jeglicher Führungsebene. Die richtigen Mitarbeiter zu finden, gelingt einem Unternehmen, das sich als attraktiv auf dem Markt präsentiert.
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Neben der aktiven Marktpräsenz, ist das Binden von qualifizierten Mitarbeitern eine weitere Herausforderung. Die Führung hat es in der Hand, auch diesbezüglich die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Führungskräfte sich selbst in ihrem Job verwirklichen können. So gibt es Herausforderungen wie Möglichkeiten in der Führung.

High Potentials im Visier

Wenn man ein «High Potential» fragt, weshalb er oder sie gerne im Unternehmen bleiben möchte, gehen die meisten Antworten in drei Richtungen:

  • Die Arbeit ist spannend, gibt Sinn und Zufriedenheit.
  • Die Menschen im Team sind zu einer Art Familie zusammengewachsen. Selbst wenn der Verdienst woanders besser wäre, würde ein Wechsel nicht infrage kommen.
  • Weil hier die Möglichkeit gegeben ist, in seiner Position Träume zu verwirklichen und persönlich zu wachsen.

Diese zusammengefassten Antworten sind Ergebnis einer Befragung von über 200 High Potentials aus unterschiedlichen Ländern und Kontinenten durch den US-amerikanischen Executive Coach Dr. Marshall Goldsmith und sein Team. Besonders im Hinblick darauf, dass sich Nachwuchsführungskräfte heutzutage erst einmal ausführlich über einen potenziellen Arbeitgeber informieren, sollten Unternehmen verstärkt auf ihre Kommunikation und Positionierung im Markt achten. Genauso informieren sich auch Kunden über ein Unternehmen. Mit einem falschen Ansatz kann das schlimmstenfalls dazu führen, dass qualifizierte Kräfte erst gar keine Bewerbung losschicken und stattdessen lieber zur Konkurrenz gehen.

Hindernisse guter Führung

Auf diese Themen hat die Führung einen unmittelbaren Einfluss. Wie sieht es in Unternehmen heute aus? Es gibt die unterschiedlichsten Arten von Führung und wer bereits länger im Berufsleben ist, hat sicher schon alle möglichen Führungstypen in ihrer Laufbahn kennengelernt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit waren darunter Vorgesetzte, deren Führung als angenehm, als zuvorkommend, als wertschätzend und als Vorbild für sich und andere wahrgenommen wurde. Möglicherweise gab es jedoch auch Führungspersönlichkeiten, die keine guten Vorbilder waren und deren Führungsstil eher hinderlich für den zwischenmenschlichen Kontakt und das Erbringen von Leistung war.

Was genau führt zu hinderlich erlebter Führung? Mit an erster Stelle steht eine mangelnde Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber. Gleichermassen hinderlich sind mangelnder Respekt, wenig Vertrauen und das Brechen von Versprechen. Ich habe es am eigenen Leib erlebt, dass Vorgesetzte in Meetings etwas sagen oder vorgeben, was sie an anderer Stelle selbst nicht einhalten. Und möglicherweise zeigen sie noch mit dem Finger auf diejenigen, welche sich trauen, sie darauf hinzuweisen beziehungsweise das zu wiederholen, was gesagt und vorgegeben wurde.

Ein weiterer Grund ist, dass häufig Führungskräfte zu wenig anwesend sind. In einer solchen Zeit der fehlenden Präsenz fehlt natürlich auch die Führung. Und sind sie dann mal anwesend, zelebrieren sie im schlimmsten Fall Mikro-Management und geben den Mitarbeitern vor, was sie wie und wann zu machen haben. Sie führen direktiv, und das leider auch bei denjenigen, die sehr wohl wissen, was sie zu tun haben und gerne eigenständiger arbeiten würden. Auf diese Weise werden die guten Mitarbeiter «klein»-gehalten, in ihrer Weiterentwicklung eingeschränkt und sogar unterschwellig davon abgehalten, aktiv mitzudenken, Verbesserungsvorschläge vorzubringen oder Ideen einzubringen.

Fehlende Verbundenheit

Es gibt mittlerweile jede Menge Untersuchungen darüber, dass nur wenige Mitarbeiter eine echte Verbundenheit zu ihrem Arbeitgeber empfinden. Die meisten verrichten nur «Dienst nach Vorschrift», sind daher wenig bis gar nicht motiviert. Dann gibt es sogar noch jene, die sogar aktiv demotiviert sind. Der Unterschied zu den wenig Motivierten liegt darin, dass aktiv Demotivierte durch unangemessenes Verhalten andere bewusst in ihre negative Grundhaltung hineinziehen und schlechte Stimmung verbreiten.

