Strategie & Management

Kolumne

B2B-Vertrieb: Über Timing und Geschwindig­keit

Timing und Geschwindigkeit sind nicht alles im B2B-Vertrieb, aber ohne sie ist alles nichts.
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Untersucht man die Faktoren, die wirklich entscheidend sind, um im B2B-Vertrieb Erfolge zu erzielen, so darf man die Elemente Timing und Geschwindigkeit auf keinen Fall ausser Acht lassen. Der Grund hierfür liegt darin, dass das «Ja» eines Kunden zu einem Geschäft stets auf einer günstigen Konstellation bestimmter Faktoren beruht. 

Sieben Faktoren für einen erfolgreichen Abschluss

Mindestens die folgenden Inhalte sind stimmig zueinander, wenn es zum Abschluss kommt: Der Entscheider (1) erkennt (2), dass die angebotene Leistung (3) sein Bedürfnis (4) ausreichend gut, zu einem angemessenen Aufwand befriedigt (5), er erkennt die Priorität (6) des Themas und er ver­traut darauf, dass seine Erwartungen mindestens be­friedigt werden (7). Diese Faktoren verdienen eine genauere Betrachtung – auch im Hinblick auf Reihenfolgen und zeitliche Abhängigkeiten –, um im nächsten Schritt herauszuarbeiten, welche Rolle Geschwindigkeit und Timing spielen, um eine vorteilhafte Konstellation der Elemente zu bewirken und bis zum Abschluss des angestrebten Geschäftes konsequent zu nutzen.

1. Der Entscheider: Der Entscheider ist derjenige im Unternehmen, der ein bestimmtes Geschäft ohne Rücksprache verbindlich zusagen kann. Es lohnt sich, so früh, wie es im Vertriebsprozess sinnvoll möglich ist, herauszubekommen, wer genau das ist. Es ist zum Beispiel – mit wenigen Ausnahmen – eine vollständig akzeptierte Frage, wenn man sich nach dem genauen weiteren Entscheidungsprozess im Haus erkundigt. Auch offensivere Fragen kommen in Betracht: «Wenn wir uns jetzt die Hände schütteln, ist das Geschäft damit abgeschlossen?» Besteht keine inhaltliche Übereinkunft mit dem Entscheider, sinken die Chancen auf einen Geschäftsabschluss deutlich. 

2. Die Entscheiderin erkennt die Vorteilhaftigkeit der Zusammenarbeit: Zielt man auf den Vertriebserfolg, so ist entscheidend, dass der Kunde die Leistung will, nicht nur, dass er sie braucht. Die Kunst jedoch besteht darin, herauszufinden, was der Kunde braucht, und in einem geführten Erkenntnisprozess das Bedürfnis und den Willen hierauf auszurichten. Wohlgemerkt, damit soll keine ne­gativ verstandene Manipulation angeraten sein, sondern ein im besten Sinne des Kunden stattfin­dender Erkenntnisprozess, den der Vertriebsmitarbeiter, als Experte für ein bestimmtes Thema, sehr früh übernehmen und führen sollte.

3. Die angebotene Leistung gilt es präzise an den Bedürfnissen des Kunden auszurichten. Die Reihenfolge hierbei ist wichtig: Zuerst gilt es, das Bedürfnis festzustellen und danach die Leistung zu konfigurieren. Unternehmen, die die Grundstrategie der Leistungsführerschaft gewählt haben, sind häufig sehr geübt darin. Innovationsführer tun sich mitunter schwerer – entwickelt man hier teilweise auch Leistungen, einfach weil es möglich ist, ohne im Vorfeld die Bedürfnisse hinreichend betrachtet zu haben. Es ist in der Verantwortung des Vertriebsmitarbeiters, hier einen ehrlichen Abgleich zu machen und in einem fairen Interessenausgleich eine passende Lösung anzubieten.

4. Es lohnt sich, das Bedürfnis des Kunden an die erste Stelle bei allen unternehmerischen Aktivitäten zu setzen. Begonnen bei den Überlegungen zum Zweck eines Unternehmens, über die Marktsegmentstrategie bis zum einzelnen Vertriebsgespräch. Streicht man den echten Bedarf (Bedürfnis + Kaufkraft) aus der Gleichung, so bleibt der Wachstumserfolg zwangsläufig aus. Das klingt im ersten Moment trivial, selbstverständlich und keiner näheren Betrachtung wert. Genau das Gegenteil trifft jedoch zu, wenn man in der Praxis die Vielzahl an Fällen betrachtet, in denen der Erfolg von Produkten, Leistungen, Vertriebseinheiten und ganzen Unternehmen genau an dieser Stelle scheitert.

