Strategie & Management

Veränderungsmanagement

Authentisch führen in Veränderungsprozessen

Veränderungen in Unternehmen zu managen, scheint zur Regel geworden zu sein. Dennoch tun sich Führungskräfte häufig schwer damit. Viele wissen schlicht nicht, wie sie die komplexen Herausforderungen meistern sollen, und erst recht nicht, wie sie dabei in ihrer Rolle authentisch bleiben. Der Beitrag liefert Empfehlungen.
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Ob digitale Transformation, Reorganisation, Outsourcing oder Kostenprogramm, – strukturelle Veränderungsprozesse sind heutzutage in den Unternehmen schon fast die Normalität. Und dennoch: Für das Gros der Führungskräfte bleibt der Change eine Ausnahmesituation, denn in den wenigsten Fällen haben sie die Veränderungen selbst mitbeschlossen. Trotzdem sind sie gefordert, diese zu vertreten und in ihrer Abteilung umzusetzen. Jeder einzelne Vorgesetzte muss sich hier auf eine kritische Situation einstellen, dass die Stimmung im Unternehmen und in der eigenen Abteilung oft von Verunsicherung geprägt ist. Der Mitarbeitende weiss nicht, was auf ihn zukommt. Ist sein Arbeitsplatz gefährdet? Muss er eine neue Funktion übernehmen? 

Solche Ängste und Unsicherheiten, ob berechtigt oder nicht, schlagen sich schnell auf die Arbeitsfähigkeit nieder. Ein Teil der Mitarbeiterschaft verbringt den halben Tag in der Kaffeeküche, um die neuesten Gerüchte zu teilen, ein anderer Teil geht in die innere Emigration, während sich die besten unter den Mitarbeitenden womöglich schon nach einer neuen Position umsehen. Mit anderen Worten: Das Team verliert den Zusammenhalt, die Leistung bricht ein.

Regeln im Change-Prozess

Auch wenn die Führungskraft selbst verunsichert ist, wenn sie nicht weiss, wie es weitergeht, ist es wichtig, umsichtig zu agieren. Auf keinen Fall darf sie die eigene Unsicherheit auf die Mitarbeiter übertragen. Vielmehr kommt es darauf an, die Veränderungssituation systematisch zu managen. Soll heissen: Das Ziel sollte immer sein, die vorhandenen Ressourcen des Teams zu nutzen, um den Change-Prozess im Sinne des Unternehmens umzusetzen und dabei möglichst für die eigene Abteilung das Beste aus der Situation herauszuholen. Dabei haben sich folgende Regeln bewährt:

Nicht gegen das Unvermeidliche ankämpfen

Widerstand frisst nur Energie. Meistens wird es nicht möglich sein, die (vom Unternehmen geplante) Veränderung abzuwenden oder zu beeinflussen. Stattdessen gilt es für die Führungskraft, zu akzeptieren, dass sich für sie und ihr Team die Rahmenbedingungen ändern. «Wie gehen wir damit um?», lautet somit die Frage, auf die es eine Antwort zu finden gilt. Das wiederum setzt voraus, über die bevorstehende Änderung möglichst genau Bescheid zu wissen. Daraus ergibt sich zugleich die zweite Regel. 

Alle erreichbaren Informationen einholen

Um im Bilde zu sein, sollten alle Informationen über die angekündigte Veränderung eingeholt werden. Empfehlenswert ist, hierfür möglichst mehrere Kanäle zu nutzen und mit dem Vorgesetzten, aber auch anderen Entscheidern im Unternehmen zu sprechen. Dabei ist mitunter Hartnäckigkeit angesagt. Denn wer sich durch Phrasen wie «Ja, wir sind am Überlegen – und, na ja, wahrscheinlich betrifft es Sie doch nicht …» abspeisen lässt, hat schliesslich nicht viel gewonnen. Es kommt darauf an, klare Fragen zu stellen, um Genaueres zu erfahren. Dabei ist es für die Führungskraft wesentlich, deutlich zu machen, dass sie Verständnis für politisches Kalkül hat und nicht jede Information eins zu eins an ihre Mitarbeiter weiterreichen wird. Im gleichen Atemzug sollte sie aber auch zu verstehen geben, dass sie Verantwortung für ihre Mannschaft trägt und informiert sein muss. Optimal ist, wenn die Führungskraft von Anfang an in den Informationsfluss der Entscheider eingebunden ist. Für die Führungskräfte der mittleren Ebenen lohnt es sich daher, gute Kontakte zu den Entscheidern aufzubauen, um Veränderungspläne rechtzeitig mitzubekommen und auf das eine oder andere Detail Einfluss nehmen zu können. 

Die Chancen und Potenziale der Veränderung identifizieren

Ist bekannt, welches Ziel das Unternehmen mit dem Veränderungsprojekt verfolgt, können die Auswirkungen auf die eigene Abteilung eingeschätzt werden. Konkret: welche neuen Anforderungen, Aufgaben und Funktionen auf das Team zukommen und welche im Gegenzug verloren gehen. Im nächsten Schritt sollten Führungskräfte eine Strategie speziell für ihre Abteilung erarbeiten. Passende Leitfragen hierzu sind: Welchen Beitrag kann das eigene Team zum geplanten Veränderungsziel leisten? Wie könnte demnach die optimale Aufstellung der Mitarbeitenden im Team aussehen? Wer sollte künftig welche Funktion und welche Aufgaben übernehmen? Und für wen bietet die Situation neue Chancen? Soll zum Beispiel im Zuge des Projekts eine neue Software eingeführt werden, kann der Team-eigene IT-Spezialist möglicherweise eine besondere Rolle spielen.