Das kann sogar so weit gehen, dass diese Menschen Vorgesetzte und das Unternehmen zu jeder sich bietenden Gelegenheit sprichwörtlich beschmutzen. Ihre Wirkung ist wie ein Gift, das sich langsam ausbreitet und das Arbeitsklima nachhaltig schädigt. Hier liegt also ein wesentlicher Ansatzpunkt für Führung, die es in der Hand hat, den Mitarbeitern als Vorbild zu dienen und ihnen somit Leitplanken zu stellen, die den Weg weisen, die Menschen aber eigenständig und eigenverantwortlich agieren lassen.

Chef als Kündigungsgrund

Es gibt eine Aussage, die zum Nachdenken anregt und gleichermassen den Nagel auf den Kopf trifft: «Menschen bewerben sich bei Unternehmen – und sie verlassen Vorgesetzte». Dahintersteckt die Kernaussage, dass Vorgesetzte oft ein Grund dafür sind, dass Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen. Nach aussen hin mag anfangs alles gut ausgesehen haben. Was dann im Inneren passiert, hat deren Entscheidung an irgendeiner Stelle ins Rollen gebracht.

So lag es aus deren Sicht an der Führungskraft, die ihnen womöglich nicht genügend eigenverantwortliches Handeln zugelassen hat, obwohl die Unternehmenswerte Eigenverantwortung, Freiheit und Entfaltung möglicherweise propagieren. So wurde etwas nach aussen kommuniziert, was dann innen nicht gelebt wurde. Eine Diskrepanz, die dazu führt, dass Mitarbeiter nicht das vorfinden, was sie allerdings benötigen, um mit voller Leidenschaft und Engagement einen guten Job machen zu können, der sie erfüllt.

«Plötzlich» Führungskraft

Qualität und Effektivität in der Führung können demnach unterschiedlicher gar  nicht sein. Woran könnte das liegen? Oftmals kann man gerade in kleineren und mittleren Unternehmen beobachten, dass Mitarbeiter aufgrund fachlich herausragender Leistung befördert werden. Da sich aber aufgrund der betrieblichen Strukturen keine Spezialistenkarrieren anbieten, rutschen sie von der Mitarbeiterrolle in eine Führungsrolle und haben plötzlich ein Team unter sich, das geführt werden will.

«Plötzlich Führungskraft» ist ein Thema, mit dem sich ganze Buchreihen füllen liessen. Nicht selten sagt der Chef: «Sie machen das schon» und schliesst die Tür hinter sich. Woher nun soll der frischgebackene Teamleiter wissen, wie Führung funktioniert? So stellt er sich Fragen wie: Wie führe ich mein Team? Was will mein Team, was braucht es? Was erwarten die Leute jetzt von mir? Muss ich jetzt alles allein entscheiden? Muss ich jetzt alles managen? Wer hilft mir dabei? Wer kann mir mal sagen, wie das gehen soll?

Dieser Fragenkatalog liesse sich noch beliebig ausführen. Fakt ist jedoch, dass diese neue Führungskraft erst einmal völlig ahnungslos in eine Position gesetzt wurde, die ihr im schlimmsten Fall absolut fremd ist. Gleichzeitig erwartet der Chef, dass die Rolle optimal ausgefüllt wird; schliesslich hat sich der Mitarbeiter ja längst als kompetent erwiesen. Kompetent in seinem Fach, sicher. Doch nicht kompetent in der Rolle als Führungskraft.

Defizite mit Folgen

In seiner neuen Rolle hat der – bleiben wir mal beim Beispiel – Teamleiter nicht mehr dieselben Aufgaben wie als normaler Angestellter. Seine Fachkompetenz rückt damit eher in den Hintergrund. Stattdessen kommen ganz andere Kompetenzen nach vorne und bestimmen darüber, ob er eine gute Führungskraft sein wird: nämlich Selbst-, Sozial- sowie Methodenkompetenzen. Das Problem: Diese werden meist nicht als so übermäs­sig wichtig erachtet und darum meist auch nicht entwickelt. Dabei kann es passieren, dass das Unternehmen einen exzellenten Fachspezialisten verliert und gleichzeitig eine nur mittelmässige Führungskraft gewinnt.