5. Es braucht die Überzeugung, dass die angebotene Leistung das erkannte Bedürfnis ausreichend gut befriedigt und der Aufwand (der Preis) hierzu in einem angemessenen Verhältnis steht. Zu dieser Überzeugung zu gelangen, ist ein Prozess, in dessen Verlauf sich der sehr gute Vertriebsmitarbeiter zeigt. Zwei Faktoren sind ausschlaggebend: Erstens, die rationale Erkenntnis, dass die Lösung das erkannte Bedürfnis grundsätzlich zu befriedigen imstande ist und dass der geschaffene Wert den Preis recht­fertigt. Zweitens, das emotionale «Ja» des Kunden, bei dem Vertrauen und eine gute Beziehung hilfreich sind. Mehr dazu unter «7.»

6. Es gilt die Priorität eines Themas im Bewusstsein des Kunden zu verankern. Wenn ein Geschäft nicht abgeschlossen wird, dann aus einem oder mehreren der folgenden Gründe: kein Geld, keine Zeit, keine Dringlichkeit, kein Vertrauen. Die ersten drei sind Prioritäten-Fragen. Durch ein gemeinsames Herausarbeiten des Nutzens der Leistung zwischen Vertriebsmitarbeiter und Kunden, gelingt es, die Priorität einer Zusammenarbeit herauszufinden. Welchen Wert schafft die Lösung? Welcher Schaden ist bei einer schlechteren und keiner Lösung zu erwarten? Der Wert, der mit diesen Leitfragen herausgear­beitet wird, bestimmt die Priorität.

7. Das letzte und häufig entscheidende Element für einen Verkaufsabschluss ist Vertrauen. Je weniger eigene Erfahrungen ein Kunde bereits mit der konkreten Leistung gesammelt hat, umso stärker fällt die Beziehung und das Vertrauen zum Unternehmen (unter anderem darum ist die Marke so wichtig) und dem jeweiligen Vertriebsmitarbeiter ins Gewicht. Erst wenn Beziehung und Vertrauen belastbar sind, besteht die Aussicht auf aussergewöhnliche Wachstumserfolge. Stringentes Erwartungsmanagement ist ein wertvolles Instrument, um den beschriebenen Zweiklang aus Vertrauen und Be­ziehung zu sichern.

Timing und die Geschwindigkeit der Vertriebsaktivitäten gut kalibrieren

Schon um die beschriebene Konstellation initial zu bewirken, ist es hilfreich, das Timing sauber abzustimmen. So lohnt es erst über die Spielarten einer Zusammenarbeit zu sprechen, wenn geklärt ist, dass es sich um den Entscheider handelt. Bevor man ein Angebot stellt, ist am Thema Vertrauen zu arbeiten, und so fort. An einer bestimmten Stelle ist Geschwindigkeit unbedingt anzuraten: Wenn die Konstellation wie oben beschrieben geschaffen ist, gilt es wirklich schnell ein präzises Angebot zu stellen, zu verhandeln und verbindlich zu verabreden. Denn die geschaffene Konstellation ist fragiler, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Die folgenden zwei Faktoren verschieben die Konstellation regelmässig zum Nachteil der Verkaufschancen: 

1. Äussere Rahmendbedingungen und interne Faktoren verändern sich unaufhörlich. Hierauf gilt es für den Entscheider zu reagieren, das bedeutet, dass eine Priorität, die einmal erkannt wurde, durch­aus kurzfristig als weniger dringend angenommen werden kann, was das Geschäft infrage stellt. Je stärker getrieben ein Entscheider ist (oder meint zu sein), umso stärker fällt dies ins Gewicht.

2. Erinnerungen sind flüchtig. Liegt zu viel Zeit zwischen dem Gespräch, in dem die Konstellation erzielt wurde, und dem Angebot, besteht die Gefahr, dass nicht mehr präsent ist, dass und wie Bedürfnis, Leistung und Prioritäten zusammenpassen.

Um das Timing und die Geschwindigkeit der eigenen Vertriebsaktivitäten gut zu kalibrieren, lohnt es sich, die oben beschriebenen Faktoren zu durchdenken und den eigenen Vertriebsprozess hieran zu orientieren. Auch verbindliche Verabredungen innerhalb eines Vertriebsteams, zum Beispiel zur Zeit, in der ein Angebot nach der konzeptionellen Übereinkunft geschrieben wird und wann spätestens zu einem solchen Angebot zu sprechen ist, helfen dem Vertrieb dabei, die entscheidenden Schritte im Endspurt des Vertriebsprozesses wirkungsvoll und präzise zu gehen.