Offen mit den Mitarbeitenden kommunizieren

Entscheidend in einer Veränderungssituation ist immer, das Vertrauen der Mitarbeitenden zu erlangen und zu erhalten. Damit dies gelingt, muss frühzeitig, ehrlich und transparent mit ihnen kommuniziert werden. Genau daran hakt es oft. Zu lange zu warten, kann jedoch sehr gefährlich sein. In der Zwischenzeit wird die Gerüchteküche brodeln und die besten Leute werden sich womöglich schon auf den Absprung vorbereiten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Veränderungen viel effektiver umgesetzt werden, wenn die Mitarbeitenden sich innerlich eine Weile mit dem kommenden Change auseinandergesetzt haben. Daher tun Führungskräfte gut da­ran, ihre Mitarbeitenden zeitnah auf dem Laufenden zu halten. Wer noch keine Er­gebnisse mitteilen kann, wird immer die Möglichkeit haben, zumindest eine Prozessbeschreibung abzugeben – etwa die Bestätigung, dass es Veränderungen geben und der Vorstand zum Zeitpunkt X Näheres darüber mitteilen wird. Wichtig ist, dass die Führungskraft ihren Mitarbeitenden mögliche Transparenz des Geschehens vermittelt. Beispiel: «Es laufen gerade Verhandlungen mit potenziellen Käufern unseres Unternehmensbereichs. Der Vorstand geht davon aus, dass diese Gespräche noch eine Woche dauern. Ich hoffe, ich weiss in einer Woche mehr, und werde dann berichten.»

Ferner sind Einzelgespräche von Bedeutung. So kann auf individuelle Fragen und Ängste eingegangen werden. Trotz aller Transparenz muss freilich nicht über alles informiert werden. Die Führungskraft sollte vielmehr gut überlegen, wem und auf welche Weise bestimmte Hintergründe berichtet werden. Hierbei ist die Perspektive wichtig: Was ist für das Gegenüber förderlich? Und welche Infos würden seine Leistungsfähigkeit eher behindern?

Die möglichen Szenarien  durchspielen

In ihre Überlegungen hinsichtlich der Zukunft der Abteilung sollte die Führungskraft ihr Team auf jeden Fall einbeziehen, auch wenn die Informationen zunächst lückenhaft sind. In diesem Kontext ist ein konstruktiv-strategischer Umgang mit der Situation angebracht. Das bedeutet, sich an die Fakten zu halten und gemeinsam mit den Mitarbeitenden verschiedene Szenarien zu entwerfen, einschliesslich des Worst-Case-Szenarios. Es ist immer wichtig, zu überlegen, was im schlimmsten Fall passieren kann, um einen Notfallplan zu entwickeln.  

Auf jeden Fall ist es sinnvoll, die Folgen des Restrukturierungsprozesses hinsichtlich einzelner Funktionen und Stellen zu analysieren. So wird deutlich, dass die Konsequenzen nichts mit einer möglichen Trennung von Teammitgliedern zu tun haben. Besteht die berechtigte Befürchtung, eine Funktion könnte wegfallen, sollte gemeinsam mit dem Betroffenen überlegt werden, welche Lösungen bestehen: Gibt es diese Funktion an an­derer Stelle im Unternehmen? Oder entstehen neue Funktionen, die eine Alternative sein könnten? Wichtig ist, klar zwischen Sache und Person zu trennen. Auf diese Weise kann man mit einem Mitarbeitenden in der Regel auch über harte Einschnitte sprechen, ohne dessen Vertrauen zu verlieren.

Das Team leistungsfähig halten

Auch wenn Sorgen und Ängste da sind, darf die Leistungsfähigkeit der Abteilung nicht abfallen, eine Vernachlässigung der Tagesarbeit nicht eintreten. Zwar sollte die Führungskraft den Mitarbeitenden den notwendigen Raum für Diskussionen und Nachfragen geben, sie muss aber auch den notwendigen Schlusspunkt setzen, etwa indem sie sagt: «Sobald es etwas Neues gibt, komme ich auf Sie zu. Aber jetzt müssen wir erst einmal alle unseren Job machen.»

Authentisch führen

Insgesamt kommt es beim Agieren in Veränderungsprozessen mehr denn je darauf an, dass die Führungskraft ihren eigenen Führungsstil entwickelt hat. Nur wenn sie stimmig zu ihrer Rolle und ihrer Persönlichkeit entsprechend handelt, wenn sie echt und berechenbar auftritt, wirkt sie glaubwürdig und souverän auf andere. Dies wiederum ist die Voraussetzung, die Mitarbeitenden mit auf eine Reise zu nehmen, die diese freiwillig nur ungern starten. Ein authentischer Führungsstil bietet ihnen Halt und Orientierung. Das ist das Wichtigste überhaupt im Change. Gerade schwierige Situationen bieten im Übrigen die Möglichkeit, den eigenen Führungsstil auszubauen. Dabei gilt, sich selbst treu zu bleiben und zum Beispiel nicht zu versuchen, einen autoritären Führungsstil zu kopieren. Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Regeln und Instrumente zu beherrschen, ist sicherlich wichtig, reicht aber nicht aus. Notwendig darüber hinaus ist die persönliche Überzeugungskraft. Das Motto der Führungskraft sollte demnach gerade im Change lauten: «Das Potenzial liegt in mir selbst.»

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