Ein weiteres Dilemma liegt darin, dass der Teamleiter sehr wohl merkt, welche Defizite er in der Führung hat, was sich wiederum auf dessen Zufriedenheit, Engagement und Leidenschaft für seinen Job auswirkt.

Es liegt auf der Hand, dass aus ihm sicher kein leidenschaftlicher Leader werden kann – sofern er keine Weiterentwicklung dieser Kompetenzbereiche angeboten bekommt. Und das zeigt sich unweigerlich in dessen Führungsverhalten, frustriert die Mitarbeiter, die nur noch folgen, weil sie es müssen, und nicht, weil sie es wollen. Als Folge geht deren Engagement zurück. Oder sie verlassen den Vorgesetzten, wie zu Beginn dieses Artikels beschrieben.

Wertschätzend führen

Wenn Führung funktionieren soll, muss ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander gegeben sein. So viel die Theorie. Die Praxis zeigt leider oft ein ganz anderes Bild: Der Umgangston ist häufig rau, die Arbeit wird zu wenig wertgeschätzt und die Erwartungen liegen jenseits der Norm. Respektlosigkeit und abwertende Äusserungen sind oft an der Tagesordnung. Ein solches Verhalten hat mit zeitgemässer Führung nichts zu tun. Das hat nichts mehr mit Respekt verschaffen zu tun, sondern mit Schikane, die die Mitarbeiter eher vergrault als dass sie daraus etwas lernen könnten.

Chef als Blockade

Vorgesetzte geben vor, wie der Umgang miteinander funktioniert. Ist darunter nur eine Führungskraft, die sich nicht angepasst verhält, kann das die Unternehmenskultur massgeblich beeinflussen. Müssen die Mitarbeiter jeden Tag in angespannter Erwartung verbringen, wann der Chef wieder einmal zum Rundumschlag ausholt, schaut jeder selbstverständlich darauf, eine solche Situation zu vermeiden. Ein Arbeiten, welches die Gedanken auf Neues lenkt, was das Unternehmen möglicherweise voranbringen könnte, ist dann leider nicht möglich.

Zufriedene Mitarbeiter sind produktiver als solche, die sich jeden Tag an ihren Arbeitsplatz quälen müssen. Ob ein Mitarbeiter nun zufrieden ist oder nicht, liegt in einem grossen Mass an der Art und Weise, wie er geführt wird. Und das ist völlig individuell. Das bedeutet: Eine Führungskraft muss jeden einzelnen ihrer Mitarbeiter kennen, um jedem die Führung zuteilkommen zu lassen, die ihm oder ihr am besten tut.

Wertschätzung spielt hier eine entscheidende Rolle. Fühlt sich ein Mitarbeiter wertgeschätzt, löst das ein Gefühl der Zufriedenheit aus. Er bekommt das Gefühl, erfolgreich zu sein und einen Beitrag für den Erfolg des Unternehmens zu leisten mit seinem Tun. Auf diese Weise engagiert er sich ganz automatisch für die Weiterentwicklung seines Arbeitgebers, wird weniger oft krank, verrichtet freiwillig Mehrarbeit und fühlt sich als Teil des unternehmerischen Erfolgs.

Führen können und wollen

Ist ein Unternehmen sehr produktiv, wird oft schnell ersichtlich, dass der Grund massgeblich bei der Führung liegt. Die Führungskräfte führen gerne, sie können und wollen führen. Sie haben die notwendigen Kompetenzen und Instrumente und fühlen sich daher bestens gerüstet zum Führen. Sie nehmen sich Zeit für ihre Mitarbeiter, Zeit für Wertschätzung und Weiterentwicklung. Sie motivieren und unterstützen wo nötig. Sie sind da, wenn ihre Einschätzung gefragt ist. Sie geben Feedback und nehmen es auch selbst an – um sich selbst immer wieder infrage zu stellen, zu wachsen und um eine Kultur des Miteinanders zu schaffen. Denn jede Führungskraft ist nur so gut wie das Team hinter ihr und das wiederum spiegelt sich unmittelbar in der Führung wider.

Fazit

Die Führung hat es in der Hand, die Mitarbeiter zu binden, zu fördern und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die die Basis bildet für eine gute Zusammenarbeit und den unternehmerischen Erfolg. Die Führungskräfte sind wie der Kraftstoff, der den Motor eines Unternehmens antreibt. Dementsprechend sollte jeder Unternehmenslenker dafür sorgen, dass seine Führungskräfte auch das bekommen, was sie brauchen, um in ihrer Rolle bestmöglich zu wirken.

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